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Neuer Star und alte Legende

Oliver Samson6. Januar 2005

Ein halbes Jahr nach dem Tod von Soul-Legende von Ray Charles kommt nun seine Biographie in die Kinos - und lässt einen neuen Star strahlen: Hauptdarsteller Jamie Foxx.

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Ray Charles: Der Echte?Bild: 2004 Universal Studios

Fünfzehn Jahre brauchte Regisseur Taylor Hackford, um das Budget für seinen Film über Ray Charles zusammenzubringen. Keines der großen Hollywood-Studios wollte die Produktionskosten von 40 Millionen Dollar finanzieren - "Biopics" gelten als Kassengift, zumal wenn ein Schwarzer im Mittelpunkt stehen soll. Schließlich konnte der milliardenschwere Bauunternehmer und Ray-Charles-Fan Phillip Anschutz als alternativer Geldgeber gewonnen werden - ausgerechnet für einen Film, indem sein Idol als drogensüchtiger Schwerenöter portraitiert wird. Nun galt es noch den für seine Wutanfälle berüchtigten Charles von dem Hauptdarsteller zu überzeugen…

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Kinofilm " Ray", Filmplakat

Hackfords Mühen haben sich letztendlich gelohnt: Die Produktionskosten sind schon locker wieder eingespielt, dem im Sommer 2004 verstorbenen Charles schuf er ein so fulminates wie schwärmerisches Denkmal - und dem Hauptdarsteller Jamie Foxx dürfte die Oscar-Nominierung für die beste männliche Hauptrolle sicher sein.

Training mit Kontaktlinsen

Der 37-Jährige trifft Charles ("Georgia on my mind") in Mimik, Sprache und Gestik so perfekt, dass er der eigentliche Star des Films ist. Über ein Jahr bereitete sich Foxx auf die Rolle vor. Der ausgebildete Pianist nahm 15 Kilo ab und lebte wochenlang mit Hilfe spezieller Kontaktlinsen als Blinder. Foxx schafft es, seine Darstellung nie ins Parodistische abrutschten zu lassen. Nicht leicht bei Ray Charles, dessen manierierte Bewegungen auf der Bühne noch jeder Musikfan vor Augen hat - vom extremen Hohlkreuz, bis zum Blick ins imaginäres Licht, dem Armrudern und dem siegessicheren Grinsen.

"Er ist es!"

Charles scheint, so geht die Sage, diese Gabe von Jamie Foxx gefühlt zu haben. Als dem Künstler der mögliche Hauptdarsteller vorgeführt wurde, setzten sich die beiden erstmal ans Klavier - und jammten zweihändig über mehrere Stunden, ehe Charles aufsprang und rief: "Er ist es! Er kann es schaffen!"

Es gegen alle Widerstände zu schaffen war das große, uramerikanische Motto im Leben des Ray Charles - des Schwarzen, der aus ärmsten Verhältnissen im amerikanischen Süden kam. Dessen jüngerer Bruder vor seinen Augen im Waschzuber ertrank (im Film das Urtrauma, von dem Charles immer wieder zu Drogen, Frauen und dem Klavier flüchtet). Der mit acht Jahren erblindete und mit 15 Vollwaise war - und es aus der Blindenmusikschule zunächst auf die Bühne und schließlich zu einer amerikanischen Legende schaffte.

Drogen, Diskriminierung und Promiskuität

Regieroutinier Hackford ("Ein Offizier und Gentleman") konzentriert sich in seinem Film auf die wilden (und interessanten) Schaffensjahre - die Phase, die von Drogen, Diskriminierung, Promiskuität und musikalischen Geniestreichen geprägt waren. Charles erfand den Soul, indem er den Blues und Gospel zusammenbrachte oder aus "Gospelliedern Brunftgesänge" machte, wie "Der Spiegel" schrieb. Immer deutlicher kommt dabei aber neben dem Genie auch das Ekel zum Vorschein: Über 17 Jahre war Charles schwer heroinabhängig - und verleugnete dies stets. Seinen beiden Ehefrauen war er ein notorischer Betrüger, der es schließlich auf zwölf Kindern von sieben Frauen brachte. Bei Geschäften war er knallhart auf den eigenen Vorteil aus und nahm dabei auch keine Rücksicht auf alte Freunde. Als einer der ganz wenigen schwarzen Künstler spielte er im Südafrika der Apartheid - und bei der Amtseinführung von Ronald Reagan.

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Charles im Gefängnis - wegen DrogensBild: 2004 Universal Studios

Gerade weil Hackford sich nicht vor den Ecken und Kanten drückt, ist eine - nicht nur musikalisch - mitreißende Huldigung des legendären "Bruder Ray" gelungen - die aber auch ordentlich schwülstig ist. Ganz am Ende nimmt der Film dem versöhnlichen Ende zuliebe die große Wende zum Guten. Der geläuterte Charles bekommt die moralische Absolution. Es scheint dem echten Ray gefallen zu haben: Kurz vor seinem Tod konnte der Sänger noch eine Rohfassung des Films sehen. "Taylor, I'm very pleased", soll Charles gesagt haben. "I'm very happy".