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Droht Tunesiens Tourismus die nächste Krise?

Sarah Mersch
25. September 2019

In Tunesien hatte sich der Tourismus nach dem politischen Umbruch und den Anschlägen von 2015 eigentlich gerade erholt. Doch nach der Pleite von Thomas Cook bangen die betroffenen Hoteliers um ihre Existenz.

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Thomas Cook Passagiere am Flughafen Enfidha-Hammamet International
Thomas Cook Passagiere am Flughafen Enfidha-Hammamet InternationalBild: Reuters/Z. Souissi

"Es war ein Schock. Die Auswirkungen auf die betroffenen Hotels sind noch schlimmer als 2015." Mehdi Allani ist die Verzweiflung auch drei Tage nach der Pleite von Thomas Cook immer noch anzuhören.

2015 hatten zwei Anschläge Tunesien erschüttert, mehr als 60 Personen wurden damals bei Angriffen auf das Bardo-Museum in Tunis und ein Hotel in Sousse getötet. In der Folge brach der ausländische Tourismus ein, doch tunesische und algerische Gäste kamen stattdessen umso mehr und federten die Verluste etwas ab.

Jetzt aber fürchten die tunesischen Hotels, die mit dem inzwischen insolventen Reiseveranstalter Thomas Cook zusammengearbeitet haben, dass sie auf ihren Kosten sitzenbleiben.

Mehdi Allani betreibt in Hammamet das 4-Sterne-Hotel Sultan. Für Gäste aus Großbritannien, Deutschland und Belgien hatte er einen Exklusivertrag, sie kamen alle über den britischen Veranstalter. "Das macht ungefähr ein Drittel unseres Jahresumsatzes aus."

Für Juli, August und September, die umsatzstärksten Monate des Jahres, sind die Rechnungen nicht bezahlt und Allani hat Angst, auf den 2,7 Millionen Dinar (rund 875.000 Euro) sitzenzubleiben. Die Auswirkungen seien dramatisch. Eigentlich hat er 250 Mitarbeiter. Doch viele Verträge habe er für den Oktober bereits ausgesetzt. Insgesamt werde er mindestens hundert Mitarbeiter entlassen müssen.

Die Situation bei den anderen betroffenen Hotels sei ähnlich schlimm, berichtet der Besitzer des Sultan, der gleichzeitig Vorsitzender des Regionalverbands der Hotellerie in der Touristenregion von Hammamet ist.

Die Indikatoren waren positiv

2019 war eigentlich das Jahr des Aufschwungs in der tunesischen Tourismusbranche, nicht zuletzt dank des rührigen Tourismusministers René Trabelsi, der im Herbst 2018 sein Amt angetreten hatte.

Bereits im vergangenen Jahr waren die Besucherzahlen mit rund 8,3 Millionen Gästen wieder höher als 2010, dem Jahr vor dem politischen Umbruch in Tunesien, das in der Branche als Referenz gilt. Und auch 2019 waren die Indikatoren positiv: Eine Reihe Hotels hatte nach Jahren der Krise wieder eröffnet und auf der südtunesischen Insel Djerba waren im Sommer alle Betten belegt. Bis Mitte August hatten 6,6 Millionen Urlauber das Land besucht und die Einnahmen waren im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund ein Drittel gestiegen.

Tourismus in Tunesien nach den Anschlägen
Nach den Anschlägen im Jahr 2015 klagten auch Souvenirhändler über fehlende KundenBild: DW/T. Guizani

Der Tourismus ist in Tunesien einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren, er macht knapp ein Zehntel des Bruttoinlandprodukts aus. Die Branche stützt sich jedoch im Wesentlichen auf den krisenanfälligen Strand- und Badetourismus. Eine Diversifizierung des touristischen Angebots, hin zu mehr Kultur- und Individualtourismus, geht nur mühsam voran.

Nach dem Attentat im Juni 2015 in Sousse, bei dem vor allem britische Touristen getötet wurden, hatte Thomas Cook Tunesien im Februar 2018 wieder ins Programm genommen. Die Zahlen der britischen Urlauber hatten sich zuletzt verdoppelt. Aktuell befinden sich noch rund 6000 Gäste in Tunesien, die über Thomas Cook ihren Urlaub gebucht hatten. Mehr als 4500 sind Briten, so der tunesische Hotellerieverband.

60 Millionen Euro Verlust erwartet

Während bei den betroffenen tunesischen Hotels und dem Reiseveranstalter TTS, der ausschließlich mit Thomas Cook zusammengearbeitet hat, die Alarmglocken schrillen, relativierte Tourismusminister Trabelsi im tunesischen Fernsehen die Auswirkungen auf die Branche.

"Nur rund 100.000 britische Touristen sind dieses Jahr mit Thomas Cook gekommen. Und die, die eine Reise geplant hatten, werden eben zur Konkurrenz gehen", sagte er am Montag. Der Marktanteil des insolventen britischen Reiseveranstalters liege nur bei rund 3,5 Prozent, so der Minister.

Er mache jedoch rund acht Prozent der Deviseneinnahmen aus, hält Mouna Ben Halima, Sprecherin des Hotellerieverbandes, dagegen. Der Verlust liege bei rund 60 Millionen Euro. Knapp vierzig Hotels hätten exklusiv mit Thomas Cook zusammengearbeitet, weitere sechzig für einzelne Länder. Sie sei sich nicht sicher, ob alle betroffenen Hotels diese Krise überstehen würden. Der Branchenverband denke derzeit über eine Sammelklage in London nach, "damit die betroffenen Hoteliers zumindest 20 bis 25 Prozent der Schulden wieder eintreiben können."

Tunesiens Tourismusminister Trabelsi kündigte an, die Regierung werde in einer Sondersitzung über Rettungsmaßnahmen für die betroffenen Unternehmen entscheiden. Im Gespräch sind unter anderem Überbrückungskredite für die Hoteliers, bis geklärt ist, in welchem Umfang sie entschädigt werden.

Die Hotelbetreiber fordern darüber hinaus, dass der Staat für den fraglichen Zeitraum die Arbeitgeberabgaben übernimmt und bei den Leistungen, für die sie ihn Vorkasse gegangen sind, die Mehrwertsteuer erlassen wird. So könnten die Auswirkungen der Insolvenz zumindest etwas abgemildert werden.