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Noch mehr Missbrauchsopfer im US-Turnen

1. Februar 2018

Der bereits verurteilte Ex-US-Teamarzt Larry Nassar soll noch mehr Frauen und Mädchen missbraucht haben. Bei einer erneuten Anhörung spricht das Gericht von 265 mutmaßlichen Opfern.

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USA Prozess Missbrauchsskandal Larry Nassar
Bild: picture-alliance/AP Photo/Lansing State Journal/M.D. Smith

Erschreckend genug war das Ausmaß des Missbrauchsskandals im US-Turnen schon bisher. Nun hat sich die Zahl der mutmaßlichen Opfer von Larry Nassar weiter erhöht.

Zu Beginn einer gerichtlichen Anhörung zur Länge einer weiteren Haftstrafe gegen Nassar sprach eine Richterin von mehr als 265 Opfern, mindestens 65 von ihnen seien bereit, gegen den ehemaligen US-Teamarzt auszusagen. Sie habe daher entschieden, Live-Übertragungen im Internet aus dem Gerichtssaal zu erlauben, damit alle Betroffenen das Verfahren verfolgen könnten.

Nassar wird ohnehin den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen. Eine andere Richterin im US-Bundesstaat Michigan hatte den 54-Jährigen, der über Jahre hinweg minderjährige Sportlerinnen sexuell missbraucht hatte, bereits vergangene Woche zu einer Haftstrafe von bis zu 175 Jahren verurteilt. Diese Verurteilung kam zu einer früheren Haftstrafe von 60 Jahren hinzu, zu der Nassar im Dezember wegen Besitzes von Kinderpornografie verurteilt worden war. In dem dritten Prozess in Charlotte könnten nun noch einmal mindestens 25 bis 40 Jahre Haft hinzukommen.

Späte Entschuldigung der Polizei

Die Polizei in Michigan gestand unterdessen früheres Versagen im Umgang mit Nassar ein - und zwar konkret im Fall des Missbrauchsopfers Brianne Randall-Gay. Als 17-Jährige war sie im Jahr 2004 bei dem Arzt wegen Rückenbeschwerden in Behandlung. Er betatschte sie an den Brüsten und versuchte, mit dem Finger in ihre Vagina einzudringen. Randall-Gay wandte sich daraufhin seinerzeit an die Polizei der Gemeinde Meridian Township. Dies blieb für Nassar aber ohne Folgen.

Der örtliche Polizeichef David Hall entschuldigte sich nun in einem Telefonat, dann bei einem persönlichen Treffen und schließlich auch auf einer Pressekonferenz bei Randall-Gay. "Wir wurden getäuscht", sagte er. Die Polizei in Meridian Township hatte Nassar damals zwar vernommen. Der Arzt stellte seine sexuellen Handlungen aber als wissenschaftliche fundierte Behandlungsmethode dar - womit sich die Polizei zufrieden gab.

"Es tut uns leid. Wir wurden manipuliert und getäuscht", sagte auch der örtliche Verwaltungschef Frank Walsh. Die per Videoleitung zugeschaltete Randall-Gay berichtete, als sich die Polizei bei ihr am Telefon entschuldigt habe, sei sie "sofort zusammengebrochen". Dies sei ein Anruf gewesen, "auf den ich fast 14 Jahre lang gewartet habe".

USA Prozess Missbrauchsskandal Larry Nassar
Erschütternde Zeugenaussagen: Angehörige und Zuschauer verfolgen den Prozess gegen Nassar Bild: Reuters/B. McDermid

Randall-Gay war in der vergangenen Woche vor Gericht dem Arzt direkt gegenübergetreten. "Sie haben meine damalige Verletzlichkeit ausgenutzt, um mich sexuell zu missbrauchen", sagte sie. Bei der Polizei habe der Arzt die "Dreistigkeit" gehabt, zu behaupten, dass sie seine Behandlungsmethode missverstanden habe, da sie sich in ihrem Körper nicht wohlgefühlt habe. Leider habe die Polizei "Ihren Worten geglaubt und nicht meinen". Generell hatte Nassar gegenüber den Mädchen seine sexuellen Handlungen als Teil einer Untersuchung oder Behandlung dargestellt. Er war fast 30 Jahre lang der Mannschaftsarzt der US-Turnerinnen. Der Skandal hat den Turnsport in den USA tief erschüttert. Vor einer Woche war auf Druck des Olympischen Komitees der USA (USOC) der gesamte Vorstand des US-Turnverbands zurückgetreten.

Biles fordert unabhängige Untersuchung

Rio 2016 Turnen USA Simone Biles
US-Turnstar Biles fordert KonsequenzenBild: Getty Images/A. Livesey

Die vierfache Rio-Olympiasiegerin Simone Biles, die ebenfalls von Nassar missbraucht wurde, sieht darin nur einen ersten Schritt "Nach dem, was wir durchgemacht haben, sind wir alle froh, dass Nassar keine weiteren Mädchen und Frauen verletzen kann", sagte Biles der Nachrichtenagentur AP. "Es gibt immer noch einige Arbeit zu tun, zum Beispiel unabhängige Untersuchungen. Es muss sichergestellt werden, dass so etwas nie wieder vorkommt." 

jk/jj (sid,dpa)