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Nicht nur Wintermärchen

7. Januar 2010

Schnee und Kälte haben große Teile der Nordhalbkugel im Griff. Was Wintersportler begeistert, sorgt aber auch für Chaos und Tod. In Deutschland sind neun, in Indien schon über 100 Menschen erfroren.

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Spazierer flanieren durch den winterlichen Schlosspark in Herten (Foto: AP)
Die malerische Seite des WintersBild: AP

Zugefrorene Bäche, Schnee wie Zuckerwatte auf den Ästen der Bäume: Die Schneefälle der vergangenen Tage haben das Land in eine Bilderbuchlandschaft verwandelt. Zum Wochenende soll das Tief mit Namen "Daisy" Deutschland noch viel mehr Schnee bringen – örtlich über 40 Zentimeter.

Die Temperaturen fielen auch am Donnerstag (07.01.2010) in vielen Regionen auf deutlich unter zehn Grad Minus. Der Kälte sind in Deutschland in diesem Winter bislang mindestens neun Obdachlose zum Opfer gefallen. Die sogenannten "Kältetoten" wurden nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe zumeist in kleinen und mittleren Städten aufgefunden. Die Dachorganisation der Einrichtungen und sozialen Dienste für Wohnsitzlose erklärt dies damit, dass es bisher nur in den großen Städten "Kältebusse" und ähnliche Dienste gibt. Die Wohnungslosenhilfe forderte indes die Öffnung von U-Bahnstationen und Bahnhöfen sowie bessere Obdachlosenasyle - sonst drohen noch mehr Tote.

Infrastruktur ächzt unter der Kälte

Stau auf der winterlichen A8 (Foto: dpa)
Die Berufspendler in Deutschland leiden unter der KälteBild: picture alliance / dpa

Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland leidet ebenfalls unter der Kältewelle: In vielen Gemeinden wird das Streusalz knapp. Zudem platzen in vielen Regionen Deutschlands ob der Kälte die Straßendecken auf – sehr zum Ärger der klammen Kommunen, von denen einige nicht wissen, wie sie die anstehenden Straßensanierungen finanzieren sollen.

Gleich zwei Zugunglücke innerhalb von zwei Tagen auf der derselben Fernstrecke in Nordrhein-Westfalen haben auch der Bahn Winterchaos beschert. Die Entgleisungen mehrerer Waggons - erst im Münsterland und dann im kaum hundert Kilometer entfernten Ostwestfalen - führten zu Streckensperrungen, Zugausfällen und Verspätungen. Auch in den nächsten Tagen droht Ungemach, denn die Reparaturarbeiten gestalten sich wegen den Minusgraden äußerst schwierig.

England friert

Betroffen von der Kältewelle sind großte Teil Europas. Großbritannien erlebt gerade den kältesten Winter seit 1981. Es liegt bis zu einem halben Meter Schnee. Bis zu 1000 Autofahrer saßen bei Hampshire in Südengland in den Schneemassen fest, einige mussten in ihrem Fahrzeug übernachten. Mehrere Airports - darunter London Gatwick, Bristol und Exeter - mussten zeitweise ihren Betrieb einstellen. Auch in London Heathrow wurden Verspätungen und Ausfälle erwartet. Pkw-Fahrer strandeten auf Autobahnen. Tausende Schulen blieben erneut geschlossen. Die Krankenhäuser bereiteten Notfallpläne vor. Im Eurostar-Verkehr unter dem Ärmelkanal fielen erneut Züge aus.

Schuld an den Schneemassen habe dieses Mal eine Kaltfront aus Sibirien, sagte ein Sprecher des britischen Wetterdienstes. Die weitgehend trockene Kälte lade sich "über der Nordsee mit Feuchtigkeit auf" und lade sie dann über England "in Form von Schnee" wieder ab. Wie in vielen anderen Büros klagte auch der Wetterdienst am Mittwoch über Personalmangel - ein großer Teil der Beschäftigten konnte wegen Schnees und Glatteis nicht zur Arbeit kommen.

China rationiert den Strom

Nach den niedrigsten Temperaturen seit Jahrzehnten wurde in China Strom rationiert und teilweise sogar abgestellt. Über die chinesische Hauptstadt Peking hat sich nach einem anhaltenden Schneefall eine rund 35 Zentimeter dicke Schneeschicht gelegt - so viel wie seit 60 Jahren nicht. Auch hier gibt es Chaos: Am Pekinger Flughafen saßen tausende Reisende fest. Auch in Seoul und anderen Teilen Südkoreas haben die stärksten Schneefälle seit mehr als 70 Jahren den Verkehr weitgehend lahmgelegt.

Schneeskulpturen bei einem Schneefestival in China (Foto: AP)
Einige Chinesen nutzen den heftigen Schneefall zu kreativen SpielereienBild: AP

In Indien hat die Kälte mindestens 100 Menschenleben gefordert - vor allem Obdachlose in den nördlichen und östlichen Regionen des Landes einschließlich der Hauptstadt Neu Delhi. Die Temperaturen liegen um den Gefrierpunkt – zu kalt für Menschen, die ohne ausreichend Kleidung im Freien übernachten müssen.

Leguane fallen erstarrt von den Bäumen

Neuengland an der Westküste der USA ächzt schon seit Wochen unter einer stetig zunehmenden Schneedecke. Temperaturen bis zu 18 Grad unter der Gefriermarke erschüttern aber auch den Süden der USA: Seit dem Wochenende erfroren im Bundesstaat Tennessee vier Menschen und in den Staaten Mississippi und South Carolina jeweils einer, wie die Behörden am späten Mittwoch abend mitteilten. Unter den Toten ist ein Alzheimer-Patient, der vor seinem Haus in der Country- and Westernhochburg Nashville hilflos umherirrte. Ein Obdachloser wurde in einem Zelt in South Carolina tot aufgefunden. In Florida versuchen Farmer, Gemüse und Zitrusfrüchten vor der Kältewelle zu retten. Unter der eisigen Kälte leiden auch die Tiere: In einigen Regionen der USA war es so kalt, dass Leguane erstarrt von den Bäumen fielen.

Autor: Marcus Bölz (mit AP,dpa)

Redaktion: Oliver Samson