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Globales Marketing

Danuta Szarek20. September 2006

Ist ein Land eine Marke? Das glaubt zumindest Simon Anholt. Der Marketingexperte berät Staaten dabei, wie sie sich mit einem Markenimage in der Welt beliebter machen können. Seine Methoden sind nicht unumstritten.

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Die Flaggen der Teilnehmerländer bei der EXPO in Hannover (2000)
Marken und ihr LogoBild: picture-alliance/ dpa

Möchten Sie die Marke "USA" kaufen? Kein Problem: Der aktuelle Preis liegt bei rund 18 Billionen US-Dollar. Die Marke "Deutschland" ist für moderate 4,5 Billionen Dollar zu haben, und ein echtes Schnäppchen: die Marke "Russland" für 663 Milliarden Dollar.

Das sind allesamt horrende Summen und sie haben noch etwas gemeinsam: Sie sind natürlich fiktiv. Ebenso wie die übrigen Listenplätze im Markenwerte-Ranking des "Nation Brands Index", den Simon Anholt seit 2005 jedes Vierteljahr veröffentlicht. Der britische Marketingexperte ist überzeugt davon, dass jede Nation eine eigene Marke darstellen kann, wie Nike oder Nestlé - nur ein paar Nummern größer. Um wie viel größer genau, das soll das oben genannte Ranking in Dollar angeben.

"Nation Branding" mit Hilfe von Politik und Wirtschaft

Der Marketingexperte Simon Anholt
Simon AnholtBild: Anette Andersson

Es ist Ausdruck einer auf ganze Nationen ausgerichteten Imagestrategie, genannt "Nation Branding". Der Marketingexperte Simon Anholt hat den Begriff vor rund fünf Jahren nach eigener Aussage selbst geprägt und schon zwei Bücher darüber geschrieben. Im Gegensatz zu kommerzieller Produktwerbung gehe es beim "Nation Branding" mehr um nationale Politik und wirtschaftliche Entwicklung, erklärt er - um Investitionen, Innovation und langfristige Veränderungen. Wenn ein Land sein Image verbessern wolle, reiche es nicht aus, den Menschen mit Slogans und Werbekampagnen zu sagen, dass es anders ist, als sie denken: "Das Land muss das durch sein Verhalten beweisen", ist der Brite überzeugt.

Wie sie das beweisen können, darin berät Simon Anholt derzeit unter anderem Regierungsmitglieder und Entscheidungsträger in Großbritannien, Deutschland, Schweden, Spanien, Tschechien, Belgien oder Ungarn. Sechs große Themen nimmt er dabei mit dem jeweiligen Land in Angriff. "Tourismus", "Export", "Regierung", "Investition und Immigration", "Kultur und Tradition" sowie "Menschen" sind die Eckpunkte des "Nation Brand Hexagon", das laut Anholt alle Aspekte des Markenimages von Ländern abbildet.

So weit, so abstrakt. "Die jeweiligen konkreten Projekte sind vertraulich", sagt Anholt. Die häufigste Motivation von Ländern, einen Markenberater zu Rate zu ziehen, liege darin, sich in der Welt bekannter zu machen - so wie im Fall von Bhutan, der Mongolei, Slowenien oder Kasachstan, über die kaum jemand etwas wisse. Die Bemühung um ein Markenimage sei generell eine Folge der Globalisierung: "Länder kämpfen um das Vertrauen von Investoren, Touristen, Konsumenten, Immigranten und Medien." Simon Anholt gibt ihnen Tipps, durch welche konkreten Schwerpunkte in Freizeit- und kulturellen Angeboten, Städtebau oder Unternehmensansiedlungen sie dieses Vertrauen gewinnen können.

"Länder müssen überlegen, wo ihre wahren Stärken sind"

Mit dieser Aufgabe beschäftigt sich auch Malcolm Allan: Er ist einer von zwei Geschäftsführern der britischen Beraterfirma "Placebrands", deren Mitgründer Simon Anholt das Unternehmen im Jahr 2005 verlassen hat. Allan glaubt, dass es durchaus möglich ist, einem Land eine Marke zuzuordnen - obwohl ein Staat ein komplexes Gebilde aus wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Unterschieden darstelle. "Es geht darum, dass ein Land die Welt eben nicht mit vielen vermeintlichen Vorteilen verwirrt, sondern dass es sich überlegt, wo seine wahren Stärken liegen, wo seine Zielmärkte sind - und welches einheitliche Signal es aussenden möchte", erklärt Allan.

