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Politik

"Nein, aber" zur Atomkraft in Belgien

23. Dezember 2021

Im EU-Streit, wie viel Nachhaltigkeit in der Kernkraft steckt, positioniert sich die Brüsseler Regierung in der Mitte: Die alten Kraftwerke werden abgeschaltet, doch kleinen Reaktoren soll die Zukunft gehören.

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Das belgische Atomkraftwerk Doel in der Nähe von Antwerpen
Das belgische Atomkraftwerk Doel in der Nähe von Antwerpen Bild: Oliver Berg/dpa/picture alliance

Belgien wird seine beiden Atomkraftwerke mit insgesamt sieben Reaktoren wie geplant bis 2025 abschalten - schließt einen Wiedereinstieg in die Kernkraft aber nicht aus. Wie aus Regierungskreisen zu erfahren war, einigte sich die Sieben-Parteien-Koalition in der Nacht in Brüssel auf einen entsprechenden Kompromiss. Demnach sollen etwa 100 Millionen Euro in die Forschung zu sogenannten kleinen Atomkraftwerken (SMR) investiert werden.

In Belgien war der schrittweise Atomausstieg 2003 in Gesetz gegossen worden. Den Vollzug bis spätestens 2025 hatte die Regierung von Ministerpräsident Alexander De Croo bei ihrem Amtsantritt im Oktober 2020 angekündigt.

Wochenlanger Streit in Brüssel

Die belgische Regierung hatte indes wochenlang um das Thema gerungen. Vor allem die Grünen dringen auf einen raschen Atomausstieg. Die französischsprachigen Liberalen treten dagegen für einen Weiterbetrieb der beiden neuesten Reaktoren ein - weil sonst auf weniger klimafreundliche Gaskraftwerke zurückgegriffen werden müsse.

Über eine mögliche Renaissance der Atomkraft wird derzeit in der Europäischen Union heftig gestritten. Mit Spannung erwartet wird ein Rechtstext der EU-Kommission zu grünen Investitionen. Die Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen erwägt, die Atomenergie dabei auf eine Liste "nachhaltiger" Energieformen aufzunehmen.

Das Kernkraftwerk Tihange in Belgien
Das Kernkraftwerk Tihange, südwestlich von Lüttich an der Maas gelegen Bild: ERIC LALMAND/AFP/Getty Images

Deutschland und Frankreich uneins 

Deutschland lehnt eine Einstufung der Atomkraft als nachhaltig vehement ab, erst am Mittwoch äußerte sich die neue Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) wieder in dieser Richtung. Insbesondere Frankreich gehört hingegen zu den Befürwortern einer solchen Bewertung. Präsident Emmanuel Macron hält die Atomenergie für unerlässlich, damit Frankreich und die EU wie geplant bis 2050 klimaneutral werden können. Auch Polen und sechs weitere osteuropäische Länder drängen die EU-Kommission, Atomstrom als nachhaltig anzuerkennen.

Neuer Atomreaktor in Finnland

Erst am Dienstag war an Finnlands Südwestküste der neue Atomreaktor Olkiluoto 3 in Betrieb genommen worden. Der Betreiber TVO bezeichnete den Schritt als "historisch": Es ist die erste Inbetriebnahme eines neuen Kernreaktors in Finnland seit 40 Jahren und die erste in Europa seit der Inbetriebnahme des rumänischen Reaktors Cernavoda Block 2 in 2007.

Olkiluoto 3 ist ein Druckwasserreaktor der Marke EPR des französischen Areva-Konzerns in Zusammenarbeit mit Siemens. Das Kraftwerk soll im Januar an das finnische Netz gehen und ab Juni regulär Strom produzieren. Mit 1650 Megawatt wird es der leistungsstärkste Reaktor Europas sein und 14 Prozent des finnischen Strombedarfs decken. TVO-Vizepräsident Marjo Mustonen sprach von "Finnlands größtem Akt für das Klima".

sti/AR (afp, dpa, rtr)