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NATO macht sich Mut

Bernd Riegert, z.Z. Warschau 9. Juli 2016

Die Militärallianz will nicht nur im Osten ein wenig aufrüsten. An der Südflanke soll sie sich gezielt um Terror-Bekämpfung und Migration kümmern. Bernd Riegert berichtet vom NATO-Gipfel in Warschau.

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NATO Gipfel Polen Angela Merkel Justin Trudeau
Ein bisschen Spaß muss sein beim NATO-Gipfel: Kanzlerin Merkel im Gespräch mit Kanadas Premier TrudeauBild: picture-alliance/AP Photo/C. Sokolowski

Nach zwei Tagen von Gipfelrunden im großen Kreis und vielen bilateralen Gesprächen unter anderem mit dem amerikanischen und dem türkischen Präsidenten zog Bundeskanzlerin Angela Merkel eine zufriedene Bilanz: "Ich glaube, dass dies ein wichtiger NATO-Gipfel ist, weil man viel konkret entscheidet." In der Tat segneten die Staats- und Regierungschefs eine Reihe von Entscheidungen ab, die in der NATO seit Monaten vorbereitet waren. Wirkliche Überraschungen gab es nicht in Warschau.

Konkret waren vor allem die Ankündigungen zur Mission in Afghanistan. Die Hilfe der NATO für die Ausbildung und den Aufbau der afghanischen Armee wird wegen der "prekären" Sicherheitslage in Afghanistan mindestens bis zum Ende des Jahres 2017 verlängert. Es sollen entgegen ursprünglicher Pläne keine alliierten Truppen abgezogen werden. Etwa 13.000 Soldaten der NATO-Mission "Resolute Support" bleiben in Afghanistan. Rund 3.000 US-Soldaten bleiben zusätzlich zur NATO-Mission ebenfalls am Hindukusch. Ursprünglich wollte US-Präsident Barack Obama bis zum Ende seiner Amtszeit im Januar 2017 den längsten aller amerikanischen Kriege beendet haben. Vor 15 Jahren marschierten US-Truppen nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 in Afghanistan ein, um das Taliban-Regime und die Al-Kaida-Terroristen zu zerschlagen.

Polen Nato-Gipfel in Warschau - Obama & Ghani & Stoltenberg & Abdullah
Verlängerung für Afghanistan: US-Präsident Obama, Präsident Ghani, Regierungschef Abdullah und NATO-Chef Stoltenberg (v.li.n.re.)Bild: Reuters/K. Pempel

Merkel: Migration aus Afghanistan zeigt das Problem

Die radikal-islamistischen Taliban existieren immer noch. Sie sollen nach dem Willen der NATO ein Teil der Lösung werden. "Wir haben alle deutlich gemacht, dass parallel dazu ein politischer Prozess des Gesprächs mit den Taliban notwendig ist, um eine politische Lösung voranzutreiben", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Ende des Gipfels. Es sei wichtig, dass die afghanische Regierung gegen Korruption vorgehe und bessere Lebensverhältnisse schaffe: "Wir haben ja an den vielen Migranten, die aus Afghanistan im letzten Jahr gekommen sind, gesehen, dass die Situation hier nicht zufriedenstellend ist." Die NATO stellt außerdem die Finanzierung für die afghanischen Soldaten und Polizisten weiter sicher. Bis zum Jahr 2020 werden jährlich 4,5 Milliarden US-Dollar fällig.

Afghanische Regierung dankbar

Der geschäftsführende Regierungschef Afghanistans, Abdullah Abdullah, nahm neben Präsident Ashraf Ghani am Gipfel in Polen teil. Abdullah sagte der DW, er begrüße die Verlängerung der NATO-Mission und sei den Verbündeten dankbar. "Die Bedrohung durch Terror in unserer Region wächst", sagte Abdullah. "Die Sicherheitslage ist nicht so, wie sie sein sollte." Anders als vor einigen Jahren seien jetzt die afghanischen Kräfte verantwortlich und bräuchten weiter Unterstützung. Abdullah wollte auf die Frage, wie lange die NATO mutmaßlich noch in Afghanistan bleiben müsse - fünf oder eher zehn Jahre - keine Schätzung abgeben.

