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Neue Hoffnung für den Jemen

Kersten Knipp9. April 2016

Im Jemen haben die Kriegsparteien einen Waffenstillstand vereinbart. Auch haben sie sich vorgenommen, sich zu Friedensgesprächen zu treffen. Noch aber wird heftig gekämpft. Leidtragende sind die Zivilisten.

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Eine durchschossene Brücke in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa, 23.03.2016 (Foto: REUTERS/Khaled Abdullah )
Bild: Reuters/K. Abdullah

Gekämpft wird bis zum Schluss. Noch zwei Tage vor Beginn des Waffenstillstands am Sonntag haben sich die Kriegsparteien im Jemen schwere Gefechte geliefert. Sieben Soldaten und fünf Rebellen starben, als Regierungstruppen die Ortschaft Sirwah, rund hundert Kilometer westlich der Hauptstadt Sanaa, von den Huthi-Milizen zurückerobern wollten. Der Ort gilt als strategisch wichtige Station auf dem Weg nach Sanaa.

Dem Kampf um die derzeit von den Huthi-Rebellen gehaltene Hauptstadt messen beide Seiten höchste Bedeutung zu. Wer sie in der Hand hält, hat bei den für den 18. April angesetzten Friedensverhandlungen eine bessere Ausgangsposition. Wie hart um diese gerungen wird, lässt auch der Umstand erkennen, dass die US-Marine vergangene Woche im Arabischen Meer eine Waffenlieferung abgefangen hat, die angeblich aus dem Iran stammt und für die schiitischen Huthi-Rebellen bestimmt war. Einem Bericht der US-Marine zufolge hat das Patrouillenboot "USS Sirocco" die auf einem kleinen Dau versteckte Ladung beschlagnahmt. Demnach hatte das kleine Segelschiff 1500 Kalaschnikows, 200 Panzerabwehrraketen und 21 Maschinengewehre an Bord.

"Ein Albtraum"

Saudi-Arabien wirft Iran seit Längerem vor, den Jemen in seine Einflusssphäre ziehen zu wollen. Das hätte für das Königreich strategisch erhebliche Konsequenzen. Als sich die Huthis vor anderthalb Jahren gegen die Regierung in Sanaa erhoben und bald erste Geländegewinne verzeichneten, war die Regierung in Riad alarmiert. "Der Albtraum wurde wahr und Jemen fiel in den Dunstkreis Irans", umreißt die Zeitung Sharq al-Awsat die Sicht der Saudis. "Dadurch sahen diese sich im Süden vom Jemen und im Norden von Syrien und dem Irak bedroht." Alle drei Länder sind derzeit schiitisch dominiert. Im Irak ist eine schiitische Mehrheitsregierung an der Macht, während Bashar al-Assad, ein Angehöriger der den Schiiten zugerechneten Minderheit der Alawiten, dank russischer Unterstützung offenbar wieder die Oberhand über die Aufständischen gewonnen hat.

Militärparade in Mekka, 15.01.2005 (Foto: EPA/KHALED EL FIQI)
Militärparade in MekkaBild: picture-alliance/dpa/K. El Fiqi

In welchem Maß Iran die schiitischen Huthis unterstützt, ist allerdings umstritten. In einer kürzlich veröffentlichten Studie hat der Think Tank "International Crisis Group" (ICG) das iranische Engagement im Jemen untersucht. Demnach werden die Huthis vom Iran und der ihr verbundenen libanesischen Hisbollah tatsächlich militärisch unterstützt. Einschränkend heißt es allerdings: "Die Unterstützung ist wesentlich geringer als jene, die die Staaten des Golfkooperationsrates den Gegnern der Huthis zukommen lassen. Auch ist sie für die Kampffähigkeit des Huthi/Saleh-Lagers nicht entscheidend", so die Studie weiter. Vielmehr entstammten die meisten der von den Huthis eingesetzten Waffen aus geplünderten Regierungsbeständen.

Der Einfluss Irans

Die ICG zitiert einen auf Anonymität bestehenden iranischen Offiziellen mit der Bemerkung, der iranische Einfluss im Jemen werde überschätzt. "Tatsächlich ist er minimal, und das wissen auch die Saudis. Jemen ist von unserer Küste weit weg. Wir brauchten bereits vor dem Krieg keine Waffen dorthin zu schicken. Jetzt ist das praktisch unmöglich geworden." Allerdings, so der Offizielle weiter, sei der Krieg für Iran strategisch von Nutzen: "Saudi-Arabien geht im Jemen unter. Der Krieg legt dem Königreich einen hohen Blutzoll auf. Auch kostet er das Land Ansehen und bringt es finanziell in erhebliche Bedrängnis."

Huthi-Rebellen in Sanaa, 15.12. 2015 (Foto: AP Photo/Hani Mohammed)
Bislang ungeschlagen: die Huthi-RebellenBild: picture-alliance/AP Photo/H.Mohammed

Eine humanitäre Katastrophe

Die hauptsächlich Leidenden aber sind die Zivilisten. Einem UN-Bericht zufolge hat der Krieg bislang 8100 Menschenleben gefordert. Karl-Otto Zentel, Generalsekretär der Hilfsorganisation Care, berichtet im Interview mit dem Sender Deutschlandfunk von dramatischen Zuständen im Land. So hätten Millionen von Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. In einigen Gebieten herrsche Wasserknappheit. "Da stehen Leute stundenlang an, um eine Ration Trinkwasser in Empfang nehmen zu können. Das wirkt sich natürlich besonders auf empfindliche Gruppen wie schwangere Frauen und Kinder aus. Und unsere Mitarbeiter berichten auch von unterernährten Kindern."

Der Umstand, dass es bislang zu keiner politischen Lösung gekommen sei und auch die Unterstützung für die humanitäre Hilfe zu gering sei, habe zahllose Menschen zur Flucht gezwungen. Sie seien im Land selbst unterwegs, einige seien aber auch in das ebenfalls von Gewalt zerrissene Somalia geflohen. "Wir hätten es eigentlich für unvorstellbar gehalten, dass jemand Somalia als sicheren Fluchtort ansieht."

Ein jemenitisches Mädchen vor zerschossenem Haus, 25.02.2016 (Foto: picture-alliance/dpa/Y. Arhab)
Schrecken des Krieges: Jemenitisches Mädchen vor zerschossenem HausBild: picture-alliance/dpa/Y. Arhab

Es sind vor allem die Zivilisten, denen der Waffenstillstand und ein erfolgreicher Abschluss der Friedensverhandlungen helfen könnte. Dass es dazu käme, ist nach Auffassung der Zeitung Al araby al-jadeed denkbar. Nach der Annäherung in Syrien sei nun auch ein Dialog im Jemen möglich. Auch habe sich bei sämtlichen Parteien nach einem Jahr heftiger Kämpfe, die für keine der beiden Seiten durchschlagenden Erfolg gebracht hätten, eine gewisse Kriegsmüdigkeit eingestellt. Immer deutlicher setze sich die Einsicht durch, dass der Krieg mit Waffen allein nicht gewonnen werden kann.