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Nicht gerade pflegeleicht

28. Januar 2005

Er ist Ausländer, Exzentriker, bekennender Fußball-Phobiker - und nun der offizielle Kulturzampano für die WM 2006: André Heller. Der Mann hat nun viel vor - und einiges gibt es sogar schon.

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Der Fußball Globus in FrankfurtBild: AP

André Heller war als Leiter des Kulturprogramms für die WM 2006 wahrlich kein nahe liegender Kandidat. Heller selbst findet es "mutig, einen nicht gerade pflegeleichten, exzentrischen Ausländer wie mich" zu verpflichten. Das darf man nicht als Koketterie abtun: In der Tat gab es Zeiten, wo der Österreicher, berühmt für seine farbenprächtigen, immer auch süffigen Zirkus- und Theaterinszenierungen, sehr weit von einer Faszination für Fußball entfernt war. "Banausendepp" nennt er sich noch heute, wenn es ums runde Leder geht.

21_11_03_Fragebogen.jpg Fragebogen 21_11_03 Andre Heller
André Heller

Für das Kulturprogramm ist nicht der nur –zumindest in der Vor-Klinsmann Zeit- eher provinzielle Deutsche Fußball Bund (DFB), sondern das Bundesinnenministerium verantwortlich. Immerhin 30 Millionen Euro ist der Bundesregierung die WM-Kultur wert. Heller betont, dass Innenminister Otto Schily persönlich ihn angeworben und gebeten habe, die PR-Chance Fußballweltmeisterschaft nicht durch Kleindenkerei zu vertun.

Godard, Eno, Baselitz

Worte, die Heller offensichtlich sehr gern hörte. Hier waren Visionen gefragt, und welcher Künstler sieht sich nicht gern als Visionär? Heller übernahm den Job für "ein eher symbolisches Gehalt", wie er meint. Und Heller legte los: Projekte aus Literatur, Musik, Film und den schönen Künsten sind schon realisiert oder zumindest auf dem Weg dazu. Einige klingen durchaus spektakulär: Regisseur Jean-Luc Godard will bei Fußballübertragungen Regie führen – sie sollen parallel zu den "normalen" laufen. Hellers alter Freund Brian Eno soll die musikalische Gesamtleitung übernehmen, Literaturnobelpreisträger (und Fußballnarr) Günther Grass nach Hellers Willen in Diskussionsrunden etwa mit Peter Handke die Spiele kulturell einzuordnen helfen. Malerfürst Georg Baselitz soll die WM-Plakate entwerfen.

Davon ist offiziell noch nichts in trockenen Tüchern, aber man darf davon ausgehen, dass Heller noch andere Überraschungen im Köcher hat. Wie etwa bei der Eröffnungsfeier in Berlin. Heller möchte dort mit 25.000 Tänzern, Musikern und Akrobaten ein gigantisches Spektakel inszenieren, das nebenbei auch noch endgültig den nationalsozialistischen Geist des Olympia-Stadions exorzieren soll.

Globus in Berlin
Globus in Berlin Foto: Siegfried LaydaBild: Siegfried Layda

Einiges ist nun, mehr als ein Jahr vor der WM, auch schon gelaufen. Schließlich gehört es auch zu einem der Vorgaben für die Kulturstiftung, die Deutschen auf das Großereignis einzustimmen. Der Fußball-Globus etwa tourt zurzeit durch die WM-Spielorte. Im mobilen Fußballkulturzentrum geht es zwar auch zeitgemäß interaktiv, aber zum größten Teil doch bewusst traditionell zu. Es gibt Dichterlesungen, kleine Konzerte und große Kunst, bei Podiumsgesprächen wird diskutiert und gestritten. Vom Goethe-Institut ist eine Magnum-Fotoausstellung zum Thema -Überraschung- Fußball organisiert.

Hochzeit von Muskel und Geist...

Es geht aber auch deutlich elitärer: In einem "Forum der Welt-Literaturen" sollen in einzelnen "Trainingseinheiten" Welt-Fußball und Welt-Literatur miteinander in Berührung gebracht werden. Bisher gaben in den Kolloquien Imre Kertész, Herta Müller, Tankred Dorst, Claudio Magris, Christoph Ransmayr und Robert Schindel ihr Bestes. Der normalerweise eher fußballferne deutsch-französische Kultursender ARTE ist offizieller Kulturpartner geworden - und hat sogar einige der begehrten Senderechte für die WM bekommen.

"Öffentlichen, ästhetischen und analytischen Diskurs"

Harald Szeemann, ehemaliger Kurator der Bienale in Venedig, will mit dem Projekt "Rundlederwelten" ,na was wohl, die Beziehung zwischen Fußball und moderner Kunst betrachten. Das Ausstellungskonzept folgt der Idee einer "Hochzeit von Muskel und Geist". Das Auge des Betrachters soll für einen "subjektiven aber auch öffentlichen, ästhetischen wie analytischen Diskurs zur Alltagskultur Fußball" geschult werden, wie es so offiziell wie kryptisch von der Kulturstiftung heißt. Ob solch hohes Anliegen auch zu einer Hochzeit von Heller und Fankurven führt wird? Heller ist das relativ egal. Er wolle eben "keinen Musikantenstadl" machen. Und vor allem: "Mein Sohn soll sich nicht für seinen Vater genieren müssen." (sams)