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Politik

Nahost-Konflikt: Wer könnte vermitteln?

18. Mai 2021

Die Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern schaukelt sich weiter hoch. Gesucht wird ein Vermittler. Welche Rolle könnten die Europäer, könnte Deutschland spielen?

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Weltspiegel 17.05.2021 | Nahostkonflikt | Gaza Citiy, israelischer Luftangriff
Luftangriff auf Gaza-Stadt in der Nacht auf den 17. MaiBild: Anas Baba/AFP/Getty Images

Der Konflikt dauert schon mehr als eine Woche und hat bereits jetzt über 200 Todesopfer gefordert. Und er hat nach den Worten von UN-Generalsekretär António Guterres das "Potenzial, eine unaufhaltsame Sicherheits- und humanitäre Krise auszulösen und den Extremismus nicht nur auf dem besetzten palästinensischen Gebiet und in Israel, sondern in der gesamten Region weiter zu fördern", so Guterres am Sonntag bei einer Dringlichkeitsdebatte des UN-Sicherheitsrates.

Doch gerade das höchste sicherheitspolitische Gremium der Welt ist blockiert. Mehrfach haben die USA eine gemeinsame Stellungnahme des 15-köpfigen Rates verhindert mit der Begründung, ein solcher Schritt wäre schädlich für laufende amerikanische Vermittlungsversuche. Von einer bindenden Resolution, die politisch sehr viel stärker wäre als eine gemeinsame Stellungnahme, war ohnehin keine Rede. "Leider konnte der Sicherheitsrat allein aufgrund der Behinderung eines Landes nicht mit einer Stimme sprechen", ließ Chinas Außenminister Wang Yi seiner Enttäuschung freien Lauf.

USA I Joe Biden im East-Room des Weißen Hauses am 17. Mai 2021
Die US-Administration hat bisher eine gemeinsame Position des UN-Sicherheitsrates verhindertBild: Evan Vucci/AA/picture alliance

Feuerpause nicht in Sicht

Immerhin unterstützt US-Präsident Joe Biden inzwischen eine Waffenruhe. Aber davon will der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zumindest derzeit nichts wissen: "Die Weisung lautet: Die Schläge gegen Terrorziele gehen weiter", sagte er nach einer Kabinettssitzung am Montag. Möglicherweise will Netanjahu damit die israelische Verhandlungsposition stärken. Gleichzeitig dürften militärische Erfolge und die Demonstration von Stärke Netanjahu innenpolitisch nützen: Nach den jüngsten Wahlen Ende März gelang es ihm bislang nicht, eine Regierung zu bilden; er ist lediglich Interimspräsident.

Israel I Ministerpräsident Netanjahu kündigt nach Ausschreitungen in der Stadt Lod bei Tel Aviv am 12. Mai den Ausnahmezustand an.
Ministerpräsident Netanjahu: "Die Schläge gegen Terrorziele gehen weiter."Bild: Ahmed Gharabli/AFP

Die amerikanische Seite hat bei Vermittlungsbemühungen ein Glaubwürdigkeitsproblem. Das rührt vor allem aus der Zeit von Bidens Vorgänger Donald Trump her. Trump hatte 2018 die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt - ein hochsymbolischer Schritt, der von den meisten Israelis bejubelt und von Palästinensern und der gesamten arabischen Welt heftig verurteilt wurde. Als Ordnungsmacht haben sich die USA unter Trump aus der Region weitgehend zurückgezogen. Auch Biden ist nun erst auf weltweiten Druck hin ein wenig aktiv geworden.

Europäern "fehlt strategisches Gesamtkonzept"

Der deutsche CDU-Politiker Johann Wadephul sieht Washington nach wie vor in der Pflicht: "Die USA haben gerade mit Blick auf die Sicherheitszusammenarbeit mit Israel und in ihrer Funktion als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat eine herausragende Rolle", so Wadephul gegenüber der DW. Doch jetzt seien auch die EU und Deutschland gefragt. Während Wadephuls Parteifreund Norbert Röttgen gesagt hat, die Europäer spielten als Vermittler praktisch keine Rolle, sieht das Wadephul anders. Die EU und Deutschland "müssen die Vermittlungsrolle der USA unterstützen – durch gezielte Gespräche mit der israelischen Regierung und Vertretern der palästinensischen Autonomiebehörde". Außerdem solle man "unsere vielfältigen Kontakte in die israelische Zivilgesellschaft nutzen, um zu einer Deeskalation beizutragen".

