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National-Populisten ziehen ins bulgarische Parlament ein

30. Juni 2005

Die radikale Partei Ataka ist zur viertstärksten Kraft im bulgarischen Parlament geworden. Partei-Vorstand Volen Siderov fällt mit nationalistischen Parolen auf – dazu gehören auch Attacken gegen Minderheiten.

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"Bulgarien den Bulgaren!": Eine der Forderungen von Parteichef SiderovBild: AP

Vom bulgarischen König, der vor vier Jahren nach Bulgarien zurückkehrte und Hoffnungen

auf ein besseres Leben weckte, sind die meisten Bulgaren bitter enttäuscht worden: Obwohl sich die makroökonomischen Daten besserten, erhöhte sich der Lebensstandard der Bevölkerung nicht spürbar. Simeon Sakskoburggotski - wie er als Premier genannt wird - konnte sein Versprechen, den Bulgaren in 800 Tagen ein besseres Leben zu bescheren, nicht einhalten. Besonders die Rentner - und dieser Gruppe gehört jeder Vierte der 7,8 Millionen Einwohner an - leben immer noch in Armut, die meisten sogar unter dem Existenz-Minimum.

Von Enttäuschungen profitiert

Die Enttäuschten haben sich bei diesen Wahlen offenbar von den populistischen Parolen der neuen Ataka-Bewegung beeindrucken lassen. Ihr Gründer Volen Siderov, einst Mitbegründer der demokratischen Opposition Union der demokratischen Kräfte, nutzte geschickt die Unzufriedenheit im postkommunistischen Bulgarien aus und weckte mit den populistischen Parolen neue Hoffnungen.

Die bulgarische Historikerin Antonina Scheljaskova, die das Internationale Institut für nationale Minderheiten leitet, beschreibt Siderovs Sympathisanten als bunt zusammengewürfelte Gruppe. Nicht nur Rentner und andere Menschen, die unter der Krise leiden, hätten die Bewegung gewählt, sondern auch viele junge Menschen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren, erklärt Scheljaskova: „Ataka wird vor allem von jungen Leuten unterstützt, die nach der Wende groß geworden sind und die Erniedrigung und Verarmung ihrer Eltern erlebt haben. Kinder, die mit Wut und Aggression auf die Entwicklung in unserer Gesellschaft, in unserem Staat reagieren, weil sie die Ohnmacht ihrer Eltern mit ansehen mussten."

Geschickte Strategie

Mehr als 750.000 Bulgaren - vor allem junge Leute - haben das Land nach der Wende 1989 verlassen, um ihr Glück im Ausland zu suchen. Deren Eltern seien nun ebenfalls unter den Ataka-Anhägern zu finden, sagt Antonina Scheljaskova: „Diese Eltern leben vereinsamt und ohne jegliche Hoffnung, denn ihre Kinder sind vor 5, 7, 9 oder 12 Jahren ins Ausland gegangen, ohne dass Aussicht besteht, dass sie bald nach Hause zurückkehren. Ihnen werden in Bulgarien keine Perspektiven geboten, sie haben nur in der Fremde Chancen."

Das ist fruchtbarer Boden für den Rechtspopulisten Volen Siderov. Sympathien brachten ihm nationalistische Parolen wie Bulgarien den Bulgaren! und Unser Land darf nicht ausverkauft werden! Geschickt nutzte er die Anfang 2004 veröffentlichten demographischen Daten - niedrige Geburtenrate der Bulgaren, hohe Geburtenrate der bulgarischen Roma - und kombinierte sie mit der Statistik gewalttätiger Zwischenfälle mit Roma-Beteiligung.

Attacken gegen Minderheiten

Hass und Fremdenfeindlichkeit schürte er auch gegen die türkische Minderheit im Lande, mit Wahl-Slogans wie zum Beispiel: Schluss mit den schrecklichen türkischen Nachrichten im bulgarischen Fernsehen! Die Verfolgung und Vertreibung bulgarischer Türken, die Mitte der 1980er Jahre von der damaligen kommunistischen Regierung betrieben wurde, sei "vom Ausland dirigiert worden", so Siderov. Wenn das Thema „nationale Minderheiten“ aufkommt, hat er eine klare Meinung: „Es gehört sich, dass jeder, der in Bulgarien lebt, Bulgare ist - wie jeder in der Türkei Türke ist, und jeder in Frankreich Franzose."

Siderov versucht auch, den alten Streit um Mazedonien neu zu entflammen. In der Öffentlichkeit vertritt er die Meinung: „Mazedonien ist schon in seinen Ursprüngen ein bulgarischer Staat - was das Territorium und die Bevölkerung angeht. Das ist eine geschichtliche Tatsache - es erübrigt sich, dass ich das präzisiere. Mazedonien wurde den Plänen geopfert, die die Balkankriege entfacht hatten. Diese Kriege sind nicht die Folge von Zusammenstößen zwischen Ethnien oder Religionsgruppen hier, sondern das waren von Washington gelegte Feuer."

Seine populistische Hetze richtet Siderov auch gegen die Juden. Noch vor einigen Jahren veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel Der Bumerang des Bösen, in dem er gegen die „zionistische Verschwörung“ wetterte. Manche seiner Anhänger schmücken sich mit Nazi-Symbolen und malen antisemitische Sprüche auf Gebäudemauern in Sofia. Für Antonina Scheljaskova, die mit ihrem Forscherteam das Phänomen Ataka untersucht, steht fest: „Es handelt sich um eine typisch nationalsozialistische, populistische Bewegung."

Roumiana Taslakowa

DW-RADIO/Bulgarisch, 29.6.2005, Fokus Ost-Südost