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Neue Perspektiven für Nahost?

Vladimir Müller25. Juli 2002

Die Nahost-Konferenz des so genannten internationalen Quartetts in New York hat erneut die Differenzen in der Frage nach der künftigen Rolle Jassir Arafats deutlich gemacht. Ein Kommentar von Vladimir Müller.

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Für die Amerikaner ist der Palästinenser-Führer kein Partner mehr, für die anderen drei aus dem Quartett - EU, UNO und Russland - spielt er durchaus eine Rolle. Nun hat Arafat am Mittwoch (17. Juli 2002) erklären lassen, er sei unter gewissen Bedingungen bereit, einen Premierminister zu berufen und einen Teil seiner Kompetenzen abgeben. Bietet sich hier eine neue Perspektive für die Lösung des Nahost-Konflikts?

Die Ankündigung des Palästinenser-Präsidenten, seine Macht teilen zu wollen, lädt geradezu zum Schwärmen ein: Jassir Arafat hat verstanden. Knapp vier Wochen nach der Forderung des US-Präsidenten George W. Bush, die Palästinenser sollten sich eine andere Führung suchen, tritt der Vorsitzende selbst den Rückzug an. Durch die Ernennung eines Ministerpräsidenten und - wie ebenfalls angekündigt - nach Verabschiedung weiterer Reformgesetze würde er die politischen Tagesgeschäfte in der Zukunft nur im begrenzten Umfang wahrnehmen.

Arafat aufs Abstellgleis! So lautet doch auch die Forderung aus Washington und Jerusalem. Wenn dieser "irrelevante" Person, wie ihn Israels Premier Scharon bezeichnet, auf einen großen Teil seiner Vollmachten verzichtet, könnten sich doch neue Friedensperspektiven eröffnen.

Der Abgang wird aber noch etwas dauern. Denn Arafat hat Bedingungen gestellt. Dazu gehört die Ausrufung eines unabhängigen Palästinenser-Staates. Arafat will sein Ziel nicht aufgeben, als Gründer einer Republik Palästina in die Geschichte einzugehen. Nach seinen Vorstellungen könnte die Ausrufung des Staates kurz nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Januar 2003 erfolgen.

Dazu müsste sich aber erst die israelische Armee aus dem
Westjordanland zurückziehen. Das hat Israels
Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer jetzt jedoch in weite Ferne gerückt: Die Anwesenheit in den besetzten
Gebieten sei auf unbestimmte Zeit erforderlich. Denn die Frage der eigenen Sicherheit stehe nach wie vor ganz oben.

So rückt Arafats Traum eines Palästinenser-Staates und damit auch sein offizieller Rückzug weiter in die Zukunft. Dabei ist seine Demontage voll im Gange: So lange die israelische Belagerung anhält, nützen ihm seine derzeitigen Vollmachten wenig. Und obwohl er - noch - auf breite Unterstützung der Bevölkerung zählen kann, sieht er sich zunehmend mit Straßen-Protesten konfrontiert. Diese zielen auf seine Behörde, also auch auf ihn.

Nicht alles, was Menschen im Gaza-Streifen und Westjordanland erleiden müssen, geht auf das Konto der Besatzer, das wissen auch viele Palästinenser.

Aber selbst wenn Arafat allmählich in den politischen Hintergrund tritt, dürfte das nicht automatisch zur Befriedung der Region führen. Denn die eigentlichen Hauptakteure des Konflikts zeigen noch keine Anzeichen eines Wandels: Radikale Palästinenser führen weiter Terroranschläge gegen Zivilisten durch und Israels Regierung beharrt weiter auf Besatzung palästinensischer Städte, solange diese Anschläge verübt werden. Durch Arafats Rückzug wird sich an dieser Haltung nicht viel ändern. Also doch kein Anlass zum Schwärmen.