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Nairo Quintana meldet sich zurück

25. Juli 2018

Die kürzeste Tagesetappe der Tour de France-Geschichte bringt den erwarteten Showdown der Favoriten: Nairo Quintana setzt mit seinem Sieg ein Ausrufezeichen, andere lassen Federn - auch der Vorjahressieger.

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Tour de France 2018 | Nairo Quintana
Zurück in alter Stärke: Quintana gewinnt die Etappe und macht Zeit gutBild: Getty Images/AFP/J. Pachoud

Ohne lange Jubelgesten, nur mit einer kurzen, stillen Geste der bescheidenen Freude passiert Nairo Quintana den Zielstrich. Der Kolumbianer aus dem Movistar-Team gewinnt eine packende Kurz-Etappe in den Pyrenäen und kann sich doch nicht so richtig ausgelassen freuen. Das liegt zum einen an seinem Naturell, seiner introvertierten Art, zum anderen vielleicht auch an der Tatsache, dass Quintana sich bei dieser Tour mehr vorgenommen hatte als einen Etappensieg. Mit seinem Triumph auf dem nur 65 Kilometer langen 17. Teilstück hinauf zum mit 2215 Metern höchsten und auch schwersten Tour-Berg Col de Portet meldet sich Quintana dennoch eindrucksvoll zurück nach bis dahin enttäuschenden Vorstellungen. Immerhin: Dank seines Vorsprungs von 28 Sekunden auf den Tageszweiten Dan Martin (Irland) und 47 Sekunden auf den Gesamtführenden Geraint Thomas (Wales) schiebt sich Quintana wieder zurück in die Top 5 der Gesamtwertung. 

"Ein großer Tag für mich, den ich mir vorher schon markiert hatte", sagte der Etappensieger im Ziel. "Es war ein Rennen für die reinen Bergfahrer und für uns ein perfekter Tag. Die vielen kolumbianischen Fans am Rande der Strecke haben mich sehr motiviert, meine Familie ist auch dabei." Für Quintana, der nun mit einem Rückstand von 3:30 Minuten hinter dem weiter führenden Geraint Thomas liegt, war es das erste Erfolgserlebnis während dieser Frankreich-Rundfahrt.

Rückschlag für Froome

Einen herben Rückschlag erlebte dagegen Vorjahressieger Chris Froome (Großbritannien). Der Brite verlor im Schlussanstieg wertvolle Zeit (1:35 Minuten auf Quintana) und fiel am Ende im Gesamtklassement hinter den Niederländer Tom Dumoulin zurück. Die Hackordnung im Team Sky dürfte damit kurz vor dem Ende der Tour bereits feststehen: Geraint Thomas steht vor seinem ersten Tour-Sieg - wenn er ohne Einbruch und Sturz bis Paris kommt. Und sein bisheriger Kapitän muss von etwas weiter hinten dabei zusehen. 

Tour de France 2018 | Etappe  17
Froome (r.) muss wohl einsehen, dass sein Teamkollege Thomas (Mitte) dieses Jahr stärker ist.Bild: picture alliance/AP Photo/C. Ena

Gestartet wurde die Etappe in Bagnères-de-Luchon mit einem Novum: Die Fahrer nahmen Aufstellung in Blöcken. Da es aber keine Zeitabstände zwischen diesen Gruppen gab, die nach der Reihenfolge des Gesamtklassements gebildet wurden, blieb diese Neuerung ziemlich wirkungslos. Innerhalb von wenigen Metern hatten die Helfer zu ihren Kapitänen an der Spitze aufgeschlossen und die üblichen Attacken von Fahrern aus der zweiten Reihe nahmen ihren Lauf. 

Bernal, der aufsteigende Stern am Radsporthimmel

Die Veranstalter der Tour-Organisation ASO wollten Spektakel auf diesem kürzesten Teilstück der Tour-Geschichte (für eine Voll-Etappe). Und das Kalkül ging zumindest teilweise auf: Denn anders als bei den vergangenen Bergetappen waren die Kapitäne im Schlussanstieg früher isoliert - allerdings nur vorübergehend. Der Kolumbianer Nairo Quintana eröffnete das Rennen am Col de Portet (16 km lang, im Schnitt 8,7 Prozent steil) mit einer Attacke, der zunächst nur Dan Martin aus Irland folgen konnte. Doch anders als im bisherigen Verlauf dieser Tour konnte Quintana an diesem Berg endlich seine große Klasse zeigen, schnell schüttelte er Martin ab und holte nach und nach die verbliebenen Ausreißer ein. Acht Kilometer vor dem Ziel stellte er mit Tanel Kangert (Estland) den letzten Fahrer aus der Spitzengruppe. Nur der ehemalige Träger des Bergtrikots, Rafal Majka (Polen), konnte dem Tempo von Nairo Quintana eine längere Zeit folgen, bis Quintana schließlich mit nur leicht geöffnetem Mund und stoischer Ruhe im Sattel allein dem Ziel entgegen fuhr.

Dahinter stabilisierten Froome und Thomas das Tempo und dadurch kamen ihre Helfer Wout Poels (Belgien) und Egan Bernal (Kolumbien) wieder zurück. Und diese beiden erwiesen sich einmal mehr als stärker als so mancher Kapitän aus einer anderen Mannschaft. Als Poels zurückfiel, übernahm Bernal, der aufsteigende Stern am Radsporthimmel. Der 21-jährige Kolumbianer, der mit einem gewaltigen Talent und dem Vernehmen nach mit einem riesigen Lungenvolumen gesegnet ist, fuhr mit gleichmäßigem Tempo den Berg hoch und kaschierte damit zunächst eine wichtige Erkenntnis: Chris Froome zeigte Schwäche. Erst als Tom Dumoulin 1,5 Kilometer vor dem Ziel attackierte, fiel Froome zurück. Er konnte seinen Gegnern nicht folgen, wurde aber weiter von Bernal begleitet, der damit den Schaden in Grenzen hielt. Schon zuvor war der Franzose Romain Bardet von der Hitze und der Anstrengung gezeichnet, er rutschte am Ende auf Rang acht der Gesamtwertung ab (5:13 Minuten hinter Thomas). Der Traum von einem französischen Gesamtsieg ist auch in diesem Jahr bereits wieder weit vor Paris ausgeträumt.