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Schwieriger Handel

Rolf Wenkel22. Dezember 2007

Zum 31. Dezember 2007 enden die Ausnahmeregeln für den Handel der EU mit den ehemaligen Kolonien Afrikas, der Karibik- und der Pazifik-Region (AKP). Doch neue Vereinbarungen fehlen teilweise und sind umstritten.

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Kaffeebohnen sind eines der wichtigsten Exportgüter vieler AKP-Staaten (Foto: Bilderbox)
Kaffeebohnen sind eines der wichtigsten Exportgüter vieler AKP-StaatenBild: BilderBox
Die Beziehungen zwischen Europa und Afrika sind in Bewegung. An die Stelle europäischer Dominanz ist eine partnerschaftliche Zusammenarbeit getreten. Daran ist die Welthandelsorganisation WTO in Genf nicht ganz unschuldig. Sie hat sich schon 1999 daran gestoßen, dass die Europäische Union den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP) einseitige Handelspräferenzen einräumt. Nach diesen seit über 30 Jahren geltenden Regelungen hatten die Länder günstige Zugangsbedingungen zum europäischen Markt, erhoben aber Zölle auf Einfuhren aus Europa. Das widerspricht den Regeln der WTO, die auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit und der Gleichbehandlung beruhen, was die Fachleute als Reziprozität bezeichnen. Diese Reziprozität einzuführen bedeutet aber auch, dass die AKP-Staaten über kurz oder lang ihre Märkte liberalisieren und für die Europäer öffnen müssen.

Weniger Import von AKP-Staaten in die EU

Äthipische Kaffeebauern sortieren Bohnen (Foto: AP)
Äthiopische Kaffeebauern sortieren BohnenBild: AP Photo
Bisher waren die Abkommen der EU mit den AKP-Staaten, die den Namen der togolesischen Hauptstadt Lome trugen, sowieso nicht gerade sehr erfolgreich. So ist der Anteil der Importe aus den AKP-Staaten in die EU seit zwei Jahrzehnten rückläufig und praktisch bedeutungslos geworden. Auch die einseitig gewährten Handelspräferenzen haben im Laufe der Zeit immer mehr an Wert verloren, weil die EU in den letzten 20 Jahren ihre Zölle ohnehin halbiert hat. Etwas Neues musste also her, und zwar bald. Denn die WTO hat der Europäischen Union nur eine Frist bis zum 31. Dezember 2007 gegeben, ihre Beziehungen zu den AKP-Staaten auf eine neue Grundlage zu stellen.

Die Europäische Union hat deshalb schon im Jahr 2000 die alten Lome-Abkommen mit den AKP-Staaten friedlich beerdigt. An deren Stelle ist das so genannte Contonou-Abkommen getreten, benannt nach der Hauptstadt Benins. Es setzt zwar die handelspolitische Zusammenarbeit der EU mit den AKP-Staaten fort, erprobt aber einen neuen Mix aus Handel und Hilfe: handelspolitische Ziele sollen mit entwicklungspolitischen Zielen verbunden werden.

Entwicklungspolitische Arbeit nicht mehr nur nebenher

Das war neu, auch für die Europäische Union. Denn viele Mitglieds-Staaten der EU haben gar kein eigenes Entwicklungsressort in ihrer Regierung, folglich auch keinen Minister. Sie haben diese Arbeit von ihrem Wirtschafts- oder Handelsminister bestenfalls mit erledigen lassen. Jetzt ist ein Umdenken angesagt - sehr zur Freude der deutschen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.

Wirtschaftliche Partnerschaften mit ganzen Regionen

Aber auch die AKP-Staaten müssen umdenken. Von ihnen erwartet die EU, dass sie sich zu größeren und damit gewichtigeren Wirtschaftseinheiten oder -regionen zusammenschließen. Die EU ist dabei im Rahmen des Contonou-Abkommens gerne behilflich. Sie will bis zum 31. Dezember 2007 so genannte Wirtschaftspartnerschafts-Abkommen schließen (Economic Partnership Agreements, EPA) - und zwar nicht individuell, sondern mit regionalen Gruppen.

Tatsächlich sind die einzelnen Staaten für handelspolitische Alleingänge in einer globalisierten Welt einfach nicht groß genug. Die Wirtschaft der 78 AKP-Staaten ist 35mal kleiner als die der 25 EU-Staaten, und bei der Hälfte von ihnen liegt die Bevölkerung unter fünf Millionen. Eine regionale Integration, so der Hintergedanke, könnte auch die Integration der AKP-Staaten in den Weltmarkt erleichtern und verbessern, könnte mehr ausländische Investoren und Kapital anziehen.

Reizwort EPA

Doch für viele Globalisierungskritiker und entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen ist der Begriff EPA ein Reizwort. Sie wittern dahinter den Rückfall in den blanken Kolonialismus. Denn die neuen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen werden erstmals den WTO-konformen Grundsatz der reziproken Verhältnisse berücksichtigen. Sprich: Auch die AKP-Staaten müssen den Europäern den freien Marktzugang einräumen.

"Das Phantom der Reziprozität, die am 1. Januar 2008 freien Zugang für europäische Produkte und Dienstleistungen in diese afrikanischen Märkte vorsieht und damit die völlige Vernichtung jeglicher unternehmerischer Tätigkeit in diesen Ländern nach sich zieht, ist bestenfalls eine Karikatur, schlimmstenfalls eine Verzerrung unserer Verhandlungsposition", sagt Karl Friedrich Falkenberg, Vize-Direktor der Generaldirektion Handel der EU in Brüssel, und versucht damit zu beschwichtigen.

Regionalabkommen und mehrere einzelne Übergangslösungen

Mit den Karibikstaaten hat die EU-Kommission nun Mitte Dezember nach eigenen Angaben ein Wirtschafts-Partnerschaftsabkommen unterzeichnet, das erste seiner Art für eine ganze Region. Vor allem afrikanische Staaten zögern noch, solche Abkommen abzuschließen, weil sie wirtschaftliche Nachteile befürchten. Laut EU-Kommissionssprecher Michael Jennings hat die EU aber bereits mit zahlreichen einzelnen afrikanischen Staaten zumindest Übergangsabkommen geschlossen.