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Nebenberuf: Studentin

14. Februar 2011

Sara ist 2004 aus Marokko in die USA gekommen. Sie will Sprachtherapeutin werden. Die 24-Jährige ist eine gute Studentin – obwohl sie nebenbei viel arbeitet. Aber nur so kann sie ihr Studium finanzieren.

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Bild: DW

Wenn meine Mitbewohnerin Sara abends nach Hause kommt, dann wirft sie ihre Jacke über den Stuhl und legt einen dicken Stapel Bücher auf den Tisch. Feierabend ist für sie noch lange nicht. "Ich hab morgen einen Test, und den muss ich nicht nur bestehen, sondern der muss gut werden", sagt die dunkelhaarige 24-Jährige. Sara ist Studentin. Sie will Sprachtherapeutin werden, und ist auf dem besten Weg dorthin. Doch dieser Weg ist für die gebürtige Marokkanerin nicht gerade einfach, und das hat nichts mit den Studieninhalten zu tun. Die 24-Jährige hat für die ersten vier Jahre ihres Studiums, bis zum Bachelor-Abschluss, rund 60.000 US-Dollar gezahlt – nicht für Miete und einen aufwendigen Lebensstil, sondern allein für Studiengebühren.

Studieren in den USA ist teuer, sehr teuer sogar. Wer da keine wohlhabenden Eltern hat, der muss hart arbeiten – so wie Sara das tut. Da ist zum einen das Babysitting am Samstagabend. Zum anderen verdient die lebhafte junge Frau ihr Geld mit Kochen - Sara schafft es, innerhalb von anderthalb Tagen 30 Personen mit marokkanischem Essen zu versorgen. Außerdem arbeitet sie an gleich zwei Universitäten als Tutorin, das heißt, sie hilft jüngeren Studenten bei der Organisation ihres Studiums.

Die meisten kommen aus China

Trotz der vielen Jobs finanziert sich Sara ihr Studium in erster Linie über Stipendien – und damit ist sie erfolgreich. Dank einer Auszeichnung ihrer ehemaligen Universität in Atlanta konnte sie in den letzten beiden Jahren auf dem Weg zum Bachelor-Abschluss rund 25.000 US-Dollar sparen. Normalerweise müssen amerikanische Studenten, die nicht aus dem Staat kommen, in dem sie studieren, höhere, sogenannte "out-of-state"-Gebühren zahlen. Aufgrund ihrer akademischen Leistungen sind für Sara diese Gebühren entfallen, obwohl sie aus dem Ausland stammt.

Trotz der hohen Kosten zieht es immer mehr ausländische Studenten in die USA: Nach Angaben des Institute of International Education in Washington, DC, haben im Jahr 2009/10 mehr als 690.000 Ausländer in den USA studiert. Das sind 20.000 mehr als im Vorjahr. Während die rund 9.500 Deutschen Platz zwölf belegen, stehen auf Platz eins der Rangliste der ausländischen Studierenden die Chinesen, mit fast 128.000 Studenten. Im Gegensatz zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 30 Prozent. Das Institute of International Education erklärt die hohe Nachfrage mit der wachsenden Mittelschicht in China, der Ein-Kind-Politik, die es erlaubt, das einzige Kind so gut wie möglich zu unterstützen, sowie mit dem gestiegenen Interesse nicht nur an Ingenieur-Studiengängen sondern auch an Geisteswissenschaften. Auch die Zahl der Studenten aus dem Nahen Osten ist im vergangenen Jahr um 16 Prozent gestiegen. 7.000 der 20.000 Teilnehmer der Förderprogramme des Institutes of International Education kommen inzwischen aus dem Nahen Osten oder Nordafrika.

Ohne Stipendien geht es nicht

Saras neue Universität in der US-Hauptstadt ist eine der wenigen im Land, die Studenten aus Entwicklungsländern - wie eben zum Beispiel aus Nordafrika - die Studiengebühren um ein Viertel erlässt. Dennoch sind es rund 45.000 US-Dollar, die Sara für die kommenden beiden Jahre bis zum Ende ihres Studiums aufzubringen hat. In der vergangenen Woche hat sie ihre Abende deshalb damit verbracht, alle Unterlagen zusammenzutragen, die sie für die Bewerbung um ein Stipendium braucht. "Ich habe kaum geschlafen, aber jetzt ist alles geschafft", sagt Sara mit müden Augen, als wir uns am Morgen in der Küche treffen. Ob sie ihren Master-Abschluss machen kann, ohne dabei einen Berg Schulden anzuhäufen, das wird sich im April zeigen – dann soll über die Vergabe der Stipendien entschieden werden.

Sara wird nach erfolgreichem Abschluss ihres Studiums, als Berufsanfängerin in den USA, zwischen 60.000 und 90.000 US-Dollar pro Jahr verdienen. Geht sie – wie geplant – eines Tages in ihr Heimatland zurück, muss sie mit weniger Geld rechnen. Dann stehen die Kosten für das Studium in keinem Verhältnis mehr zum Einkommen. Einzige Möglichkeit: Sara würde als Angestellte einer internationalen Organisation in Marokko arbeiten.

Für Amerikaner sind die hohen Studiengebühren eine Investition in die Zukunft. Obwohl sie manchmal der Mut verlässt, sagt auch Sara, sie würde sich immer wieder für ein Studium in den USA entscheiden: "Es gibt einfach drei Punkte, die dafür sprechen: Mein Englisch ist inzwischen nahezu akzentfrei, ich bekomme eine qualifizierte Ausbildung und habe dadurch bessere Chancen auf einen Job." Und deswegen werde sie nicht aufgeben. Auf die Idee von europäischen Studenten, gegen steigende Studiengebühren zu protestieren, würde Sara genauso wenig kommen wie die meisten anderen US-amerikanischen Studenten. Denn die Konsequenz eines günstigeren Studiums wären höhere Steuern. Doch Steuererhöhungen sind in den USA verpönt – und so muss eben weiter jeder für sich selbst sorgen.

Autorin: Katharina Lohmeyer

Redaktion: Christina Bergmann