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Dialog statt Druck

17. November 2009

Nach fünf Jahren gibt die EU grünes Licht für das Assoziierungsabkommen mit Syrien. Damaskus verspricht sich davon Unterstützung seiner Wirtschaftsreformen, die Zivilgesellschaft hofft auf mehr Freiheiten.

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Der französische Präsident Nicolas Sarkozy emfpängt seinen syrischen Amtskollegen Bashar Al-Assad am Elyséepalast in Paris im November 2009´ (Foto: AP)
Gefragter Gesprächspartner: Bashar Al-Assad mit Nicolas SarkozyBild: AP

Bereits Ende Oktober sollte das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Syrien eigentlich verabschiedet werden, doch überraschend ließen die Syrer den Termin platzen. Sie erbaten sich mehr Zeit, um das leicht geänderte Dokument noch gründlicher zu studieren. Der Vertrag ist Bestandteil der euro-mediterranen Partnerschaft, die die südlichen Mittelmeeranrainer mit den Ländern der Europäischen Union verbindet – Syrien hat als letztes Land des Barcelonaprozesses bislang noch kein solches Abkommen. Seit 2004 ist es ausgehandelt, aber wegen angeblicher syrischer Verwicklungen in den Mordanschlag auf Libanons Ex-Premier Rafik Hariri im Februar 2005 hatten die Europäer den Vertrag jahrelang auf Eis gelegt.

Euphrat in Syrien Foto: dw
Teil des Assoziierungsabkommen: Syrische WasserwirtschaftBild: Isabel Schlerkmann

Förderung des Mittelstandes

Inzwischen haben Syrien und Libanon diplomatische Beziehungen aufgenommen, die neue US-Regierung sucht den Dialog mit Damaskus und Syriens Präsident Bashar Al-Assad ist zum gefragten Vermittler in den Konflikten der Region aufgestiegen. Gründe genug für die Europäische Union, ihr Verhältnis zu Syrien auf feste vertragliche Grundlagen zu stellen. Damaskus verspricht sich von dem Abkommen noch mehr Unterstützung für sein wirtschaftliches Reformprogramm. Mit einem Budget von 130 Millionen Euro ist Europa schon jetzt Syriens größter Geldgeber. Neben der Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen werden die Wasser- und Energiewirtschaft sowie der Bildungs- und Gesundheitssektor unterstützt.

Vorzeigeprojekt im Gesundheitswesen

Ein Vorzeigeprojekt der syrisch-europäischen Zusammenarbeit ist das Zentrum für Strategische Gesundheitsstudien in Damaskus. Das von der Europäischen Union finanzierte Institut wirkt im Vergleich zu anderen staatlichen Einrichtungen in Syrien wie eine Insel des Fortschritts. Das helle moderne Gebäude beherbergt Büros, Unterrichtsräume, eine Bibliothek und Computer mit schneller drahtloser Internetverbindung. Unter Mitarbeitern, Lehrern und Schülern herrscht eine produktive und kollegiale Stimmung.

Talaiem Jbara, Leiterin der Abteilung für Gesundheitsökonomie, weiß das zu schätzen. Sie hat sieben Jahre in der Finanzdirektion des Gesundheitsministeriums gearbeitet, bevor sie ans Zentrum für Strategische Gesundheitsstudien kam. Das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Angestellten sei hier weniger hierarchisch, sagt sie, dank der ausländischen Lehrer gebe es eine internationale akademische Atmosphäre. "Im Ministerium brauchst du Jahrzehnte, um das zu lernen, was du hier an einem Tag lernst", fügt sie mit einem vielsagenden Lächeln hinzu.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy (rechts) und der syrische Präsident Bashar Assad (Archiv 2008), Foto: ap
Bei der Gründung der Mittelmeer-Union Mitte 2008 holte der französische Präsident Sarkozy den syrischen Präsidenten Assad zurück aus der politischen Isolation.Bild: AP

Probleme in der Praxis

Das 2007 eröffnete Institut dient als Kaderschmiede zukünftiger Gesundheitsmanager und ist Teil des Modernisierungsprogrammes für das Gesundheitswesen, das die EU seit 2002 mit insgesamt 30 Millionen Euro unterstützt. Detlef Schwefel unterrichtet an dem Studienzentrum Gesundheitsökonomie, daneben berät der deutsche Experte das Gesundheitsministerium bei der Umsetzung von Reformen. Sein Eindruck: Theoretisch ist alles klar, doch die Praxis macht Probleme. "Es gibt einen exzellenten Fünf-Jahres-Plan, der leider auf erheblichen Widerstand konservativer Gesundheitspolitiker gestoßen ist", erklärt Schwefel. Da im Ministerium derzeit eher die Bürokraten den Ton angäben, gehe die Modernisierung nur sehr langsam voran, beklagt der deutsche Experte.

