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Politik

Neue Runde im Ringen um Flüchtlingspolitik

5. Juli 2018

Nach dem zwischen CDU und CSU erkämpften Asyl-Kompromiss geht es ans Eingemachte. Wie umsetzen, ist die Frage. Innenminister Seehofer sondiert zu diesem Zwecke in Wien, Kanzlerin Merkel empfängt Ungarns Regierungschef.

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Seehofer und Merkel
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Bundesinnenminister Horst Seehofer will an diesem Donnerstag mit der österreichischen Regierung über ein Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen verhandeln. Die geplanten Gespräche mit Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Heinz-Christian Strache in Wien zielen auf eine Vereinbarung ab, die Deutschland die Zurückweisung bestimmter Asylbewerber direkt an der Grenze ermöglichen soll. So sieht es das Kompromisspapier von CDU und CSU vor, auf das sich die Schwesterparteien nach wochenlangem erbittertem Streit verständigt hatten.

CDU und CSU haben vereinbart, an der deutsch-österreichischen Grenze sogenannte Transitzentren für Flüchtlinge einzurichten, für deren Asylverfahren ein anderes EU-Land zuständig ist. Aus diesen Zentren sollen sie dann direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden. Gibt es zwischen Deutschland und dem betreffenden EU-Land keine entsprechende Vereinbarung für eine beschleunigte Rückführung, ist vorgesehen, den Schutzsuchenden nach Österreich zurückzuweisen. Dafür soll eine Vereinbarung mit Wien geschlossen werden.

Die Österreicher machen schon im Vorfeld klar, wo für sie die Grenzlinien des politisch Machbaren verlaufen. Der konservative Kanzler Kurz kündigte an, er werde keine Vereinbarung zulasten Österreichs treffen. Sein rechtspopulistischer Vize Strache von der FPÖ sagte der "Bild"-Zeitung: "Es kann ja nicht sein, dass wir jetzt in Österreich plötzlich für die Fehler der deutschen Politik bestraft werden sollen."

Orban erst bei Seehofer und dann bei Merkel?

Und auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban ist weiter gefragt. Laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung hat er noch vor seinem für Donnerstag geplanten Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel Bundesinnenminister und CSU-Chef Seehofer besucht. Die beiden seien am Mittwoch als Partei-Chefs zusammengekommen, meldete das Blatt unter Verweis auf das Umfeld des rechtsnationalen ungarischen Regierungschefs. Demnach bekräftigte Orban bei dem Treffen seine Ablehnung, illegale Einwanderer in Ungarn aufzunehmen.

Noch am Mittwoch hatte Orban in der "Bild"-Zeitung signalisiert, er sei unter bestimmten Voraussetzungen doch zu Verhandlungen über ein bilaterales Asyl-Abkommen mit Deutschland bereit.

Entscheidungen binnen 48 Stunden

Die Bundeskanzlerin machte in der ARD inzwischen erste konkrete Angaben dazu, wie sie sich den Aufenthalt von an der Grenze aufgegriffenen Asylbewerbern, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, in deutschen Transitzentren vorstellt. Asylbewerber sollten maximal zwei Tage unter Aufsicht der Polizei in den geplanten Zentren bleiben. "Man muss mit 48 Stunden hinkommen, das sagt das Grundgesetz", sagte Merkel in der ARD-Sendung "Farbe bekennen".  Zudem müsse es eigene Bereiche für Frauen und Kinder geben. Nach dieser Zeitspanne müssten die Schutzsuchenden in normale Einrichtungen gebracht werden.

Die Stunde der Sozialdemokraten

Die SPD war lange in die Zuschauerrolle beim Unionsstreit über die Flüchtlingspolitik verdammt, jetzt hängt es auch an ihr, ob der asylpolitische Kompromiss des Koalitionspartners trägt. In der Partei gibt es Vorbehalte gegen den von den Unionsparteien vereinbarten Kompromiss. So ist die SPD strikt gegen eine geschlossene, gefängnisähnliche Unterbringung in Transitzentren. Union und SPD wollen am Abend bei einem weiteren Spitzentreffen in Berlin nach einer Lösung suchen. In Koalitionskreisen wird von guten Möglichkeiten für eine Einigung ausgegangen.

Asylsuchende in Gewahrsam nehmen ist "Ultima Ratio"

Kritik an den Transitzentren kommt vom UNHCR. Für das UN-Flüchtlingshilfswerk ist es nur die "allerletzte Lösung", Asylsuchende in geschlossenen Zentren in Gewahrsam zu nehmen. Das sagte der UNHCR-Vertreter in Deutschland, Dominik Bartsch, in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau". Grundsätzlich müsse es dem Einzelnen erlaubt sein, solche Zentren zu verlassen. Dies könne über eine Residenzpflicht geregelt werden. Zudem äußerte sich Bartsch besorgt, dass bereits in der EU registrierte Asylsuchende möglicherweise länger als geplant dort ausharren müssen.

qu/ml (dpa, rtr, afp, kna)