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Politik

NATO: Deutsche Militärausgaben viel zu niedrig

14. März 2019

Die deutschen Verteidigungsausgaben liegen immer noch weit unter dem, was die NATO und US-Präsident Trump verlangen. Doch selbst moderate Erhöhungen sind innenpolitisch umstritten.

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Symbolbild | Deutschland | Militär
Bild: picture-alliance/dpa/A. Bänsch

Der Streit um die Verteidigungsausgaben ist schon Jahre alt. Aber seit US-Präsident Donald Trump im Amt ist, hat er eine neue Dimension erreicht. Früher beschwerten sich Präsidenten in Washington regelmäßig über die Deutschen als Trittbrettfahrer, heute droht Trump gleich mit einem Ende der amerikanischen Sicherheitsgarantie für Europa. Und er kann sich auf eine Zusage aller NATO-Mitglieder von vor fünf Jahren berufen. Beim NATO-Gipfel 2014 in Wales legten sie das Ziel fest, ihre Verteidigungsausgaben, sofern noch nicht geschehen, "innerhalb eines Jahrzehnts" auf zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu steigern.

Heute sind die meisten NATO-Staaten immer noch weit davon entfernt, wie aus dem jüngsten NATO-Jahresbericht hervorgeht. 2018 erreichten neben den USA nur Griechenland, Großbritannien, Polen sowie die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen das Zwei-Prozent-Ziel. Deutschland kommt auf nur 1,23 Prozent. Und da die deutsche Wirtschaftsleistung in den vergangenen Jahren deutlich zunahm, blieb der Prozentsatz trotz nominell höherer Militärausgaben genauso niedrig wie im Jahr zuvor. Die USA selbst geben stolze 3,39 Prozent ihres BIP für Soldaten und Waffen aus.

Infografik NATO Militärausgaben BIP DE
Die USA werfen Deutschland vor, sich auf Kosten anderer beschützen zu lassen

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mahnte am Donnerstag in Brüssel sogar ausdrücklich Berlin, als er sagte, er erwarte, dass "alle Alliierten einschließlich Deutschland diese Versprechen einhalten". 

FDP sieht deutsche Glaubwürdigkeit bedroht

Möglicherweise bereut die Bundesregierung heute ihre Zusage von 2014. In jedem Fall ist sie selbstbewusster gegenüber Donald Trump geworden. Sie will zwar ihre Verteidigungsausgaben erhöhen, aber längst nicht so stark, wie zugesagt und wie es Trump verlangt. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, CDU, strebt bis 2025 einen Wert von 1,5 Prozent an. Selbst das ist innerhalb der Koalition von CDU/CSU und SPD umstritten.

SPD-Finanzminister Olaf Scholz drückt jetzt noch mehr auf die Bremse. Im Haushalt für das kommende Jahr plant er einem Zeitungsbericht zufolge 44,7 Milliarden Euro für das Militär ein. Von der Leyen wollte 47,2 Milliarden haben; auch das wären erst 1,35 Prozent des BIP.

Inzwischen ist der Streit auch innerhalb Deutschlands voll entbrannt. Die FDP-Opposition sieht Deutschland auf einem gefährlichen Weg in die Isolation, wenn die Bundesregierung weiter am Militär spare. Ihre verteidigungspolitische Sprecherin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte: "Mit seiner Entscheidung, Deutschlands Zusagen für die Erhöhung des Verteidigungsetats zu brechen, agiert Scholz auf gefährlichem Terrain. Er verkennt die aktuelle weltpolitische Lage und beweist, dass er keine Ahnung von den aktuellen sicherheitspolitischen Anforderungen hat." Strack-Zimmermann vermutet, dass Scholz die Rückendeckung von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat; sie hat sich noch nicht zu der jüngsten Kritik geäußert.

Deutschland Verteidigungsministerin von der Leyen
Verteidigungsministerin von der Leyen will ihr Budget erhöhen, den einen ist das zu viel, anderen zu wenigBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Die reinen Zahlen sind nicht alles

Doch Merkel und andere Mitglieder der Bundesregierung haben zumindest immer wieder erkennen lassen, dass sie von den reinen Zahlen weg wollen. Sie argumentieren, es komme nicht nur auf die Höhe der Ausgaben an, sondern darauf, was man mit dem Geld mache. Und beim militärischen Engagement mit zahlreichen Auslandsmissionen müsse sich Deutschland keineswegs verstecken.

Gustav Gressel vom European Council for Foreign Relations stimmt dieser Argumentation grundsätzlich zu, schränkt aber ein: "Dass Kapazitäten und Fähigkeiten wichtiger als abstrakte Ausgaben sind, stimmt zwar, hilft Deutschland aber nicht weiter", so Gressel in einem Interview mit der Deutschen Welle. Berlin müsse davon jedoch seine NATO-Bündnispartner überzeugen. "Es ist aber viel sinnvoller, als nur abstrakten Ausgabegrößen hinterherzulaufen."

Was die unterschiedliche Höhe der Militärausgaben für die Bürger bedeutet, zeigt ein anderer Zahlenvergleich der NATO: Jeder Amerikaner muss im Durchschnitt 1631 Euro im Jahr für die Streitkräfte seines Landes bezahlen, jeder Brite immerhin noch 816 Euro, jeder Deutsche für die Bundeswehr aber nur 518 Euro. Aber egal wie viel, das Geld, das fürs Militär ausgegeben wird, fehlt natürlich an anderer Stelle. Vor allem linke Parteien würden lieber mehr für soziale Leistungen ausgeben und raten der Bundesregierung, gegenüber Trump hart zu bleiben.

Infografik NATO Militärausgaben pro Kopf DE
Was für das Militär ausgegeben wird, fehlt an anderer Stelle

Die Linke will lieber mehr Sozialausgaben

Für Alexander Neu, Verteidigungsexperte der Linkspartei, wäre bereits die moderate Steigerung, die von der Leyen vorhat, ein Zeichen für "Rüstungswahn". Die Bundesregierung sei gegenüber dem Steuerzahler verantwortlich und nicht den Forderungen der US-Regierung. Und der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler bezeichnete es als "absurd", dass von der Leyen noch einen "größeren Schluck aus der Pulle" wolle. Seit 2014 sei der Etat für Bundeswehr und Rüstung um ein Drittel gestiegen. "Kein anderer Etat wurde so stark aufgebläht und in keinem anderen Etat wird so viel Geld verbrannt. Das ist eine gefährlich falsche Prioritätensetzung."

Allein die abkühlende Konjunktur wird jetzt dafür sorgen, dass Deutschlands Militärausgaben prozentual ein wenig steigen. Doch viel macht das am Ende nicht aus. Und selbst wenn sich Ursula von der Leyen mit ihren Budgetplänen durchsetzt, bliebe sie immer noch weit unter dem, was Donald Trump verlangt. Die Bundesregierung wird sich auf harte Auseinandersetzungen einstellen müssen.

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik