1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Tote bei Protesten in Kairo

9. April 2011

Bei gewaltsamen Protesten in der ägyptischen Hauptstadt Kairo sind erstmals wieder Menschen ums Leben gekommen. Auch in Syrien und im Jemen wurden Demonstranten getötet und verletzt.

https://p.dw.com/p/10qaD
Demonstrationen in Kairo im April 2011 (Foto: AP)
Zehntausende gingen in Kairo wieder auf die StraßenBild: dapd

Auch mehrere Wochen nach dem Sturz des verhassten Ex-Machthabers Husni Mubarak bleibt die Lage in Ägypten angespannt. Bei den größten Protesten seit einem Monat sind in der Nacht zum Samstag (09.04.2011) zwei Menschen getötet worden. Mehr als 70 weitere sind nach Angaben von Ärzten während der Kundgebung auf dem Tahrir-Platz in Kairo schwer verletzt worden.

Die Armee verteidigte den Einsatz und erklärte, dass Sicherheitskräfte mit der Unterstützung von Bürgern lediglich "Gesetzlose" von dem Platz vertrieben habe. Trotz der Räumungsaktion harrten am Samstagmittag weiter rund 200 Menschen auf dem Platz aus, wie ein AFP-Journalist berichtete.

Alte Regime-Getreue sollen weg

Ein Demonstrant zeigt Blutspuren auf dem Tahrir-Platz (Foto: AP)
Spuren der blutigen AuseinandersetzungenBild: AP

Die Militärpolizei hatte in der Nacht zum Samstag versucht, den Platz zu räumen. Zehntausende Menschen hatten sich dort nach dem Freitagsgebet versammelt, um gegen Mubarak und seine Vertrauten zu demonstrieren. Sie forderten eine strafrechtliche Verfolgung von Mubarak. "Wir gehen hier nicht weg, bis Mubarak vor Gericht steht", sagte einer der Redner. Auch den Vorsitzenden des Militärrats Hussein Tantawi, der 20 Jahre lang unter Mubarak Verteidigungsminister war, kritisierten die Demonstranten heftig. Der Militärrat hatte nach dem Sturz Mubaraks am 11. Februar die Macht in Ägypten übernommen.

Um die Kundgebung aufzulösen, soll die Militärpolizei auch Warnschüsse in die Luft abgefeuert haben, berichteten Augenzeugen. Einige Polizisten sollen Demonstranten auch niedergeschlagen haben. Einige Demonstranten hätten einen Militärbus und ein Zivilfahrzeug in Brand gesteckt. Die Protestteilnehmer wollen so lange auf dem Platz bleiben, bis Tantawi zurücktritt. Auch einige Offiziere sollen sich dem Protest angeschlossen haben. Sie fordern eine Entlassung der Mubarak-Anhänger und -Getreuen in der Armee.

Militär droht Demonstranten mit Gewalt

Aus Protest gegen den regierenden Militärrat kamen auch am Samstag Tausende Menschen auf dem Tahrir-Platz zusammen. Der Rat drohte den Demonstranten mit einem harten Vorgehen und kündigte eine notfalls gewaltsame Räumung an.

Als Zugeständnis an die Protestierenden kündigte das Gremium dem staatlichen Fernsehen zufolge jedoch gleichzeitig an, einige von Mubarak ernannte Provinzgouverneure auszutauschen.

Konsequenzen für Mubarak gefordert

Ein Demonstrant sitzt neben einem Anti-Mubarak-Poster (Foto: AP)
Mubarak solle bestraft werden, fordern die DemonstrantenBild: AP

Mubarak und seine Familie halten sich noch immer im Präsidentenpalast im ägyptischen Badeort Scharm-el-Scheich am Roten Meer auf. Sie stehen unter Hausarrest und ihr Vermögen wurde eingefroren.

Dennoch werden viele Ägypter zwei Monate nach dem Sturz langsam ungeduldig. Denn noch immer hat die Justiz keine Schritte gegen den Mubarak-Clan unternommen. Die Menschen fordern zügige Gerichtsverfahren wegen Amtsmissbrauchs. Viele verlangen auch die Auflösung der Mubarak-Partei NDP.

Tote bei Demonstrationen auch in Syrien

Nach den neuen blutigen Unruhen in Syrien haben Menschenrechtsaktivisten dort zu täglichen Protesten gegen die Regierung und gegen Präsident Baschar al-Assad aufgerufen. Über soziale Netzwerke im Internet appellierten sie an die Protestbewegung.

Syrische Sicherheitskräfte schossen am Samstag mit scharfer Munition auf einen Trauerzug in der Stadt Daraa. Dabei seien mehrere Menschen verletzt worden, berichtete der Leiter der Nationalen Organisation für Menschenrechte, Ammar Kurabi. Auch in der Hafenstadt Latakia sollen Scharfschützen gegen Hunderte Demonstranten eingesetzt worden sein.

Am Freitag sollen unterschiedlichen Angaben zufolge bis zu 37 Menschen in verschiedenen syrischen Städten bei Demonstrationen ums Leben gekommen sein, die meisten von ihnen Daraa.

Demonstration gegen Syriens Präsident Assad (Foto: picture-alliance/dpa)
Die Demonstranten sind gegen Assads PolitikBild: picture alliance/abaca

Das staatliche syrische Fernsehen hingegen berichtete, dass die Demonstranten zuerst geschossen hätten. 19 Sicherheitsbeamte sollen dabei getötet worden sein.

Kritik aus den USA

US-Präsident Barack Obama verurteilte die Gewalt in Syrien scharf. "Ich rufe die syrischen Behörden auf, jede weitere Gewalt gegen friedliche Demonstranten zu unterlassen", sagte Obama in einer Erklärung am Freitag. Darüber hinaus müssten willkürliche Verhaftungen, Festnahmen und die Folter von Gefangenen sofort enden. Es sei an der Zeit, dass die Regierung von Präsident al-Assad die Repressionen gegen das Volk beende und auf dieses höre.

Keine Änderungen in Sicht?

Seit drei Wochen ruft die Protestbewegung in Syrien zu neuen Kundgebungen auf - jeden Freitag aufs Neue. Die Menschen fordern Freiheit und demokratische Reformen. Al-Assad regiert in Syrien seit mehr als 40 Jahren und hatte in den vergangenen Tagen als Reaktion auf die Demonstrationen einige Reformen verkündet. So hob er die Arbeitsbeschränkung für Frauen mit Gesichtsschleier auf. Zudem will er den rund 250.000 staatenlosen Kurden in Syrien die Staatsbürgerschaft verleihen.

Bislang kamen nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen bei den Protesten in Syrien mehr als 170 Menschen ums Leben.

Übergriffe im Jemen

Im Jemen ist bei anhaltenden Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten am Samstag mindestens ein Mensch ums Leben gekommen. Dutzende seien bei den Auseinandersetzungen in der Hauptstadt Sanaa sowie der südlich davon gelegenen Stadt Tais verletzt worden, sagten Krankenhausmitarbeiter und Einwohner. In Tais versuchten Augenzeugen zufolge am Abend Hunderte von Demonstranten eine Polizeisperre zu durchbrechen, um zu einem Präsidentenpalast zu marschieren. Die Regierungsgegner im Jemen fordern den Rücktritt des seit über 30 Jahren regierenden Präsidenten Ali Abdullah Saleh.

Am Freitag hatten Sicherheitskräfte zum wiederholten Mal auf Saleh-Gegner geschossen und dabei drei Demonstranten getötet. Bei der Kundgebung in der südjemenitischen Stadt Taiz waren zudem 183 Menschen verletzt worden, wie Ärzte und Augenzeugen berichteten. Nach Schätzungen der Opposition haben Sicherheitskräfte bei den Zusammenstößen in den vergangenen Wochen bislang mehr als 100 Demonstranten erschossen und Tausende verletzt.

Autor: Nicole Scherschun (rtr, dpa, dapd, afp)
Redaktion: Martin Schrader/Thomas Grimmer