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Politik

Misstrauen in Zaria

Katrin Gänsler
14. Dezember 2016

Vor einem Jahr erschossen nigerianische Sicherheitskräfte 348 Schiiten in der Stadt Zaria. Die Gründe für das Blutbad sind noch immer nicht aufgeklärt. Der Staat zeigt weiter Härte. Das Misstrauen der Schiiten wächst.

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Nigeria Massaker in Zaria
Bild: DW/K. Gänsler

Muhammad Abdulhamid steht vor den Ruinen seiner ehemaligen Grundschule. Nur eine verlassene Schaukel und ein paar bunte Steine deuten darauf hin, dass sie hier einst gestanden hat. Ende November machten Bulldozer der Regierung des Bundesstaates Kaduna das Gebäude dem Erdboden gleich. Der 23-Jährige ist noch immer fassungslos. "Wir sind sehr ärgerlich über das Verhalten des Staates. Eine Schule ist doch ein Ort des Lernens. Wie kann man einen Ort zerstören, an dem unsere Generation Wissen erhält?", klagt er.

Abdulhamid hält die Zerstörung der Schule für einen weiteren Versuch, um die Islamische Bewegung Nigerias (IBN) zu vernichten. Die Schiiten-Gruppe aus dem Norden Nigerias geriet vor einem Jahr weltweit in die Schlagzeilen. Zwischen dem 12. und dem 14. Dezember 2015 töten nigerianische Sicherheitskräfte rund 348 IBN-Anhänger. Nach Armee-Angaben hatten sie eine Straße in Zaria blockiert und wollten niemanden passieren lassen.

Es gab auch Anschuldigungen, die Bewegung hätte Armeechef Tukur Buratai ermorden wollen. Falsch, sagt IBN-Führungsmitglied Abdulhamid Bello. "Jeder weiß: Seit unserer Gründung vor 40 Jahren gibt es keinen einzigen Beleg dafür, dass wir zu Waffen gegriffen hätten", so Bello.

Angst vor einem "neuen Monster"

Ein Kind sitzt auf einem Mauerrest, dahinter Wohnhäuser und ein Auto.
Vom Haus der Mutter des IBN-Anführers sind nur Reste geblieben.Bild: DW/K. Gänsler

Die Regierung von Kaduna sieht das anders. Sie hat die IBN gerade für gesetzwidrig erklärt. "Die Tatsache, dass die IBN einen militärischen Flügen hat und auch die Tatsache, dass sie Waffen haben, war ein Signal für uns", sagt Gouverneur Nasir Ahmad El-Rufai: "Wir mussten es im Keim ersticken, bevor es zum Monster wird."

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch macht hingegen in erster Linie den Behörden Vorwürfe. Die Armee-Angriffe auf die Schiiten im Dezember letzten Jahres seien ungerechtfertigt gewesen. Augenzeugen hätten angegeben, dass die Schiiten nicht zu den Waffen gegriffen hätten. Unverständlich ist auch, warum der Friedhof und das Haus der Mutter von IBN-Anführer Ibraheem Zakzaky zerstört wurden. Dort waren keine Straßen blockiert worden.

Unterstützung von christlicher Seite

Diese Fragen stellen sich auch christliche Vertreter. Zum Beispiel Pastor Yohanna Buru, der sich in Kaduna für ein friedliches Miteinander zwischen Christen und Muslimen einsetzt. Das Verhalten der Regierung gegenüber der schiitischen Bewegung hält er für völlig überzogen. "Nur wenn jemand Straßen blockiert, kann man sie noch nicht als Aufständische bezeichnen", sagt Buru. Er fordert auch, dass die Behörden mehr Beweise sammeln, um ihre Vorwürfe an die IBN zu belegen.

Tatsächlich wird der Islamischen Bewegung Nigerias oft vorgeworfen, sich nicht an staatliche Regeln zu halten. Zum Beispiel hat sie sich nie als religiöse Bewegung registrieren lassen. Dabei ist sie dazu gesetzlich verpflichtet. Das kritisiert wohl auch Gouverneur El-Rufai. "Wenn sie unsere Verfassungen und Gesetze akzeptieren und sich wie andere Gruppen daran halten, dann haben wir gar keine Probleme", so der Gouverneur.

Portraitfoto von Pastor Buru
Pastor Buru fordert einen Dialog mit den Schiiten.Bild: DW/K. Gänsler

Bewegung will sich nicht registrieren lassen

Doch für IBN-Vertreter Abdulhamid Bello kommt das nicht infrage. Er sagt, eine Registrierung würde die Arbeit der IBN zu sehr einschränken. Und: "Innerhalb der Bewegung gibt es aber Bereiche, die staatlich registriert sind. Unsere Schulen sind beispielsweise registriert."

Für einen Kompromiss mit der Regierung von Kaduna dürfte das jedoch nicht reichen. Bello hat den Glauben daran aufgegeben, dass sich bald etwas ändern wird. Einen Hoffnungsschimmer gab es zwar als Anfang Dezember. Der Oberste Gerichtshof erklärte, die Untersuchungshaft von IMN-Anführer Zakzaky sei unbegründet. Doch aus dem Gefängnis ist er noch immer nicht entlassen worden.