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Bulgaren lassen nicht locker

21. Juni 2013

Die Bulgaren blasen zum Sturm auf die neue, von den Sozialisten dominierte Regierung. Den siebten Tag in Folge versammelten sich Tausende vor allem in der Hauptstadt. Auch die orthodoxe Kirche stellt sich hinter sie.

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Ein Demonstrant in Sofia bläst in eine Vuvuzela, dahinter Nationalfahne (foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo

"Mafia" und "Roter Dreck", rufen seit einer Woche Tausende Bulgaren jeden Abend vor dem Ministerrat und dem Parlament in der Metropole Sofia. Sie beschimpfen die neue Regierung aus Sozialisten und der Partei der türkischen Minderheit (DPS). Nur drei Wochen nach dem Amtsantritt der neuen Regierungsmannschaft verlangen sie schon wieder deren Rücktritt.

In der Nacht zum Freitag blockierten die Demonstranten die größte Kreuzung der Hauptstadt. Hauptforderungen sind der sofortige Sturz von Ministerpräsident Plamen Orescharski und Neuwahlen. Auch in mehreren anderen Städten kam es zu Kundgebungen. Zuletzt hatte die Berufung eines Medienmoguls zum Geheimdienstchef für Wirbel gesorgt. Seine Ernennung wurde zurückgenommen, aber die Proteste gingen weiter.

Mehr als reiner Sozialprotest

Im Gegensatz zum vergangenen Winter protestieren die Menschen nicht gegen hohe Strompreise und geringe Löhne. Jetzt gehen auch finanziell gut gestellte Bulgaren auf die Straße. Wut bricht sich Bahn über die "korrupte politische Klasse". "Die Menschen kämpfen für ihre Werte", erläutert zum Beispiel der Professor für Verfassungsrecht, Georgi Blisnaschki.

Dennoch versucht Regierungschef Orescharski, die soziale Misere im ärmsten EU-Land zu lindern. Das Parlament verabschiedete ein Paket mit zusätzlichen Sozialhilfen und Erleichterungen für Unternehmer. Der Finanzexperte Orescharski will nicht zurücktreten, um das Land "nicht in eine noch größere Krise zu stürzen", wie er sagt. Experten warnen, dass die politische Destabilisierung das Investitionsklima zerstören könnte.

Solidarität des Klerus

Der bürgerliche Staatschef Rossen Plewneliew rechtfertigte die Proteste der Menschen, die schließlich "Gerechtigkeit und einen Rechtsstaat" forderten. Auch Bulgariens orthodoxe Kirche solidarisierte sich erstmals mit den Demonstranten. "Wenn sie fühlen, dass die Gerechtigkeit verletzt ist, sind die Menschen frei auszudrücken, dass sie nicht einverstanden sind", hieß es in einer Erklärung des Kirchenoberhaupts Patriarch Neofit.

EU bleibt misstrauisch

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zeigte sich in Brüssel "besorgt" über Bulgarien. "Einige der kürzlichen Entwicklungen waren nicht gut", beklagte Barroso nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Orescharski. Die Demonstrationen hätten "die Notwendigkeit von Reformen im Land" deutlich gemacht.

Barroso bat Orescharski eindringlich, sich vor wichtigen Ernennungen "besonders im Bereich der Bekämpfung von Korruption und organisiertem Verbrechen" mit anderen zu beraten. Wer ein Amt in diesem Bereich erhalte, müsse dafür besonders qualifiziert und "von höchster Integrität" sein...

SC/nem (dpa, rtr, afp )