NATO leiht AWACS-Flieger aus

Nachdem sich die NATO am Freitag mit der Bedrohung durch Russland im Osten beschäftigt hat, war am Samstag der Süden an der Reihe. Dort sieht sich das Militärbündnis dem Krieg in Syrien, den Kämpfen im Irak, der unsicheren Lage in Libyen und einer zunehmenden Migration aus Afrika gegenüber. Militärisch will die Allianz nicht eingreifen. Sie will aber die Marine-Mission "Sophia" der Europäischen Union vor der libyschen Küste unterstützen. Schlepperboote sollen besser aufgespürt werden. Eine konkrete Anfrage der EU liegt aber laut NATO-Diplomaten noch nicht vor. Die NATO wird außerdem ihre AWACS-Aufklärungsflugzeuge der internationalen Koalition zur Bekämpfung der Terrororganisation "Islamischer Staat" zur Verfügung stellen. Die AWACS-Flugzeuge, in denen die Bundeswehr rund ein Drittel der Besatzungen stellt, sollen über dem NATO-Land Türkei fliegen und mit ihren Radargeräten nach Syrien und Irak spähen, um Lagebilder zu erstellen.

Belgien Brüssel NATO Generalsekretär Jens Stoltenberg während Pressekonferenz
Stoltenberg: Vorbereiten auf die ZukunftBild: picture-alliance/dpa/O. Hoslet

Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die NATO-Kollegen auf, sich mehr in Afrika zu engagieren. Rund um den Tschad-See sei die islamistische Terrororganisation "Boko Haram" aktiv. Man sei zwar in Mali vertreten, aber die meisten Flüchtlinge kämen inzwischen über Niger. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte an, dass die Allianz künftig auch direkt im Irak Sicherheitskräfte ausbilden werde, die gegen Terroristen vorgehen sollten. Bislang wurden Iraker nur außerhalb des Landes geschult.

Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union war bei den Gesprächen der NATO-Partner offenbar kein großes Thema. Der Brexit, so der britische Premierminister David Cameron, wirke sich nicht auf die Beziehungen des Vereinigten Königreichs zur Allianz aus. "Großbritannien spielt weiter eine entscheidende Rolle in der NATO. Die NATO ist weiter entscheidend für uns." US-Präsident Obama hatte die EU und Großbritannien aufgefordert, den Austritt so zu verhandeln, dass "kein Schaden" auf beiden Seiten entstehe.

Polen Nato-Gipfel in Warschau
Tagen im Hochsicherheits-Zelt: Der Gipfel fand auf dem Rasen des Warschauer Nationalstadions stattBild: Reuters/J. Ernst

Litauen ist zufrieden, Russland wird unterrichtet

Aus Sicht der polnischen Gastgeber war die Entscheidung der NATO, die Truppenpräsenz in den baltischen Staaten und Polen um 4.000 Mann zu erhöhen, die wichtigste. Russland soll damit signalisiert werden, dass die NATO jede russische Attacke auch auf ein kleines Mitgliedsland zurückschlagen werde. Die östlichen NATO-Staaten fühlen sich nach dem militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine (2014) und Georgien (2008) bedroht. Der litauische Außenminister Linus Linkevicius sagte der DW, er sei mit dem, was in Warschau erreicht wurde, zufrieden. Natürlich würden 1.000 Mann zusätzlich nicht ausreichen, um einen Vormarsch der Russen aufzuhalten. "Die Präsenz ist aber erhöht und multinational. Das ist ein Signal und sicherlich mehr als nichts", sagte Linkevicius.

Der Generalsekretär der NATO, Jens Stoltenberg, erklärte, natürlich könne niemand vorhersagen, wie sich das Verhältnis zu Russland nach den Entscheidungen von Warschau entwickeln werde. Die NATO habe aber die Pflicht, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Sein Fazit: "Die Zukunft vorherzusehen, ist sehr schwer. Aber sich auf die Zukunft vorzubereiten als Allianz, das ist nicht zu schwer." Am kommenden Mittwoch wird der russische Botschafter in Brüssel beim NATO-Russland-Rat über die Ergebnisse des Gipfels unterrichtet. Die NATO hofft auf einen neuen Gesprächsfaden. Nach dem Gipfel ist übrigens vor dem Gipfel. Das nächste NATO-Treffen auf höchster Ebene findet bereits 2017 in Brüssel statt, kündigte Jens Stoltenberg an.