Israel Raketenabwehrsystem Iron Dome am 12. Mai in Aktion, gesehen von Ashkelon
Israelische Abfangraketen sollen gegen Angriffe aus dem Gaza-Streifen schützenBild: Amir Cohen/REUTERS

Auf europäischer Seite fehlen für ein verstärktes Engagement allerdings die strategischen Voraussetzungen, bemängelt der FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai: "Bedauerlicherweise fehlt der Bundesregierung und der Europäischen Union ein strategisches Gesamtkonzept für die Region. Die EU-Staaten müssen daher dringend eine umfassende Nahost-Initiative erarbeiten", schreibt Djir-Sarai auf Anfrage der DW. "Diese sollte in enger Zusammenarbeit mit den transatlantischen Partnern abgestimmt und umgesetzt werden."

Was ist eigentlich mit dem Nahostquartett?

Bei der Suche nach potenziellen Vermittlern stößt man früher oder später auch auf das Nahost-Quartett. Diesem Gremium gehören die USA, Russland, die Vereinten Nationen und die EU an. Gegründet wurde das Quartett 2002, nachdem der in den 1990-er Jahren mit den Verträgen von Oslo eingeleitete Friedensprozess gescheitert war. Aber das Nahost-Quartett dümpelte lange ungenützt herum und ist schon seit Jahren nicht mehr in Erscheinung getreten. Immerhin: Die Sondergesandten des Quartetts sollen nach Angaben des russischen Außenministeriums jetzt miteinander telefoniert und über mögliche Vermittlungsschritte gesprochen haben. Konkrete Vorschläge fehlen aber weiterhin. Das Problem des Quartetts: Hier herrscht dieselbe Blockade wie im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen - es handelt sich ja im Wesentlichen um die gleichen Akteure. 

Russlands Außenminister Lawrow und der frühere US-Außenminister John Kerry bei einem Treffen des Nahost-Quartetts in New York 2015
Mitglieder des Nahost-Quartetts 2015 in Aktion: Der russische Außenminister Sergej Lawrow und der frühere US-Außenminister John Kerry in New YorkBild: picture-alliance/Zuma Press/Xinhua/Y. Bogu

Für den FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff schließen sich die unterschiedlichen Gruppen jedoch keineswegs aus. Er forderte in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur eine Führungsrolle der USA, eine starke diplomatische Unterstützung der EU und die Einbeziehung des Nahost-Quartetts sowie der regionalen Mächte Ägypten und Jordanien. Die beiden arabischen Staaten haben auch in schwierigen Zeiten die Gesprächskanäle sowohl zu Israel als auch zu den Palästinensern offen gehalten und sich auch diesmal grundsätzlich für Vermittlungsversuche angeboten.

Existenzrecht Israels und Siedlungsbau

Doch was passiert, falls eine von wem auch immer vermittelte Feuerpause zustande kommt? Was sind dann die weitergehenden Ziele? Glaubt noch irgendjemand an die Zwei-Staaten-Lösung, wie sie nach wie vor UN-Generalsekretär Guterres fordert? Bijan Djir-Sarai jedenfalls tut das: "Die Zweistaatenlösung ist die einzige Lösung, die sowohl Israelis als auch Palästinensern langfristig ein Leben in Frieden ermöglichen kann. An dieser muss unbedingt festgehalten werden." Dazu müssten aber beide Seiten Kompromisse schließen, ergänzt Wadephul. Unabdingbar sei etwa, "dass die Palästinenser und die sie unterstützenden Staaten das Existenzrecht Israels anerkennen". Für Djir-Sarai ist ebenso klar: "Die Siedlungspolitik der Netanjahu-Regierung der vergangenen Jahre hat neue Verhandlungen über eine Zweistaatenlösung deutlich erschwert. Sie sollte daher umgehend beendet werden."

Israel Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem am 14. Mai 2018,  Videoprojektion auf Festungswall
Die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem war hochumstrittenBild: Getty Images/AFP/A. Gharabli

Deutschland sieht sich bei möglichen Vermittlungsbemühungen im Nahost-Konflikt vor allem als Teil der EU. Das hängt mit der schwierigen deutschen Geschichte und der Schoah zusammen. Entsprechend ist hier viel diplomatisches Fingerspitzengefühl erforderlich. Das stehe aber einer ausgewogenen deutschen Rolle "ganz und gar nicht" im Wege, meint Wadephul. "Aus unserer historischen Verantwortung für den Staat Israel erwächst auch eine besondere Verantwortung für Frieden und Stabilität in der Region." Deutschland bringe sich intensiv ein, "mit engen und breit gefächerten Beziehungen mit Israel, aber zum Beispiel auch als größter Geber des Hilfswerks UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge). (...) Wenn allerdings Israel und das jüdische Volk angegriffen wird, können wir nicht schweigen. Dann müssen wir ganz klar Position beziehen und zu unserer Verantwortung stehen."

 

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik