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"Minenfeld Balkan"

20. Januar 2010

In deutschen Buchhandlungen liegt ein Buch mit dem alarmierenden Titel "Minenfeld Balkan" aus. Die Autoren thematisieren organisierte Kriminalität, interethnische Spannungen und die Gefahr neuer territorialer Spaltungen.

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Olaf Ihlau, Ko-Autor des Buches: "Minenfeld Balkan, Der unruhige Hinterhof Europas". Zweiter Autor ist Walter Mayr. (Foto: DW)
Olaf Ihlau warnt vor neuen Konflikten im "unruhigen Hinterhof Europas"Bild: Selma Filipovic

Europa sei weiterhin gefordert sich auf dem Balkan zu engagieren, allein schon aus eigenem Interesse, sagt Olaf Ihlau, einer der zwei Autoren: "In Europa wird es keinen Frieden geben, solange der Balkan nicht in die EU integriert ist." Damit möchten Ihlau und der Balkanexperte und Journalist Walter Mayr vor allem eine Nachricht ans deutsche Publikum senden.

Sie betonen, dass die Lage besonders in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo dramatisch sei. Ihlau sagt: "Dies sind die beiden großen schwarzen Löcher auf dem Balkan, die wirtschaftlich und verwaltungstechnisch von der internationalen Gemeinschaft abhängen und noch lange nicht auf eigenen Beinen stehen werden."

Kommt es zu Großalbanien?

Ein Kind lugt am 12.9.1999 durch den Spalt in einer blauen Metalltür nahe der Brücke, die den albanischen vom serbischen Teil der Stadt Mitrovica teilt. Französische Kfor-Soldaten waren mit Aufräumarbeiten auf der Brücke beschäftigt, wo es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Albanern und Serben gekommen war. (Foto: dpa)
Stellen Albaner auf dem Balkan bald die Bevölkerungsmehrheit?Bild: picture-alliance / dpa

Europa habe falsch gehandelt, als es den jungen Menschen vom Balkan Jahrzehnte lang den Zutritt in die EU verwerte. Auch "die Frage der Unabhängigkeit des Kosovo hätte anders gelöst werden müssen", meint Ihlau. Die Europäer hätten sich mit der neuen demokratischen Regierung in Belgrad einigen und dem Kosovo statt der Unabhängigkeit größere Autonomie gewähren müssen.

Allerdings zeichne sich durch das demographische Wachstum im Kosovo ein Migrationsdruck in andere Staaten der Region ab: "Die Albaner werden in zwei Generationen die bevölkerungsreichste Volksgruppe auf dem Westbalkan sein und nicht mehr die Serben," prognostiziert Ihlau. Dabei vernachlässigt er allerdings, dass im benachbarten Albanien seit Ende des Kommunismus die Geburtenraten deutlich zurückgehen.

Daher kommt er zum Schluss, dass die Albaner zwar derzeit politisch noch keine groß-albanische staatliche Vereinigung anstreben, dass dies sich aber ändern könne, sobald eine Überbevölkerung eintritt: "Albanien und Kosovo würden sich vereinigen wollen. Ihnen anschließen würden sich auch die Albaner in Mazedonien, die ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, und die Albaner in Montenegro sowie die aus dem Presevo-Tal in Südserbien. Das ist ein Pulverfass – eine neue große Gefahr, die auf dem Balkan droht“, fürchtet Ihlau.

Kann Bosnien-Herzegowina weiterbestehen?

Eine Karte des Westbalkan, im Zentrum Bosnien und Herzegovina (Grafik: DW)
Kommt es zu neuen Zerfallsprozessen?Bild: DW

Einen Zerfall prognostiziert er hingegen für Bosnien und Herzegowina. Die Serben in diesem Land würden niemals eine "Vorherrschaft" der muslimischen Bosniaken und Kroaten zulassen. Sollte der Regierungschef der Serben-Republik Milorad Dodik seine Drohung wahrmachen und ein Referendum über die Loslösung von Rest-Bosnien durchführen könnte der Gesamtstaat dem kaum widerstehen. Er befürchtet, die bosnischen Serben könnten sich Serbien, die Kroaten Kroatien anschließen.

Im Zentrum des Landes, um Sarajevo herum, würde dann eine islamische Mini-Republik geschaffen, so Ihlaus Szenario. Dies sei das zweite Pulverfass auf dem Balkan. Zwar sei es eine "Tatsache, dass die bosnischen Muslime gemäßigt sind", aber während des Krieges seien "radikale arabische Muslime" ins Land gekommen, die versuchen, "wie überall auf der Welt, die gemäßigten Muslime zu beeinflussen."

Ihlau prophezeit eine Radikalisierung junger Bosnier, gleich welcher Ethnie sie angehören, wenn ihnen die Grenzen nach Europa weiterhin versperrt bleiben. Diese Gefahr sei umso größer in Ermangelung von Arbeitsplätzen und Berufsperspektiven. Der Westbalkan brauche deshalb auch weiterhin die Hilfe Europas, auch wenn die Öffentlichkeit in der EU des Balkans und der dortigen Konflikte "überdrüssig" sei. Eben dies zu ändern, und die Aufmerksamkeit Berlins wieder auf diese Region zu lenken, sei auch das Ziel der Veröffentllichung gewesen, geben die Autoren freimütig zu.

Autorinnen: Selma Filipović / Mirjana Dikić

Redaktion: Fabian Schmidt