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Neue Abhöraffäre im englischen Könighaus

9. August 2006

Das britische Königshaus hat offenbar einen neuen Abhörskandal: Wegen eines möglichen Lauschangriffs nahm die Polizei in London drei Verdächtige fest, darunter den leitenden Redakteur einer Boulevardzeitung.

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Abgehört: Prinz Charles und CamillaBild: AP

Die Ermittlungen kamen nach Angaben von Scotland Yard bereits Ende 2005 in Gang, nachdem sich drei Angestellte von Clarence House - der offiziellen Residenz von Prinz Charles mitten in London - darüber gewundert hatten, dass mehrfach Details aus internen Gesprächen an die Öffentlichkeit gelangten. Aus Sorge vor einer möglichen Sicherheitsgefahr wurde die Anti-Terror-Abteilung von Scotland Yard mit den Ermittlungen betraut.

Zwei der Männer im Alter von 35 und 48 Jahren wurden am Mittwoch vernommen. Ihre Wohnungen seien durchsucht worden, erklärte die Polizei. Der dritte, ein 50-Jähriger, befand sich wieder auf freiem Fuß. Auch er müsse aber mit weiteren Vernehmungen rechnen

Hofberichterstatter festgenommen

Die Boulevardzeitung "News of the World" erklärte, einer der festgenommen sei ihr Ressortchef für Berichte über das Königshaus, Clive Goodman. Weiter wollte sich die Zeitung nicht äußern. Im Londoner Verlagssitz wurden auch Büros durchsucht.

Die Polizei erklärte, die Ermittlungen bezögen sich auf "mutmaßliche wiederholte Sicherheitsverstöße in Telefonnetzen über eine bedeutende Zeitspanne hinweg." Ermittelt werde unter anderem, ob persönliche Botschaften auf Handy-Mailboxen von außen abgefragt worden seien. Bei der Aufklärung arbeitet die Polizei eng mit verschiedenen Telefonfirmen zusammen. Dabei stießen die Ermittler nach Informationen der britischen Nachrichtenagentur PA auch auf andere möglicherweise abgehörte Handy-Nummern, die von Politikern sowie Prominenten aus Sport und Unterhaltung stammen.

Die Sache mit dem Tampon

Prinz Charles heiratet Diana
Auch zu Dianas Lebzeiten gab es bereits AbhörskandaleBild: AP

Das Königshaus war früher schon mehrfach Lauschangriffen ausgesetzt. Der Fall weckte Erinnerungen an die beiden Abhöraffären "Squidgygate" und "Camillagate", deren Bezeichnungen die britische Presse von dem US-Politskandal "Watergate" entliehen hatte, über den der damalige Präsident Richard Nixon in den 1970er Jahren stolperte. Anfang der 1990er Jahre veröffentlichte die britische Boulevardpresse Auszüge aus Telefonaten, die Prinz Charles und Lady Diana auf dem Höhepunkt ihrer Ehekrise mit ihren jeweiligen Affären geführt hatten. Diana wurde bei Gesprächen mit ihrem Liebhaber James Gilbey abgehört. Für einen Aufschrei sorgte damals aber vielmehr Charles, der zu seiner damaligen Liebschaft und heutigen Ehefrau Camilla am Telefon sagte, er wolle als ihr Tampon wiedergeboren werden. Wie diese Abhöraktionen möglich wurden, blieb ungeklärt.

Die Sonntagszeitung "The News of the World" gehört zum Verlag News International, der im Besitz des Verlegers Rupert Murdoch ist. Sie bringt regelmäßig Exklusivgeschichten über das britische Königshaus auf ihrer Titelseite.

Kelloggs und Plastikschüsseln

Die Methoden des englischen Boulevards sind berüchtigt. So schaffte es der "Daily Mirror" 2003, einen Mitarbeiter als Diener in den Königspalast einzuschleusen. Dieser enthüllte dann unter anderem, dass Königin Elizabeth und ihr Mann Prinz Philip ihre Frühstücks-Cornflakes aus Plastikschüsseln zu sich nehmen.

Auch das Abhören von Gesprächen hält der Boulevard für legitim. "Das geht schon so, ich würde sagen, seit etwa 80 Jahren", sagte James Whitaker vom "Daily Mirror". Ein Veteran der Hofberichterstattung. "Telefonabhören, Wanzen, wie immer Sie das nennen wollen. Und es trifft nicht nur das Königshaus, sondern auch Minister und bekannte Leute. Nur wenn sie dich schnappen, dann bekommst du Ärger."

Aggressive Berichterstattung

Die "News of the World" war in den vergangenen Monaten in mehrere Rechtsstreitigkeiten wegen ihrer aggressiven Berichterstattung verwickelt. Kürzlich wurde das Blatt wegen eines Berichts über einen schottischen Politiker zu Schadensersatz in Höhe von umgerechnet 296.000 Euro verurteilt. Die Zeitung hatte geschrieben, der Mann nehme Drogen und besuche Sex-Clubs. In einem anderen Fall nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Star-Reporter der "News of the World" auf, nachdem ein Zeuge erklärt hatte, er sei für seine Geschichte bezahlt worden. Die Ermittlungen wurden später eingestellt. (sam)