1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Keine Strom-Not

7. Februar 2012

Acht Atomkraftwerke sind nicht am Netz, in Deutschland ist es bitterkalt - und trotzdem haben die Deutschen genügend Strom. Um die Stromnetze auch in Zukunft stabil zu halten, müssen sie aber weiter ausgebaut werden.

https://p.dw.com/p/13yMV
Überland-Stromleitungen nahe dem nordhessischen Hofgeismar. (Foto: dpa)
Stromnetz noch nicht überfordertBild: picture-alliance/dpa

Die eisige Kälte hat Europa fest im Griff und belastet so manche Teile der Infrastruktur. Über mangelnden Strom können sich die Deutschen trotzdem nicht beschweren. Dabei hatten noch vor wenigen Monaten Gegner des Atomausstiegs, darunter die führenden Köpfe der großen Energiekonzerne wie RWE und Eon, ein anderes Szenario an die Wand gemalt. Nachdem im Frühjahr acht deutsche Atommeiler vom Netz genommen wurden, unkten sie: Deutschland sei künftig auf Stromimporte aus dem Ausland angewiesen, beispielsweise aus dem Atomland Frankreich, ansonsten drohe hierzulande ein Stromausfall - vor allem bei extremen Wetterlagen. "Im Winter werden wir uns nicht auf diese Helfer verlassen können", warnte Jürgen Grossmann, Vorstand bei der RWE. Eon-Chef Johannes Teyssen sagte voraus, dass die Stabilität der Netze in Gefahr geriete.

Mit der derzeitigen Kältewelle ist nun also der Ernstfall eingetreten. Allerdings sind die deutschen Netze trotz der Minusgrade bislang stabil. Ganz anders sieht es in Frankreich aus, dem größten Atomstromproduzenten in Europa. Die Franzosen werden bereits zum Energiesparen aufgerufen. Sie sollen möglichst keine elektrischen Haushaltsgeräte benutzen und Fernseher und Computer ganz ausschalten. Die Engpässe treten vor allem aus, weil viele ihre Wohnungen mit Strom heizen. Inzwischen muss Frankreich sogar Strom einführen.

Atomkraftwerk in Cattenom, Frankreich (Foto: dpa )
Trotz dem Unglück in Fukushima setzt Frankreich weiter auf AtomkraftBild: picture-alliance/dpa

Strom "Made in Germany" gefragt

Deutschland dagegen kann - trotz Abschaltung der acht Atomkraftwerke - Strom exportieren. So zeigt die tägliche Übersicht des Verbandes der europäischen Übertragungsnetzbetreiber Enso dass in diesen Tagen häufig Strom "Made in Germany" ins Ausland fließt. Und auch im vergangenen Jahr war Deutschland kein Stromimporteur, so das Ergebnis einer Studie für die Bundestagsfraktion der Grünen. Im gesamten Jahr seien unter Strich rund 6000 Gigawatt netto exportiert worden. Etwa drei Viertel der stillgelegten Kernkraftwerke seien durch entsprechende Strommengen im Inland ausgeglichen worden, davon auch ein guter Teil aus erneuerbaren Energien. Und deren Anteil am Strommix erhöhte sich nach Angaben des Bundesverbandes Energie und Wasserwirtschaft auf gut 20 Prozent.

"Die Lage ist angespannt, aber nicht kritisch", sagt eine Sprecherin des Netzbetreibers TenNet. Vor allem die vielen Photovoltaik-Anlagen im Süden der Deutschlands helfen das Stromangebot aufrecht zu erhalten. TenNet hatte vor gut zwei Jahren das 10.700 Kilometer lange Höchstspannungsnetz von Eon übernommen. Alle Kraftwerke seien am Netz und die Last sei nicht extrem hoch. Es müsste über einen längeren Zeitraum noch kälter sein und auch die Tagestemperaturen in den zweistelligen Minusbereich fallen, bevor Probleme entstünden, sagt Andreas Preuss, Sprecher des Netzbetreibers Amprion. Derzeit laufe das Geschäft aber normal und die Lage in den gut 12.000 Kilometer langen Höchstspannungsnetzen sei stabil. Auch bei der Bundesnetzagentur werden kältebedingt keine außergewöhnlichen Aktivitäten zur Netzstabilisierung festgestellt.

Stromleitungen (Foto: CC/Matti Frisk)
Die Temperaturen müssten noch mehr fallen bevor es Probleme gäbeBild: cc-by:Matti Frisk-nc-sa

Trotzdem: Netzausbau ist "Gebot der Stunde"

Obwohl die Stromnetze stabil sind, ist ein Ausbau erforderlich. Vor allem der größere Anteil an Energie aus erneuerbaren Quellen macht das nötig. Zum einen liefern Sonne und Wind nicht konstant Energie, zum anderen sind die Ökoanlangen auch noch sehr sensibel und schalten sich automatisch um, wenn die Frequenz im Netz bestimmte Schwellenwerte über- oder unterschreitet. Das erfordert einen hohen Regelungsbedarf, denn im Netz muss die erzeugte und nachgefragte Strommenge immer gleich groß sein.

Wegen der starken Schwankungen in der Stromproduktion sucht sich der in Deutschland erzeugte Strom zum Teil schon den Weg über Netze der Nachbarländer. Vor allem Stromautobahnen zwischen Nord- und Süddeutschland fehlen. Wenn der Wind dann mal stark weht, kann es passieren, dass der Strom aus Deutschland über Polen, Tschechien und Österreich und dann wieder in den Süden Deutschlands fließt. Die Nachbarländer sind von diesem Zufluss wenig begeistert, belastet der doch ihre eigenen Netze. Außerdem kann es zu der paradoxen Situation kommen, dass vom Norden und Osten Strom zum Teil zu Schleuderpreisen ins Ausland exportiert werden muss, um das deutsche Netz zu entlasten, während der Süden auf die Stromhilfe aus Österreich angewiesen ist.

Offshore Windrad
In Norddeutschland entsteht besonders viel WindkraftBild: DW

Denn in besonders angespannten Situationen werden in Österreich an manchen Tagen alte Öl- und Gaskraftwerke angefahren, weil sonst ein Zusammenbruch an bestimmten Stellen des deutschen Netzes droht. Neben alten deutschen Kohle- und Gaskraftwerken gehören auch österreichische Kraftwerke zu der sogenannten Kaltreserve, die zur Überbrückung von Engpässen dienen soll. Zwar sei die Situation derzeit stabil und sicher, aber insgesamt sei das Netz am Rande seiner Belastbarkeit angekommen, stellt die Bundesnetzagentur in ihrem Monitoringbericht 2011 fest. Die Regulierungsbehörde sorge sich um die zunehmenden Eingriffe der Betreiber, die nötig sind. Und weil in den kommenden Jahren weitere Atommeiler vom Netz gehen werden, sei der Ausbau des Netzes das "Gebot der Stunde".

Gaskraftwerk (Foto: dpa)
In Notzeiten werden alte Öl- und Gaskraftwerke wieder angeschaltetBild: picture-alliance/dpa

Autor: Insa Wrede
Redaktion: Henrik Böhme