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Neues Jahr, neue Preise

Karl Zawadzky 1. Januar 2007

Am 1. Januar erlebt Deutschland die größte Steuererhöhung seiner Geschichte: Die Mehrwertsteuer steigt von 16 auf 19 Prozent. Dadurch fließen 2007 wahrscheinlich 20 Milliarden Euro zusätzlich in öffentliche Kassen.

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Kassenbon mit markiertem Mehrwertsteuerausweis
An jedem Einkauf verdient der Staat mitBild: dpa - Bildfunk

Die Umsatzsteuer - Mehrwertsteuer genannt - ist vom Aufkommen her eine der bedeutendsten Steuern in Deutschland. 150 Milliarden Euro Mehrwertsteuer gehen pro Jahr bei den Finanzämtern ein: Kaum jemand kann sich der Zahlung entziehen. Sobald ein Kunde, also ein Endverbraucher etwas kauft, zahlt er Mehrwertsteuer. Unternehmen zahlen beim Einkaufen zwar auch Mehrwertsteuer, können sich die im Preis enthaltene Mehrwertsteuer aber als Vorsteuer vom Finanzamt zurückholen. Denn besteuert wird auf der Unternehmensseite in der Folge der Abzugsmöglichkeit der Vorsteuer immer nur die Differenz zwischen dem Einkaufs- und dem Verkaufspreis einer Ware, also der geschaffene Mehrwert. Deswegen auch der Name Mehrwertsteuer.

Lücken

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am 19. 5.2006 im Bundestag in Berlin, während das Parlament über die Erhöhung der Mehrwertsteuer berät
Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier im Mai 2006 bei parlamentarischen Beratungen zur MehrwertsteuerBild: AP

Die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs nutzen nicht nur ehrliche Kaufleute, sondern auch Betrüger. Beispielsweise indem sie sich die aus fingierten Geschäften tatsächlich gar nicht gezahlte Vorsteuer vom Finanzamt zurückerstatten lassen. Geschädigt wird der Staat auch durch die Schwarzarbeit, denn bei so manchem Auftrag an Handwerker kommt die Frage: Mit oder ohne Rechnung? Konkret bedeutet dies: Offiziell mit ausgewiesener Mehrwertsteuer auf der Rechnung oder in Schwarzarbeit bar auf die Hand - ohne Mehrwertsteuer. Mit jeder Anhebung der Mehrwertsteuer wird die Schwarzarbeit attraktiver. Dennoch sagt Bundesfinanzminister Peer Steinbrück: "Ich bleibe dabei, dass diese Mehrwertsteuererhöhung, auch wenn sie öffentlich umstritten ist, in der Ergänzung zu Ausgabenkürzungen, in der Ergänzung zu strukturellen Reformschritten, die die Bundesregierung vornehmen muss, in meinen Augen alternativlos ist."

Zur Freude von Politikern

Der Staat braucht das Geld. Das war immer der Hauptgrund bei Anhebungen dieser Steuer, zum Beispiel unter Bundeskanzler Helmut Kohl im Jahr 1998 von 15 auf 16 Prozent. Eine Erhöhung um einen Prozentpunkt führt bei den Finanzämtern zu Mehreinnahmen von 7 bis 8 Milliarden Euro, bei drei Prozentpunkten sind das über 20 Milliarden Euro mehr für den Staat. Wenn die Bundesregierung mit ihrer Mehrheit im Bundestag die Mehrwertsteuer anhebt, freuen sich auch die Finanzminister der Länder, denn fast die Hälfte des Aufkommens fließt den Haushalten der Länder zu.

Zwei Sätze

Das Umsatzsteuergesetz kennt zwei Steuersätze: Den allgemeinen Steuersatz von derzeit 16 und künftig 19 Prozent sowie den ermäßigten Satz von 7 Prozent. Der weitaus größte Teil der Umsätze unterliegt dem allgemeinen Steuersatz. Wer sich ein Auto, eine Hose oder einen Computer kauft, muss auf den Nettokaufpreis 16 Prozent Mehrwertsteuer entrichten. Daneben gibt es für bestimmte Waren zur Deckung des täglichen Bedarfs den ermäßigten Satz von 7 Prozent. Er gilt für Lebensmittel, für den öffentlichen Personennahverkehr, für Bücher und Zeitungen sowie für Kunstgegenstände.

Unscharfe Grenzen

Allerdings ist die Abgrenzung unscharf. So werden Käufe von Blumen und Tiernahrung mit dem halben Mehrwertsteuersatz begünstigt, während für Babywindeln - ohne Zweifel für Familien mit Kleinkindern ein wichtiger Posten des täglichen Bedarfs - der volle Satz erhoben wird. Für Zucht-, Nutz- und Schlachttiere gilt der ermäßigte Satz, für Hunde, Katzen und Kanarienvögel der volle Tarif. Im medizinischen Bereich werden Rollstühle, Prothesen, Hörgeräte, Herzschrittmacher, künstliche Gelenke und andere Implantate niedriger besteuert.

Hamsterkäufe

Wird die Mehrwertsteuer erhöht, führt das bei vielen Konsumenten zum Vorziehen geplanter Anschaffungen. Danach kommt es zu einem Einbruch des privaten Konsums. Nach etwa einem halben Jahr pendelt sich der private Verbrauch in etwa wieder auf seinem vorherigen Niveau ein - freilich auf einem durch die Mehrwertsteueranhebung erhöhten Preisniveau.