Zusammenarbeit mit Grenzen

Der syrische Präsident Baschar Al-Assad bei der Eröffnungssitzung der Arabischen Liga in Tunis (Foto: dpa)
Am Dialog mit Europa interessiert: Baschar Al-AssadBild: dpa

Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre wissen auch die Vertreter der Europäischen Kommission in Damaskus, dass die Entwicklungszusammenarbeit mit Syrien Zeit braucht und bestimmte Grenzen hat. "Die Syrer wollen ihre Wirtschaft nicht so vollständig öffnen wie Jordanien", erklärt Angelina Eichhorst, die stellvertretende Delegationsleiterin der EU-Kommission in Damaskus. Und sie wollten sich nicht so abhängig von ausländischen Geldgebern machen wie Ägypten. "Diese Vorstellungen sollten wir respektieren", betont Eichhorst.

In politischen Fragen sind die Ansichten der syrischen Regierung allerdings schwieriger zu akzeptieren. Während sie das Wirtschaftssystem liberalisiert, hält sie an der Herrschaft der Baath-Partei fest, unliebsame Kritiker werden weiterhin unterdrückt. Forderungen der EU nach mehr Demokratie und Meinungsfreiheit weist Damaskus als Einmischung in innere Angelegenheiten zurück.

Vertrauen aufbauen

Doch auch hier könnte das Assoziierungsabkommen etwas bewegen, meint EU-Vertreterin Eichhorst. "Indem sie das Abkommen unterschreiben, sind die Syrer bereit für eine vollständige Partnerschaft", betont sie. Neben der wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit werde es einen intensiven politischen Dialog geben. "Wir werden über Partizipation, Zivilgesellschaft und Menschenrechte sprechen – das gehört dazu und das wissen die Verantwortlichen", sagt Eichhorst. Das Assoziierungsabkommen beinhalte Mechanismen für den Dialog, dadurch könne langsam Vertrauen wachsen, erklärt die stellvertretende Delegationsleiterin.

Unbequeme Fragen nicht ausblenden

Manch syrischer Regimekritiker fordert von Europa, das Assoziierungsabkommen erst dann zu unterzeichnen wenn sich die Lage der Menschenrechte in Syrien verbessert hat. Doch die meisten denken wie Mazen Darwich vom Zentrum für Medien und Meinungsfreiheit, das sich für die Rechte und Ausbildung von Journalisten einsetzt. Der 36jährige hält nichts von ausländischem Druck und glaubt stattdessen an den Dialog – allerdings nur dann, wenn er unbequeme Fragen nicht ausgeblendet. "Sollte es die EU mit Themen wie Demokratie, Menschenrechte und Freiheit im Mittelmeerraum ernst meinen, dann haben sie jetzt eine Chance", sagt der Aktivist. Das Assoziierungsabkommen könne zumindest den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft erweitern, meint Darwich.

Die syrische Börse in Damaskus bei der Eröffnung im März 2009 (Foto: AP)
Positives Zeichen für die syrische Wirtschaft: Eröffnung der Börse in DamaskusBild: AP

Wirtschaftlich hält George Qatinis vom Syrian Enterprise and Business Center (SEBC) das Assoziierungsabkommen für "ein Muss", da die syrischen Unternehmer zwar clever seien, aber immer Herausforderungen bräuchten, um sich weiterzuentwickeln. Der Grieche berät seit 13 Jahren kleine und mittlere Unternehmen, um sie fit für die freie Marktwirtschaft zu machen.

Das SEBC, für das er arbeitet, hieß früher einmal Syrian European Business Center, 2006 wurde es umbenannt in Syrian Enterprise and Business Center. Hinter der scheinbar harmlosen Namensänderung verbirgt sich der größte Erfolg europäischer Entwicklungshilfe in Syrien. Denn das SEBC ist nach zehnjähriger Finanzierung durch die EU eine nationale Institution geworden. Unter den mehr als 3.500 Unternehmen, die das SEBC im Laufe der Jahre beraten hat, finden sich Betriebe, die ihre Produkte ursprünglich kaum auf dem einheimischen Markt verkaufen konnten und heute in mehr als 50 Länder weltweit exportieren.

Korruption als größtes Hindernis

Das größte Hindernis für wirtschaftliche Reformen in Syrien bilden laut Qatinis weder die Privatwirtschaft noch die politischen Entscheidungsträger, sondern die Angestellten des mittleren Managements, die sich häufig mit Korruption etwas dazuverdienen. "Die Minister sind alle gut, aber die kleinen Beamten im System machen aus jedem Antrag ein Problem", so der SEBC-Vertreter. Sie verdienten regulär zwischen 150 und 300 Dollar monatlich und missbrauchten das System, um auf ein Einkommen von etwa 1.000 Dollar zu kommen, erklärt Qatinis. "Solange sie nicht 1.005 Dollar bekommen, sind sie nicht bereit, etwas zu verändern."

Durch seine langjährigen engen Kontakte zu syrischen Firmen kennt der Berater die Schwierigkeiten, mit denen diese im Falle einer Marktöffnung zu kämpfen haben. Die meisten von ihnen seien bislang international nicht konkurrenzfähig, betont der Grieche. Das habe sich schon beim Freihandelsabkommen mit der Türkei 2006 gezeigt und bei der Liberalisierung im Rahmen der arabischen Freihandelszone. "Wenn sie jetzt noch die Europäer dazu bekommen, wird es schwierig", so seine Einschätzung.

Autorin: Kristin Helberg

Redaktion: Stephanie Gebert