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Politik

Was verdienst du?

5. Januar 2018

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Das ist auch im Jahr 2018 noch immer eine Utopie. Viele Frauen wissen auch nicht, was sie verlangen könnten. Ein neues Gesetz soll Abhilfe schaffen - doch Kritiker zweifeln daran.

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Symbolfoto Frauenanteil in Führungsetagen
Bild: picture-alliance/dpa/K.-D. Gabbert

Könnte ich eigentlich noch mehr verdienen? Wen diese Frage umtreibt, der kann sich ab dem 6. Januar auf ein neues Gesetz berufen - dem sogenannten Entgelttransparenzgesetz. Wer in einem Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten arbeitet, darf den Chef oder den Betriebsrat fragen, wieviel in der Firma für eine gleichwertige Tätigkeit gezahlt wird. Damit wissen Beschäftigte zwar immer noch nicht, was der Kollege vom Schreibtisch gegenüber jeden Monat mit nach Hause nimmt, aber sie können die Höhe des eigenen Lohns einordnen - und eventuell mehr verlangen. 

Bundesfrauenministerin Katarina Barley (SPD) sieht darin eine Stärkung der Frauenrechte: "Weiß eine Frau sicher, dass sie im Vergleich zu einem Mann schlechter bezahlt wird, kann sie ihren Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit gerichtlich einklagen." Das Gesetz, das bereits im Sommer 2017 in Kraft getreten ist und in Teilen aber erst ab Januar 2018 angewendet werden darf, soll damit also zu mehr Lohngerechtigkeit führen. Das ist in Deutschland noch ein Problem: Denn noch immer verdienen Frauen laut Bundesfamilienministerium etwa ein Fünftel weniger als Männer. Das liegt auch daran, dass sie oft in Teilzeit arbeiten, seltener einen Chefposten besetzen und häufig in einem Berufsfeld arbeiten, der generell schlecht entlohnt wird, wie zum Beispiel in der Pflege. Doch auch wenn diese Faktoren herausgerechnet werden, bleibt eine Lücke von durchschnittlich sechs Prozent.

Made in Germany - Gender Gap - ungleiche Karrieren

Damit gehört Deutschland zu den Schlusslichtern in Europa. Nur in Estland und Tschechien ist die Gehaltslücke zwischen den Geschlechtern noch größer. Spitzenreiter - zumindest auf den ersten Blick - sind Luxemburg und Italien. Die arbeitnehmernahe Hans-Böckler-Stiftung warnt jedoch vor allzu schnellen Schlüssen. Denn die niedrige Gender-Gap-Quote lässt sich auch auf eine geringere Frauenerwerbsquote zurückführen: Denn wer nicht arbeitet, taucht in der Statistik nicht auf - und kann dementsprechend auch den Schnitt nicht nach unten ziehen. In Italien ist laut dem Statistischen Bundesamt nur rund die Hälfte der Frauen erwerbstätig.

Mehr Signal, weniger Wirkung

Die neue Auskunftspflicht soll nun gegen die Ungleichbehandlung in Deutschland steuern, doch Arbeitsmarktexpertinnen bezweifeln die Wirksamkeit. Für Christina Klenner, Genderforscherin am wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung, hat das Gesetz deshalb vor allem "Signalcharakter". Das Gesetz weist aus ihrer Sicht viele Schwachstellen auf, da es sich zum Beispiel nur auf Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten bezieht. "Das heißt, dass viele Frauen gar nicht von dem Gesetz erreicht werden, denn vor allem Frauen arbeiten in kleineren Betrieben." 

Christina Klenner
"Viele Frauen werden nicht erreicht" - Christina Klenner von der Hans-Böckler-Stiftung Bild: Hans-Böckler-Stiftung/Karsten Schöne

Eine weitere Hürde: Es müssen mindestens sechs Vertreter des jeweils anderen Geschlechts gefunden werden, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben. Damit soll die Anonymität der Beschäftigten gewährleistet bleiben. Aus allen vergleichbaren Gehältern wird dann der Median genommen und mitgeteilt. Das heißt: Bei einer Anfrage erfährt man nicht das Gehalt eines einzelnen Kollegen, sondern den Gehalts-Mittelwert von mindestens sechs Kollegen. "Doch wie soll ich die sechs Vergleichspersonen als einzelne Arbeitnehmerin finden?", fragt sich Klenner. Das ist viel Arbeit - und sie geht noch weiter. Lässt sich eine geschlechterbedingte Lücke erkennen und der Arbeitgeber ist nicht bereit mehr zu zahlen, müsste die Arbeitnehmerin noch den Klageweg beschreiten. Positiv sei jedoch, dass die Bezahlung von gleichwertigen und nicht zwingend gleichen Arbeiten unter die Lupe genommen wird, sagt Klenner. Das heißt: Die Marketingfachfrau muss sich nicht in der Marketingabteilung umschauen, sondern darf sich auch rein theoretisch mit den Buchhaltern vergleichen.

Auch für Elke Holst, Forschungsdirektorin bei den Gender Studies am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), ist das Gesetz erstmal "ein Mosaikstein". Das Gesetz sei jedoch wichtig, damit das Thema Gender Pay Gap weiterhin diskutiert werde und nicht in Vergessenheit gerate. Auch beim Deutschen Gewerkschaftsbund gibt man sich kritisch. Laut Elke Hannack, stellvertretende Bundesvorsitzende des DGB, werde die neue Auskunftspflicht höchstens dazu beitragen, dass die Gehaltsstrukturen in den Betrieben und Verwaltungen transparenter werden. "Das reicht bei Weitem nicht aus, um tatsächlich die Lohnlücke zu schließen."

Strafen in Island

Die Arbeitsmarktexpertinnen fordern deshalb von der Politik, den Spieß umzudrehen. Nicht die Arbeitnehmerin soll eine Anfrage stellen - und damit unter Umständen ihren Job oder ihr Ansehen gefährden -, sondern die Betriebe sollen von sich aus ihre Gehaltsstrukturen prüfen und Ungleichheiten beseitigen. So wird es bereits in der kanadischen Provinz Québec oder in Schweden praktiziert - und nun auch in verschärfter Form in Island. Der Inselstaat machte in den vergangenen Tagen Schlagzeilen, weil die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen dort nun sogar unter Strafe steht. Hat ein Unternehmen mehr als 25 Mitarbeiter, wird es alle drei Jahre von der Regierung geprüft, ob Männer und Frauen in ähnlichen Positionen und mit vergleichbaren Berufsabschlüssen das gleiche Gehalt beziehen.

Island ist damit das erste Land weltweit, dass die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen verbietet. Und im Gegensatz zu Deutschland sind nicht die Frauen in der Beweispflicht. Stattdessen muss das Unternehmen beweisen, dass es gleichberechtigt bezahlt. An den nordischen Ländern könne man sich durchaus ein Vorbild nehmen, sagt Klenner von der Hans-Böckler-Stiftung, auch unabhängig vom Beispiel Island. Das fängt schon bei der Wortwahl an: "In Norwegen wird zum Beispiel von einer Passion - also einer Leidenschaft - für Gleichberechtigung gesprochen. Da können wir in Deutschland sicherlich noch zulegen."

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft