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Naturschutz und Nutzung im Amazonas

Nina Gruntkowski27. Januar 2009

Der Amazonas-Urwald - die grüne Lunge der Erde - ist akut von Abholzung bedroht. Die brasilianische Regierung versucht mit gezielten Programmen gegenzusteuern.

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Bild: AP

Neben den Bildern von exotischen Pflanzen und Baumriesen drängen sich beim Gedanken an den Amazonas unweigerlich auch die Bilder der Zerstörung auf. Der brasilianische Bundesstaat Pará, der viermal so groß wie Deutschland ist, weist momentan eine der höchsten Abholzungsraten auf. Doch gibt es auch hier Bemühungen, den Regenwald zu erhalten und zu erforschen – etwa in der Floresta Nacional Tapajós bei Santarém. Tapajós und weitere 60 FLONAS in ganz Brasilien dürfen aber auch von den traditionellen Gemeinschaften nachhaltig genutzt werden.

Über holprige Straßen geht es von Santarém aus mitten in den Urwald – oder in das, was davon noch übrig ist. Seit über 10 Jahren arbeitet die Ökologin Chieno Suemitso an der Entwicklung und Erforschung des etwa 70 Kilometer entfernt liegenden Regenwald-Schutzgebiets FLONA Tapajós. Durch das Busfenster fällt ihr Blick auf die spärliche Vegetation links und rechts der Teerstraße.

“Früher gab es hier dichten Regenwald gestanden. Überall standen 30 bis 60 Meter hohe Bäume mit bis zu zwei Meter dicken Stämmen“, erinnert sich Chieno Suemitso. Von den Baumriesen ist nicht viel übrig geblieben. Seit in den 90er Jahren die Teerstraße gebaut wurde, nahm nicht nur die Abholzung am Straßenrand zu. Es wurden auch immer mehr Flächen für Monokulturen gerodet.

Regenwald in Amazonas
Brandrodung...Bild: AP

Mit Soja etwa lässt sich schnelles Geld machen, doch die tropischen Böden sind nach spätestens drei Jahren aufgebraucht. Dann ragen nur noch vereinzelte Paranussbäume aus der öden Weite. Die Namensgeber des Bundesstaates Pará sind gesetzlich geschützt und dürfen nicht gefällt werden. Doch der Schutz nutzt den Pflanzen wenig, erklärt Chieno Suemisto: „Der isolierte Baum kann sich nicht fortpflanzen, weil die Insekten zur Bestäubung fehlen. So blüht und blüht er, kann aber keine Früchte produzieren, bis er schließlich stirbt. Ich nenne diese Bäume deshalb die weinenden, alten Jungfern.“

Traditionelles Handwerk zur Rettung des Urwalds

Plötzlich verdichtet sich die Vegetation auf der rechten Straßenseite. In allen erdenklichen Schattierungen präsentiert sich das satte Grün der tropischen Pflanzen. Bereits 1974, lange vor dem Bau der Straße, hatte die brasilianische Umweltbehörde die FLONA Tapajós eingerichtet. Juvenal Rodrigues, der hier lebt, empfängt die Ökologin und begleitet sie in den Regenwald. Auf einem schmalen Trampelpfad geht es immer tiefer in den Wald. Bei einem Kautschukbaum bleibt Juvenal Rodrigues stehen. „Der Baum hier produziert Gummi – heute nutzen wird das für unser Kunsthandwerk.“

In die Baumrinde sind kleine Rillen geritzt, die V-förmig zusammenlaufen und den milchig weißen Saft in kleine Gefäße leiten. Da Gummi heute größtenteils synthetisch hergestellt wird, stellt der mühsam aus der Baumrinde gewonnene Kautschuk nur noch eine kleine Einkommensquelle für die lokalen Gemeinden dar. In Tapajós fertigen Frauen bunte Taschen aus dem Naturmaterial an und verkaufen sie an Touristen. Einige Männer wie Juvenal Rodriges haben sich zum Touristenführer fortbilden lassen: „Praktisch wussten wir natürlich schon vieles, aber wir hatten keine Ahnung, wie man dieses Wissen an die Touristen weitergibt. Wie ich mit den Besuchern rede, wie ich Wanderungen leite und unsere Produkte anbiete – all das haben ich auf den Workshops gelernt.“

Plastik-Kultur im Regenwald

BdT Brasilien Rodung in Amazonas Holz auf Floß
... und Abholzung bedrohen den Amazonas-UrwaldBild: AP

In der Gemeinde von Juvenal Rodrigues scheint das Konzept der nachhaltigen Nutzung aufzugehen. Kleine Entwicklungshilfeprojekte haben der lokalen Bevölkerung geholfen, sich auf Ressourcen schonende Weise ein kleines Einkommen zu erwirtschaften. Doch in anderen Teilen der FLONA sieht es nicht ganz so rosig aus: Unter der Annahme, dass Indigene per se umweltschonend leben, hatte vor drei Jahren die Indianerbehörde FUNAI die Obhut über etwa ein Drittel des Regenwaldschutzgebietes zugesprochen bekommen. Doch schon jetzt zeigen die Satellitenbilder eine deutliche Verschlechterung, erklärt Chieno Suemitso: „Die Gemeinschaften, die sich heute als Indigene bezeichnen, haben schon einen anderen Lebensstil übernommen: Fernsehen, Handy, Flip-Flops und Kleidung wie Jeans. Diese Gemeinschaften brauchen Geld für den Konsum und nutzen deshalb die vorhandenen Ressourcen nicht mehr so schonend wie früher.“

Mit Plastikschlappen und Fernseher drängt die kapitalistische Realität auch in die Indianergemeinschaften im Amazonasgebiet. Neue Ideen für eine nachhaltige Nutzung sind gefragt – will man nicht menschenleere Schutzgebiete im ansonsten zerstörten Regenwald schaffen.