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"Knast"-Hühner in der EU müssen weiter legen

19. November 2011

Hühnereier spalten die EU. 50 Millionen Eier werden von Januar an täglich illegal in der EU gelegt. Wohin mit ihnen und wer ist Schuld an der Misere? Ein Beispiel, wie Europa nicht funktioniert.

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Eier (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/morena

Vom 1. Januar 2012 an ist die Haltung von Legehühnern in engen Käfigen in der Europäischen Union verboten. Eier von solchen Hühnern dürfen in der EU nicht mehr verkauft und verwendet werden. So legt es ein EU-Gesetz aus dem Jahr 1999 fest. Bestürzt hat der zuständige Verbraucherschutz-Kommissar John Dalli aus Malta jetzt festgestellt, dass sich 11 der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union um das Gesetz nicht scheren. Trotz jahrelanger Übergangsfristen für die Beendigung der Tierquälerei haben es die Bauern in Frankreich, Polen, Italien und vielen weiteren Ländern nicht geschafft, ihre Eiererzeugung rechtzeitig von Legebatterien auf Boden- oder Freilandhaltung umzustellen.

John Dalli (Foto: AP)
John Dalli sucht das Ei des KolumbusBild: dapd

Keine Ausnahmen für "Knast-Eier"

Wortreich beklagen polnische Hühnerhalter, dass noch 70 Prozent der Tiere in Käfigen sitzen und die Umstellung auf die teure Bodenhaltung noch länger dauern werde. Geht es nach EU-Kommissar Dalli und der deutschen Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner, sollen die im Käfig gelegten Hühnereier von Januar nicht mehr verkauft und auch nicht exportiert werden. Nach Schätzungen der deutschen Hühnerindustrie, die längst auf Käfighaltung verzichtet hat, gibt es 51 Millionen Hühner in der Europäischen Union, die noch "Knast-Eier" in engen Batterien legen. Der Deutsche Tierschutzbund spricht sogar von 100 Millionen Hühnern. Genaue Zahlen hat auch die EU-Kommission nicht, weil es die Mitgliedsländer mit ihren Meldepflichten nicht so ernst nehmen.

Die Geflügelbarone in den Sünder-Staaten wie Belgien, Polen, Ungarn usw. setzen darauf, dass Brüssel schon Ausnahmegenehmigungen erlassen wird. Diesmal will die EU-Kommission aber hart bleiben, wie ein gekochtes Ei. Wohin mit den Millionen Eiern, die ab Januar eigentlich nicht mehr verkauft werden dürfen? Die EU-Agrarminister könnten sich mit dieser Lösung anfreunden: Die illegalen Käfig-Eier werden nicht im Supermarkt als frische Eier verkauft, sondern wandern in Industrieprodukte wie Nudeln, Gebäck oder werden zu vorgekochten und gefärbten Ostereiern. Diese Übergangslösung, die bis Mitte nächsten Jahres gelten soll, lehnen die Lobby-Verbände der deutschen Geflügel-Bauern ab. Schließlich haben sie in die Boden- und Freilandhaltung viel Geld investiert und wollen nicht, dass die säumigen Bauern jetzt geschont werden.

Weiße Legehennen in einer Käfiganlage (Foto: AP)
Keine Freiheit für Legehennen in elf Ländern der EUBild: AP

Die Welt braucht keine Eier aus Europa

Die "Knast-Eier" zu exportieren, ist auch nicht möglich. Weltweit gilt bei Eiern mehr oder weniger das Selbstversorger-Prinzip. Nur zwei Prozent der Welt-Eier-Produktion werden von Kontinent zu Kontinent exportiert. In den USA, Lateinamerika und teilweise auch in China würden die Käfig-Eier aus Europa aber nicht weiter auffallen. Denn der größte Teil der Eier wird außerhalb Europas in Legebatterien erzeugt, die in der EU nun eigentlich verboten sind. Die SPD-Europaabgeordnete Ulrike Rodust, in ihrer Fraktion für Legehennen zuständig, erklärte in Brüssel weitsichtig: "Die Eier werden ab Januar weiter gelegt werden, denn die Hennen wissen nicht, dass sie illegale Eier produzieren. Wir können die Eierproduktion nicht einfach stoppen." Ulrike Rodust plädiert dafür, die Eier zu Pulver zu verarbeiten. Das kann man erst einmal einlagern.

Den absurden Eier-Streit in der EU finden einige EU-Diplomaten in Brüssel gar nicht mehr lustig. "Wenn sie sich schon nicht dazu durchringen können, zwölf Jahre alte Gesetze zur Käfighaltung umzusetzen, wer glaubt dann im Ernst, dass sich Staaten Auflagen für ihre Staatsschulden machen lassen werden?", fragen manche Diplomaten mit bitterem Lächeln. Also, erst die Eier-Krise lösen, danach die Euro-Krise.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Hans Spross