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Neun Jahre - ein Glücksfall

Alexander Kudascheff25. Juli 2007

Fast neun Jahre Brüssel. Fast neun Jahre Europaberichterstattung für DW-TV. Es waren fabelhafte, journalistisch fabelhafte Jahre. Es war alles dabei, was sich ein Korrespondent wünschen kann.

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Bild: DW

Zweimal haben die Deutschen die Geschäfte der EU geführt - einmal sehr männlich entschlossen Gerhard Schröder, jetzt sehr weiblich durchsetzungsfähig Angela Merkel. Drei Kommissionspräsidenten haben in diesen Jahren amtiert. Der Luxemburger Jaqcues Santer, der - Novum in der EU-Geschichte - gestürzt wurde, der Italiener Roman Prodi, unglücklich und ungeschickt auf dem Brüsseler Parkett, der den Weg zurück ins Amt des Premiers Italiens schaffte, und nun - zum ersten Mal - ein Portugiese, der sprachbegabte Barroso.

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Es wurde eine Grundrechte-Charta verabschiedet (geschrieben mehr oder weniger vom Deutschen Roman Herzog, früherer Verfassungsrechtler und Bundespräsident), eine Verfassung geschrieben - die in zwei Gründungsländern der alten EWG beim Volk durchfiel. Es gab mit dem EURO - eine historische Marke - eine Gemeinschaftswährung für bis jetzt 13 Länder der EU. Es gab zwei Erweiterungsrunden - die die EU von 15 auf 27 Mitglieder anwachsen ließ - und aus einer behaglichen Konsensrunde eine recht unübersichtliche Gemengelage entstehen ließ.

Die Europäer führten Krieg im Kosovo und dann in Afghanistan - und zerstritten sich über den Irakfeldzug von George W. Bush. Drei NATO-Generalsekretäre amtierten - Solana, Robertson und heute De Hoop Scheffer. Die NATO erlebte nach dem 11. September den Bündnisfall - zum ersten Mal in der Geschichte des größten Militärbündnisses der Welt. Russland sank und stieg wieder auf - von Jelzin zu Putin. In Frankreich erlebten wir die Götterdämmerung von Chirac, eine eher blamable Wiederwahl gegen den Rechtsextremen Le Pen - und dann den Triumph von Sarkozy, dem Sohn von Einwanderern.

Holland leidet unter dem Trauma von zwei politischen Morden - den ersten seit Jahrhunderten in den doch eher friedlichen Niederlanden. Spanien durchlitt ETA- und islamistischen Terrorismus, England "nur" islamistischen. Und ganz Europa befasst sich mit den Problemen der islamischen Parallelgesellschaften, mit Hasspredigern, zornigen jungen Männern und ihrer Bereitschaft zum heiligen Krieg, manchmal auch nur zum unheiligen Anzündeln von Autos in französischen Vorstädten.

Wie gesagt: neun Jahre Drama, Leidenschaft, Wechseln, Veränderung. Ein Glücksfall für einen politischen Korrespondenten. Ein Glücksfall für uns Auslands-"fernschreiber". Nun ist die Zeit vorbei - es geht nach Berlin. Mal sehen, wie es da wird.