Die Balkanländer zum Beispiel hätten erkannt, dass sie sich aktiv als touristische Ziele vermarkten sollten, anstatt die negativen Assoziationen der Weltöffentlichkeit - vor allem politische Instabilität - hinzunehmen. Botswana wiederum könne vor allem mit wirtschaftlichem Aufschwung punkten, und Ecuador stelle sich bewusst nicht mehr als reines Touristenziel, sondern als Ort für Investitionen dar.

Europäische Länder: Großes Markendefizit

Innerhalb Europas hingegen gebe es bisher kaum Markenstrategien: "Fast alle EU-Länder haben da Nachholbedarf - außer vielleicht Spanien, das in der Vergangenheit gute Arbeit geleistet hat". Spätestens seit den Olympischen Spielen 1992 habe sich das Image des Landes gewandelt - vom reinen Touristenland hin zum Standort für Innovation, Kunst und Geschäftswelt. Der deutschen Regierung würde Malcolm Allan raten, "sich mit den wirtschaftlichen Zugpferden wie BMW an einen Tisch zu setzen", um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands mit einer gemeinsamen Kampagne zu erhöhen.

Die finanzielle Evaluation des "Nation Brands Index" listet Länder nach ihrem Markenwert auf.
Die finanzielle Evaluation des "Nation Brands Index" listet Länder nach ihrem Markenwert auf.

Sowohl "Placebrands" als auch Simon Anholt haben bei ihrer Arbeit aber nicht nur Länder im Visier, sondern sie beraten auch Städte - und so gibt es von Simon Anholts Ranking auch eine Städtevariante, den "City Brands Index". Beide Listen setzen sich zum einen aus wirtschaftlichen Daten wie Tourismuseinkünften oder Fremdinvestitionen zusammen, zum anderen aber auch aus den subjektiven Einschätzungen von Umfrageteilnehmern: Beim "Nation Brands Index" befragt die Firma "Global Market Insite" im Auftrag von Anholt einen repräsentativen Querschnitt von rund 25.000 Menschen weltweit. Fragen, die die Teilnehmer beantworten, sind etwa: Wie viel Vertrauen haben Sie in französische Produkte? Für wie kompetent halten Sie die Regierung Polens? Würden Sie sich mit einem Engländer anfreunden? "Ich halte es zumindest für diskussionswürdig, ob seine Erhebungsmethoden angemessen sind", äußert sich Malcolm Allan vorsichtig.

Markenranking: "Wunschvorstellungen und strategische Antworten"

Deutlichere Worte findet da der Marketingspezialist Markus Voeth von der Universität Hohenheim. Das Fehlerpotenzial des "Nation Brands Index" liege auf der Hand: "Hier werden eher Wunschvorstellungen abgefragt, wird zu strategischen Antworten geradezu eingeladen", sagt der Professor am Lehrstuhl für Marketing. Er bezweifelt, dass die Bedeutung des Anholt-Rankings, zum Beispiel für eine Stärkung von Ländern als Investitionsstandorte, besonders groß ist: "Unternehmen fällen ihre Entscheidungen für internationale Investitionen eher auf Basis von betriebsinternen Erwägungen oder im Hinblick auf konkrete Subventionszusagen", so Voeth. Ländermarken spielten dabei eher eine Nebenrolle.

Ähnlicher Meinung ist Strategieberater Peter Schröder, der vor allem mit Parteien und Kommunen arbeitet. Stadtmarketing, das hält er für legitim, weil die Interessen von Städten in einem einzelnen Konzept gerade noch abbildbar seien - "aber auf nationaler Ebene wird das hoch komplex und relativ problematisch", sagt er. Schließlich bestünden die meisten Länder aus den unterschiedlichsten regionalen Komponenten, die man mit einer einzelnen Marke gar nicht erfassen könne. Den "Nation Brands Index" findet Schröder "null seriös", weil die Betrachtungsweise sehr subjektiv sei. Die jeweiligen Länder könnten sich sogar ihren Listenplatz erkaufen, mutmaßt er. Simon Anholt hält dagegen: "Wer möchte, ist eingeladen, sich jedes Vierteljahr die Bewertungen der Umfrageteilnehmer anzusehen."