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Politik

Macht, Milliarden und ein Model

Roman Goncharenko
25. Januar 2019

Die Weißrussin Nastja Rybka angelte sich gerne russische Oligarchen. Durch eine der Beziehungen wurde sie womöglich Zeugin geheimer Treffen - angeblich mit Bezug zum US-Wahlkampf. In Moskau wird gegen sie ermittelt.

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Anastasia Vashukevich Model Moskau Russland
Bild: picture-alliance/dpa/V. Melnikov

Mit angeschwollenen Lippen wandte sich Nastja Rybka in einem kurzen Instagram-Video an ihre rund 130.000 Follower: Sie sei krank und deshalb nicht zur Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch erschienen, sagte die 23-jährige Weißrussin. Sie brauche Ruhe und werde noch "alles erzählen". Lächelnd bedankte sie sich beim weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, der sich für ihre Freilassung aus der Untersuchungshaft in Moskau eingesetzt hatte.

Das scheint ungewöhnlich genug, schließlich geht es um eine Frau aus dem sogenannten "Escort-Geschäft", die in Thailand wegen Vorwürfen der illegalen Prostitution in Haft saß. In Russland droht ihr eine Haftstrafe von bis zu sechs Jahren. Doch Lukaschenkos Hilfe ist nur ein Puzzlestück in dieser Mischung aus Sex, Macht und Politik.

Rybka ("Fischlein") ist ein Kosename, den russische Männer ihren Liebsten geben. Die junge Frau, die sich so nennt, heißt eigentlich Anastassia Waschukewitsch und ist eine schillernde Figur in einem Polit-Thriller, der schon seit rund einem Jahr andauert. Seine Auswirkungen reichen von Moskau über Bangkok bis nach Washington. Im Kern geht es um den russischen Oligarchen und Aluminiumkönig Oleg Deripaska und um Spekulationen, ob er einer der geheimen Mittelsmänner zwischen Russland und dem Wahlkampfteam von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl 2016 gewesen sein könnte. Waschukewitsch spielte dabei eine Rolle, die ihr irgendwann offenbar zu groß wurde.

Die skandalöse Enthüllung Alexej Nawalnys

Ihre Bekanntheit in Russland und darüber hinaus verdankt Waschukewitsch ihrem Geltungsdrang, Instagram und Alexej Nawalny. Der Oppositionspolitiker stieß mit ihrer Hilfe auf eine seiner brisantesten Enthüllungen. Im Februar 2018 präsentierte Nawalny auf seinen Web-Kanälen einen rund 25-minütigen investigativen Film. Ursprünglich habe er herausfinden wollen, wer hinter einer Aktion steht, bei der im Jahr 2017 als Sex-Sklavinnen verkleidete junge Frauen sein Büro in Moskau gestürmt hatten. Waschukewitsch nahm an anderen ähnlichen provokativen Aktionen dieser Gruppe teil - etwa als sich fast nackte Mädchen vor der US-Botschaft in Moskau mit dem US-Filmproduzenten Harvey Weinstein solidarisierten. 

Sergey Elkin Karikatur
Oleg Deripaska mit Rybka (dt.: "Fischlein") am Hals

In einer Talkshow im russischen Fernsehen erzählte Waschukewitsch, sie sei eine "professionelle Männerjägerin", habe Beziehungen mit sechs Milliardären gehabt und beschrieb eine davon in einem Buch, nach dem Motto: "So angelt man sich einen Milliardär". Nawalny verglich teilweise sehr intime Beschreibungen einer Yachtreise aus diesem Buch mit realen Fotos in Rybkas Profil auf Instagram, wo sie sich mit dem Oligarchen Deripaska präsentierte. Sein Fazit: Der anonyme Oligarch aus dem Buch sei Deripaska.

Die Deripaska-Manafort-Verbindung

Der brisanteste Fund in Rybkas Instagram-Profil war ein Video, aufgenommen mutmaßlich in Norwegen im August 2016. Zu sehen auf einer Yacht sind Deripaska und ein Mann, der dem russischen Regierungsmitglied Sergej Prichodko sehr ähnelt. Politisch agiert Prichodko im Hintergrund, sein Schwerpunkt ist Außenpolitik. Zu hören ist ein Gesprächsausschnitt über russisch-amerikanische Beziehungen.

Nawalny spekulierte, das sei die fehlende geheime Verbindung zwischen dem Kreml und dem Trump-Team, die beide Seiten bisher bestreiten. US-Medienberichten zufolge sei Deripaska ein Geschäftspartner des ehemaligen Wahlkampfmanagers von Donald Trump, Paul Manafort, gewesen. Manafort soll Schulden bei Deripaska gehabt haben und indirekt "private Briefings" angeboten haben. Beweise, dass der Oligarch dieses Angebot erhalten und akzeptiert hat, gibt es nicht. Eine Bestätigung der Vermutung Nawalnys gibt es ebenfalls nicht, auch nicht vom US-Sonderermittler Robert Mueller.

Deripaska sprach von einer Schmutzkampagne und verklagte Waschukewitsch und einen gewissen Alexander Kirillow vor einem russischen Gericht wegen der Verbreitung von Details aus seinem Privatleben auf Schadenersatz. Kirillow ist ebenfalls gebürtiger Weißrusse, der sich gerne als "Sex-Coach" darstellt und als Rybkas "Förderer" agiert. Seine genaue Rolle in diesem Fall ist nicht klar. 

Thailand Anastasia Vashukevich
Nastja Rybka im thailändischen Gefängnis Bild: Getty Images/AFP/L. Suwanrumpha

Keine neuen Enthüllungen?

Später befeuerte Waschukewitsch selbst Spekulationen und behauptete, sie hätte brisante Infos über US-Wahlen. Sie wurde im Februar 2018, also kurz nach Nawalnys Enthüllung, in Thailand wegen eines "Sex-Trainings für russische Touristen", wie es in russischen Medien heißt, zusammen mit Kirillow festgenommen. Beide baten US-Medien und Behörden um Hilfe, doch Washington mischte sich nicht ein. Unter Berufung auf Waschukewitschs Umfeld berichteten russische Medien, FBI-Mitarbeiter hätten sie während der U-Haft in Thailand befragt, doch sie habe "nichts gesagt".

Nach neun Monaten Haft wurden Waschukewitsch und Kirillow Mitte Februar abgeschoben und flogen nach Moskau, von wo die junge Frau angeblich weiter nach Minsk hätte fliegen wollen. Doch sie wurde festgenommen und verbrachte einige Tage in russischer U-Haft. Der Vorwurf in Russland: Waschukewitsch soll mindestens zwei Frauen zur Prostitution verleitet haben. Sie streitet alles ab und ist seit Dienstag bis auf weiteres auf freiem Fuß, doch die Vorwürfe bleiben.

In einem Moskauer Gericht bat Waschukewitsch Journalisten, ihre Entschuldigung an Deripaska und Prichodko weiterzureichen: "Es tut mir leid, dass alles so gekommen ist." Manche sehen die Ermittlungen gegen sie als eine Rache von Deripaska. Andere spekulieren, dass sie mit Zustimmung russischer Geheimdienste den Oligarchen auf seiner Yacht filmte. Waschukewitsch sagte im Gericht, Deripaska solle "sich beruhigen". Die erschöpft wirkende Frau versprach keine neuen Enthüllungen: "Ich hatte genug."