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Politik

Nigeria: Buharis größte Baustellen

Christine Harjes
14. Oktober 2016

Terror, Wirtschaftskrise, Korruption - Nigerias Präsident Muhammadu Buhari hatte auf seiner Reise nach Berlin viele Sorgen im Gepäck. Was sind die fünf größten Herausforderungen für Buhari? Ein Überblick.

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Nigeria Abuja Präsident Muhammadu Buhari
Bild: picture-alliance/dpa/W. Krumm

1. Die islamistische Terrorgruppe Boko Haram

Er wolle Boko Haram "zerschlagen" -  das hat er versprochen. Was ist aus Buharis Plänen seit seiner Wahl im März 2015 geworden? Buhari konnte den Einfluss der Terrormiliz zwar massiv einschränken. Aber obwohl der Präsident im Dezember 2015 verkündete, Boko Haram sei "technisch besiegt", verüben die Islamisten weiter Anschläge und Überfälle. Erst am Mittwoch soll die Terrorgruppe wieder für einen Anschlag mit acht Toten in Maiduguri verantwortlich gewesen sein.

Noch unklar sind die Umstände der Freilassung von 21 der "Chibok-Mädchen" am Donnerstag. Aus lokalen Quellen hieß es, die Mädchen seien gegen gefangene Boko-Haram-Kämpfer ausgetauscht worden. Nigerias Regierung streitet das ab. Vor mehr als zwei Jahren hatte Boko Haram 276 nigerianische Schülerinnen in Chibok entführt. Die Mädchen wurden zum Symbol des Boko-Haram-Terrors. Obwohl es Buhari gelang, breite Landstriche von Boko Haram zurückzugewinnen, steht er in der Kritik, weil er die meisten Mädchen bisher nicht befreien konnte.

Im Nordosten des Landes erwartet die Bevölkerung wegen Boko Haram noch mehr Elend. Die nigerianische Armee hat in Borno - dem am stärksten betroffenen Bundesstaat - ihre ganz eigene Strategie im Kampf gegen Boko Haram: Sie will die Terrorgruppe aushungern, aber darunter leidet die gesamte Bevölkerung in Borno. UNICEF-Mitarbeiter sprechen von der derzeit schlimmsten Hungersituation der Welt. Mehr als drei Millionen Menschen sind in der Region aus ihrer Heimat vertrieben worden, Hilfsorganisationen erreichen viele Flüchtlingscamps nur per Helikopter - die Straßen sind zu unsicher. Mitarbeiter von Oxfam werfen der Armee vor, die Region sich selbst zu überlassen, anstatt die Zufahrtswege für die Hilfsorganisationen zu sichern.

Nigeria Flüchtlingslager Flüchtlinge Kinder
Flüchtlinge in Maiduguri in Nordost-NigeriaBild: DW/S. Ciochina

2. Wirtschaft im Abschwung 

Der Kampf gegen Boko Haram kostet Buhari viel Geld - und das geht Nigeria zurzeit aus. Seit Mitte 2014 ist der Ölpreis um die Hälfte gefallen. Gleichzeitig ist die Ölproduktion wegen ständiger Sabotage durch Rebellen im Niger-Delta - Buharis nächstes Problem - massiv gesunken. Obwohl Nigeria weltweit der achtgrößte Ölproduzent ist, muss das Land Benzin importieren. Die nigerianischen Raffinerien sind komplett marode. Die Inflation liegt bei knapp 18 Prozent - so hoch wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr.

Probleme bereitet der Industrie auch die Stromversorgung. Nigeria produziert nur fünf Prozent seines Stroms selbst; die Versorgung fällt ständig über Stunden aus - selbst in der Hauptstadt Abuja. Der Internationale Währungsfonds rechnet für dieses Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaft um zwei Prozent. 2014 konnte Nigeria noch mit einem Wachstum von fast sieben Prozent glänzen.

Das Land leidet unter seiner Ölabhängigkeit und müsste seine Wirtschaft dringend diversifizieren. Das hat Buhari zwar versprochen, er will in Landwirtschaft und Infrastruktur investieren. Woher das Geld allerdings kommen soll, ist unklar.

3. Rebellengruppen im Nigerdelta

Seit Beginn des Jahres kämpft Buhari an einer neuen Front: Die Niger Delta Avengers (NDA), die "Rächer des Nigerdeltas" verüben im ölreichen Süden des Landes immer wieder Anschläge gegen die Infrastruktur der großen Ölfirmen. Die Rebellengruppe hat angekündigt, die Ölproduktion in Nigeria zum Stillstand zu bringen. Schon jetzt haben die Anschläge die Ölproduktion von geplanten 2,2 Millionen Barrel auf 1,4 Millionen Barrel pro Tag reduziert. Das nigerianische Militär spricht von "Wirtschaftsterroristen" und geht mit Kampfjets und Kanonenbooten gegen die Rebellen vor. Die NDA fordern eine gerechtere Verteilung der Einnahmen aus dem Ölgeschäft und drohen mit einer Unabhängigkeitserklärung der Region Biafra. Der Konflikt ist nicht neu: Der Biafra-Krieg kostete zwischen 1967 bis 1970 fast zwei Millionen Menschen das Leben. Auch damals wollte die Region von Nigeria unabhängig werden.

Karte Biafra Nigeria
Bild: DW

4. Korruption und Vetternwirtschaft

Die weitverbreitete Korruption in Nigeria behindert die Entwicklung des Landes zusätzlich. Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International sah Nigeria 2015 im internationalen Vergleich auf Platz 136 von 168 Ländern. Buhari geht zwar hart gegen vermeintliche Drahtzieher von Korruptionsfällen vor. Erst vergangenes Wochenende haben Sicherheitskräfte sechs hohe Richter verhaftet und 800.000 US-Dollar konfisziert. Menschenrechtsaktivisten und Anwälte werfen Buhari aber vor, der Einsatz sei militärisch und damit nicht verfassungsgemäß und demokratisch gewesen.

Gegenwind bekommt Buhari auch aktuell von seiner eigenen Frau: Aisha Buhari sagte in einem Interview mit der BBC, wichtige Positionen in der Regierungspartei seien nur aufgrund guter Beziehungen vergeben worden. Sie werde ihren Mann unter diesen Umständen nicht mehr im Wahlkampf unterstützen.

Nigeria Plakate und Aufkleber gegen Korruption
Buhari hatte schon bei Amtsantritt den Kampf gegen Korruption angekündigtBild: DW/K. Gänsler

5. Massaker an Schiiten

Etwa die Hälfte der rund 180 Millionen Nigerianer sind Muslime - die meisten davon Sunniten. Die Beziehungen zwischen der schiitischen Minderheit und der Regierung sind angespannt.

Amnesty International wirft dem nigerianischen Militär vor, im Dezember 350 Schiiten des "Islamic Movement" ermordet zu haben. Die Regierung behauptet, die Gruppe habe den Angriff provoziert; das Militär sagt, die Schiiten hätten versucht, den Armeeführer des Landes umzubringen. Menschenrechtsaktivisten halten beide Aussagen für unglaubwürdig.

Am Mittwoch kam es wieder zu gewalttätigen Übergriffen gegen Schiiten: Polizei und Mobs sollen die Gläubigen während einer religiösen Prozession angegriffen haben. Nach Angaben der schiitischen Gemeinschaft wurden mindestens 22 Menschen getötet. An mehreren Orten endeten Prozessionen zum schiitischen Aschura-Fest in Gewalt.