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Nigeria, ein sehr amerikanisches Basketball-Team

Lolade Adewuyi
19. Juli 2021

Beim olympischen Basketball-Turnier in Tokio zählt Nigeria zu den Medaillenkandidaten. Viele Spieler kommen aus den USA. Kritiker bezweifeln, dass diese Strategie den nigerianischen Basketball nachhaltig besser macht.

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Basketball: Nationalmannschaft, Herren, USA - Nigeria
Überraschend Erfolg: Anfang Juli besiegten Nigerias Basketballer erstmals das Team der USABild: picture alliance/dpa/AP

Eigentlich ist Fußball klar die Sportart Nummer eins in Nigeria, doch Basketball holt im Eiltempo auf. Nicht zuletzt, weil der Nationalmannschaft der Männer ein großer Coup gelang: Anfang Juli gewannen die "D'Tigers" als erstes afrikanisches Team überhaupt gegen die USA. Der überraschende 90:87-Erfolg gegen den Weltranglisten-Ersten in einem Freundschaftsspiel in Las Vegas war Balsam auf alte Wunden. Bei den Spielen 2012 in London hatten die Nigerianer beim 73:156 gegen das US-Team ihre bisher höchste Olympia-Niederlage kassiert.

Beim bevorstehenden olympischen Basketball-Turnier in Tokio trifft Nigeria in der Gruppe B auf Australien, Deutschland und Italien. Sollten die "Tiger" die Gruppenphase überstehen, wäre es eine Premiere für ein afrikanisches Team - auch wenn diese Mannschaft in Amerika geschmiedet wurde.

Die "US Connection" 

Unter der Leitung von Mike Brown, Co-Trainer des NBA-Klubs Golden State Warriors, hat Nigeria beim Aufbau seiner Basketball-Nationalmannschaft stark auf die amerikanische Diaspora zurückgegriffen. Im Olympia-Kader steht beispielsweise der Center des NBA-Klubs Detroit Pistons, Jahlil Okafor, ein ehemaliger U17- und U19-Spieler der USA. Zehn der 15 Spieler, die am letzten vorolympischen Trainingslager teilnahmen, wurden in den Vereinigten Staaten als Kinder nigerianischer Eltern geboren. Die übrigen fünf erblickten zwar in Nigeria das Licht der Welt, zogen später aber in die USA, nach Kanada oder Australien.

"Viele in den USA lebende nigerianische Eltern wollen, dass ihre Kinder für ihr Herkunftsland spielen, daher gibt es ein großes Interesse am nigerianischen Basketballprogramm", sagt Patrick Omo-Osagie der DW. Der ehemaliger nigerianische Jugendspieler arbeitet als Basketball-Schiedsrichter und Sportberater im US-Bundesstaat Texas. "Im Erfolgsfall werden werden mehr Spieler Nigeria als Chance betrachten, international Basketball zu spielen", glaubt Omo-Osagie.

Von der Afrobasket in die NBA

Über Jahrzehnte wurde Afrikas Basketball von Angola dominiert. Elfmal gewann das Land, das über eine starke heimische Liga verfügt, die Kontinentalmeisterschaft "Afrobasket". Nigeria dagegen hatte trotz seiner hohen Bevölkerungszahl lange Zeit Mühe, sich mit seinen afrikanischen Nachbarn zu messen - und das, obwohl das Land mit Hakeem Olajuwon einen der größten NBA-Stars der 1990er Jahre hervorbrachte. Weil Nigeria damals auf internationaler Basketball-Ebene keine großen Fortschritte machte, entschied sich Olajuwon, für das Team der USA zu spielen und gewann bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta Gold.

Basketball: Nationalmannschaft, Herren, USA - Nigeria
Das aktuelle Team Nigerias ist mit Spielern gespickt, die in den USA geboren wurdenBild: picture alliance/dpa/AP

In den 1980er und 1990er Jahren begann Nigeria, junge Spieler mit Basketball-Stipendien an US-Colleges zu schicken. Das zahlte sich 1995 mit Platz drei bei der Afrobasket erstmals aus. Doch es dauerte noch 20 weitere Jahre, bis Nigeria 2015 im Endspiel der Afrikameisterschaft Angola besiegte und damit den ersten internationalen Titel gewann.

Ligabetrieb in Nigeria ruht

Kritiker beklagen, dass Nigerias Basketball zu sehr auf in den USA geborene Sportler mit nigerianischen Wurzeln fixiert sei. Das beraube einheimische Athleten der Chance, ihr Land zu repräsentieren, sagte der frühere Kapitän des Nationalteams, Olumide Oyedeji, dem Radiosender "Nigeria Info FM": "Es ist kein Verbrechen, in Nigeria geboren zu sein." Der inzwischen 40 Jahre alte ehemalige Center bestritt in der NBA für die Seattle Supersonics und Orlando Magic insgesamt 93 Spiele und führte das Team Nigerias zu seiner ersten Olympiateilnahme 2012 und zum ersten Afrobasket-Titel 2015.

In Nigeria ruht derzeit der Spielbetrieb der ersten Männer-Liga - wegen eines Streits an der Spitze des nationalen Basketball-Verbands NBF. Der verteidigt die Strategie, vor allem auf ausländische Spieler mit nigerianischen Wurzeln zu setzen. "Die Aufgabe des Verbands ist es, das Spiel nach besten Kräften zu entwickeln und zu fördern. Nigerianer aus allen Teilen der Welt haben ein Recht darauf, das Land zu repräsentieren", sagt NBF-Vizepräsidentin Bas Ogunade. "Was in diesem Zusammenhang funktioniert, sind Talent und Kompetenz." Das Scheitern des besten nigerianischen Klubs Rivers Hoopers bei der Premiere der Basketball Africa League - vergleichbar etwa mit der Champions League im europäischen Fußball - im vergangenen Mai habe gezeigt, dass die in Nigeria aktiven Spieler nicht konkurrenzfähig seien, meint Ogunade.

Tunesien Tunis Afrobasket 2017 2. Platz Nigeria
Bei der Afrika-Meisterschaft 2017 belegte Nigeria Platz zwei hinter TunesienBild: picture-alliance/Zumapress/C. Mahjoub

"Der Mangel an professionellem Basketball in der heimischen Szene hat die Möglichkeiten für viele Spieler eingeschränkt, sich zu zeigen", sagt Bode Oguntuyi, Nigerias führender Basketball-Journalist. "Aber immerhin gibt es immer mehr ehemalige Spieler und Scouts, die Basketball-Camps organisieren, um dort die besten Spieler auszuwählen und sie dann an US-Colleges zu schicken."

Nachhaltiger Erfolg?

Die Zahl nigerianischer Basketballer im US-Basketball wächst. Beim letzten NBA-Draft 2020 wurden acht Spieler nigerianischer Abstammung von den Klubs ausgewählt. 19 weitere sind bereits in der besten Liga der Welt aktiv - auf allen Spielpositionen. Ob diese Entwicklung auch den nigerianischen Basketball nachhaltig erfolgreicher macht, muss sich zeigen. "Im Moment ist es in Mode, dass in den USA geborene Basketballer mit nigerianischen Wurzeln für Nigeria spielen. In der Zukunft könnte diese Begeisterung auch wieder nachlassen", warnt der in den USA lebende nigerianische Basketballexperte Omo-Osagie. "Irgendwann müssen wir ein gutes Programm zu Hause haben, damit wir das Team mit einheimischen Spielern ergänzen können. Ansonsten macht es auch keinen Sinn, einen nigerianischen Verband zu haben."

In Tokio wird zum dritten Mal in Folge eine nigerianische Basketball-Männermannschaft an den Start gehen. "Wir versprechen, dass unsere Spieler mit vollem Einsatz spielen und eine gute Figur abgeben werden", sagt NBF-Vizepräsidentin Ogunade und weist darauf hin, dass das Team die einzige afrikanische Mannschaft bei den olympischen Basketball-Wettbewerben der Männer und Frauen ist. "Jedes Spiel wird hart sein, wir werden kein Pardon geben und keines verlangen."

Adaption: Stefan Nestler