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Politik

Neue Gespräche trotz vieler Fragezeichen

Masood Saifullah
28. Juni 2019

Die USA verbreiten Optimismus, was die Erfolgsaussichten ihrer Gespräche mit den Taliban betrifft. Aber was die militanten Islamisten eigentlich vorhaben, ist für alle Beteiligten ein Rätsel.

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Katar Friedensgespräche für Afghanistan
Bild: picture-alliance/AP/Qatar Ministry of Foreign Affairs

Die USA hoffen auf den Abschluss eines Friedensabkommens mit den Taliban in Afghanistan binnen drei Monaten. Beide Seiten wollen sich am heutigen Samstag zu einer weiteren Gesprächsrunde in Katars Hauptstadt Doha treffen (Artikelbild vom Februar).  Am vergangenen Dienstag  sagte US-Minister Mike Pompeo anlässlich seiner Gespräche mit der Regierung in Kabul: "Ich hoffe, wir werden noch vor dem 1. September 2019 ein Friedensabkommen (mit den Taliban) erreicht haben. Das ist jedenfalls unsere Mission."

Der mit dieser Mission beauftragte Unterhändler ist der aus Afghanistan stammende US-Diplomat Zalmay Khalilzad. Er hat sich seit vergangenem Oktober sechs Mal mit Taliban-Vertretern in deren Vertretung in Doha getroffen. Auch verschiedene westliche Regierungen haben eigene Gespräche mit den Taliban geführt, um sie für die Beendigung des seit 18 Jahren währenden Krieges zu gewinnen. Bisher ohne Erfolg. USA und Taliban haben sich bislang nur auf diesen einen Punkt im Prinzip geeinigt: Den Abzug der ausländischen Truppen aus Afghanistan. Aber bei anderen entscheidenden Fragen gab es keinen Fortschritt: Wie soll das politische System des Landes nach dem Truppenabzug aussehen? Welche Rolle hätte dabei die amtierende afghanische Regierung? 

Mike Pompeo besucht Afghanistan
US-Außenminister Pompeo bekräftigt Bündnis mit Kabul Bild: Reuters/J. Martin

Zeitplan über Truppenabzug - und dann?

"Es kann durchaus Fortschritt geben, wenn man darunter versteht, dass man sich einem Abkommen über den  Truppenabzug annähert", sagt der Washingtoner Südasien-Experte Michael Kugelmann. Allerdings wären Gewinner eines solchen Abkommens nur die Taliban, und nicht die Regierung in Kabul  und auch nicht die USA. "Die USA haben stets betont, dass es keine Abkommen geben kann, ohne dass es Einigung über alle Themen gibt, die auf dem Tisch liegen", erläutert Kugelman.

Einige Kommandeure der Taliban behaupten, Washington habe sich zu einem teilweisen Truppenabzug bereiterklärt, falls die Taliban ihrerseits garantieren, dass Afghanistan nicht als Terrorbasis gegen den Westen genutzt werde. Ein Sprecher der Taliban-Vertretung in Doha, Sohail Shaheen, hat sich folgendermaßen vernehmen lassen:  "Sobald ein Zeitplan für den Truppenabzug vorliegt, werden die Gespräche automatisch in die nächste Phase gehen. Es besteht keine Notwendigkeit, einen vollständigen Abzug der Truppen abzuwarten, Abzug und Gespräche können simultan vonstatten gehen."

Afghanistan | Drohnen | Taliban | Sicherheitskräfte
Erstmals Drohneneinsatz afghanischer Regierungskräfte gegen die Taliban Bild: DW/S. Tanha Shokran

Beteiligung der Regierung Ghani?

Allerdings könnten die Taliban unter der "nächsten Phase der Gespräche" etwas anderes verstehen als die Regierung in Kabul und ihre westlichen Verbündeten. Was genau die nächsten Schritte der Taliban nach der Einigung auf ein Abzugsdatum sein werden, ist unbekannt. "Es könnte sein, dass sie dann Gesprächen mit der Regierung in Kabul zustimmen, oder sie könnten die Bildung einer Interimsregierung fordern, an der sie zu beteiligen wären", sagt Sicherheitsexperte Wahid Muzhda aus Kabul gegenüber der DW.

Präsident Ashraf Ghani lehnt naturgemäß die Idee einer Übergangsregierung kategorisch ab, er will sich bei Wahlen im September für weitere fünf Jahre im Amt bestätigen lassen.  Sollte dies gelingen, könnten sich die Taliban gezwungen sehen, doch in Gespräche mit der Regierung Ghani einzutreten,  sagen manche Beobachter.

Andererseits würde ein Truppenabzug die Position der Taliban stärken. Sie kontrollieren laut verschiedenen Studien bereits jetzt über die Hälfte des Territoriums des Landes. "Die Taliban würden sich also dann (nach einem Truppenabzug) er recht nicht genötigt sehen, auf die afghanische Regierung zuzugehen", meint Wahid Muzhda.

Afghanistan Markus Potzel
Deutscher Afghanistan-Beauftragter Markus Potzel: Müssen Chancen nutzenBild: DW/H. Sirat

Internationale Initiativen - sinnvoll?

In den vergangenen Monaten haben Deutschland, Russland, China, EU, Iran und Pakistan alle ihre eigenen Kanäle benutzt, um mit den Taliban ins Gespräch zu kommen. So ist auch der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, Markus Potzel, im Mai mindestens zweimal mit Taliban-Vertretern in Doha zusammengetroffen. "Die Chance für Fortschritte in Richtung eines friedlicheren Afghanistans darf nicht verpasst werden", sagte Potzel im Juni. "Wenn die Freunde Afghanistans, darunter auch Deutschland, gemeinsam dafür Unterstützung leisten können, dann sollten wir das tun."

Jedoch ist bei all diese unkoordinierten internationalen Bemühungen bislang wenig Vorzeigbares herausgekommen. Darauf hat Präsident Ghani gegenüber US-Außenminister Pompeo hingewiesen. Laut seinem Sprecher Shah Hussain Martazawi hat Ghani der US-Regierung für ihre Friedensbemühungen gedankt und hinzugefügt: "Es wäre am besten, wenn die Verbündeten Afghanistans und deren internationale Partner von individuellen und verstreuten Bemühungen absähen."

Russland Moskau Afghanistan-Gespräche Mullah Baradar Taliban
Taliban-Delegation Moskau im Mai 2019Bild: picture-alliance/AA/S. Karacan

Moskauer Format - zweischneidig

Ghani betrachtet insbesondere das Moskauer Format mit Missvergnügen, wo sich bereits zweimal Talibanvertreter mit seinen politischen Gegnern getroffen  haben, während die offiziellen Vertreter Kabuls draußen bleiben mussten. Südasien-Experte Kugelmann sieht die Moskauer Treffen als Fluch und Segen. "Einerseits stellen sie den Beginn eines überfälligen innerafghanischen Dialogs dar. Andererseits verschärfen sie durch den Ausschluss der Regierung die internen politischen Spannungen Afghanistans." Unterm Strich bleibt für den früheren Berater von Präsident Ghani, Sadiq Patman,  die Erkenntnis, "dass auch nach all diesen Treffen niemand weiß, was die Taliban vorhaben."