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Den letzten Weg leichter machen

5. November 2015

Schwerstkranke und Sterbende sollen künftig eine bessere pflegerische und medizinische Betreuung erhalten. Dazu beschloss der Bundestag ein neues Hospiz- und Palliativgesetz. Kritik kommt von den Sozialverbänden.

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Symbolbild Sterbehilfe: Ein Pfleger hält die Hand einer alten Frau (Foto: Rainer Jensen/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Mit dem von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorbereiteten Gesetz werden unter anderem die stationären Kinder- und Erwachsenen-Hospize und ambulante Hospizdienste finanziell stärker gefördert. So sollen die Krankenkassen ab 2016 ihre Ausgaben für die Palliativmedizin und Hospizversorgung um ein Drittel erhöhen. Der größte Teil von zusätzlich 200 Millionen Euro pro Jahr fließt in die Finanzierung der mehr als 200 Hospiz sowie in die rund 1500 ambulanten Hospizdienste und Palliativstationen. Bislang gibt Deutschland pro Jahr rund 400 Millionen Euro für diesen Bereich aus.

Zudem sieht das Gesetz vor, dass Hospize künftig 95 statt 90 Prozent der zuschussfähigen Kosten von den Kassen erstattet bekommen. Zugleich wird der Tagessatz für bisher unterdurchschnittlich finanzierte Hospize erhöht. Ärzte, die palliativmedizinisch tätig sind oder werden wollen, können mehr Honorar und Weiterbildungen abrechnen. Ambulante Hospizdienste bekommen mehr finanziellen Spielraum. Sie können künftig sie auch Sachkosten und die Trauerbegleitung von Angehörigen abrechnen.

Gröhe: Sterbebegleitung ist ein Gebot der Menschlichkeit

Alten- und Pflegeheime müssen außerdem sicherstellen, dass ihre Bewohner Palliativmedizin in Anspruch nehmen können. Sie werden zur Zusammenarbeit mit ambulanten Hospizdiensten und Ärzten verpflichtet. Pflegekräfte sollen für die Sterbebegleitung geschult werden, Heimbewohner aber auch auf eigenen Wunsch in Hospize verlegt werden können. Bisher geht das nicht. Auch haben künftig alle Versicherten bei ihrer Krankenkasse einen Anspruch auf eine Einzelberatung über die oft wenig bekannten Palliativ-Angebote.

Ziel des neuen Gesetztes sei es, "kranke Menschen intensiver zu versorgen und in der letzten Lebensphase individueller betreuen zu können", sagte Bundesgesundheitsminister Gröhe und betonte: "Schwerkranken Menschen Hilfe im Sterben zu bieten, ist ein Gebot der Menschlichkeit." Man könne den Menschen nicht die Angst vor dem Sterben nehmen. Unerträglicher Schmerz und Einsamkeit in der letzten Lebensphase müssten aber nicht sein.

Opposition und Sozialverbände kritsieren Gesetz als unzureichend

Bundesgesundheitsminister Gröhe spricht im Bundestag (Foto: Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)
Bundesgesundheitsminister Gröhe spricht im BundestagBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Im Bundestag stimmten die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Grünen einhellig für den Gesetzentwurf von Gröhe, nur die Linke enthielt sich. Die Linke-Abgeordnete Pia Zimmermann kritisierte, grundlegende Ungerechtigkeiten und Leerstellen blieben bestehen. Sozialverbände bemängelten, dass das Gesetz dort am wenigsten bewirkt, wo die meisten Menschen sterben - in Pflegeheimen und auf den normalen Stationen der Krankenhäuser.

Obwohl drei Viertel zu Hause bleiben wollen, sterben 40 Prozent der Menschen in einem Pflegeheim, fast jeder Zweite im Krankenhaus. Von rund 2.000 Kliniken haben aber nur 300 eine Palliativstation. Insgesamt sterben in Deutschland jedes Jahr zwischen 850.000 und 900.000 Menschen. Eine aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis, dass nur 30 Prozent vor dem Tod eine palliative Versorgung bekommen, 90 Prozent sie aber bräuchten.

Patientenschützer: Vorgaben können nicht umgesetzt werden

Das neue Gesetz lasse "die sterbenden Pflegeheim-Bewohner und die depressiv alten kranken Menschen im Stich", sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz Eugen Brysch. Es genüge nicht, sterbenden Pflegeheimbewohnern einen Wechsel ins Hospiz in Aussicht zu stellen. Dafür reichten die vorhandenen 2000 Hospizbetten auch gar nicht aus. Wenn das Hospiz- und Palliativgesetz Gröhes eine Antwort auf die Debatte um die Sterbehilfe sein sollte, sei sie unzureichen, so Brysch.

Im Zusammenhang mit der Sterbebegleitung und dem Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung steht die Entscheidung über die Sterbehilfe an diesem Freitag im Bundestag. Wie geht die Gesellschaft mit den sterbenden Menschen um, denen die Palliativmedizin in ihrem qualvollen Kampf gegen Schmerzen und Atemnöte nicht mehr helfen kann. Vier Gesetzentwürfe stehen zur Abstimmung. Einig sind sich die Angeordneten, dass geschäftsmäßige Sterbehilfe in Deutschland verhindert werden soll. Eine Parlamentariergruppe plädiert für die Möglichkeit einer ärztlich assistierten Selbsttötung. Gröhe ist dagegen. Er will, wie es der bisher aussichtsreichste Vorschlag vorsieht, geschäftsmäßige Sterbehilfe verbieten, es ansonsten bei den bisherigen Regelungen belassen.

ww/mak (AFP, epd, dpa, KNA)