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Nordirak: Erste Erfolge der US-Intervention?

Stephanie Höppner 10. August 2014

Es ist die erste gute Nachricht seit Tagen: Etwa 20.000 Jesiden konnten sich aus dem nordirakischen Gebirge vor der Terrorgruppe "Islamischer Staat" retten. Aus Experten-Sicht hatte die US-Intervention bereits Erfolg.

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Jesiden auf der Flucht (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo

Eine Woche lang hatten sie im nordirakischen Gebirge ausgeharrt, bei 40 Grad Celsius, ohne ausreichend Essen und Trinken: Am Sonntag (10.08.2014) gelang rund 20.000 eingekesselten Jesiden nach kurdischen Angaben die Flucht aus dem Sindschar-Gebirge. Vertreter der autonomen Kurdenregierung erklärten, die Familien hätten sich ins angrenzende Syrien gerettet. Anschließend seien die Flüchtlinge von kurdischen Kämpfern zurück in den Irak eskortiert worden.

Seit Sonntag hatten die Angehörigen der nordirakischen Minderheit dort ausgeharrt, viele starben an Durst und Erschöpfung, darunter auch 50 Kinder. Da sie nicht nur an Gott glauben, sondern auch an Engel, sind sie nach Ansicht der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) Teufelsanbeter. Die Dschihadistentruppe, die das Gebirge umstellt hatte, hatte der kurdischen Minderheit mit dem Tod gedroht. Rund 500 Jesiden soll IS bereits ermordet haben. Einige wurden lebendig begraben, hunderte Frauen entführt. Zuvor hatte die sunnitische Terrormiliz große Gebiete nördlich und westlich der Stadt Mossul eingenommen. Sie eroberten auch die Stadt Sindschar, in der eine Mehrheit der Jesiden lebt.

Insgesamt haben sich nach Angaben der Vereinten Nationen bereits rund 600.000 Menschen aus Syrien und dem Irak in die kurdische Autonomieregion in Sicherheit gebracht. Neben den Jesiden werden auch Christen derzeit massiv verfolgt und terrorisiert. "Diese Ereignisse sind eine Folge der amerikanischen Intervention von 2003", glaubt Nahostexperte Michael Lüders im Gespräch mit DW-TV. Nach dem Sturz Saddam Husseins verloren viele Sunniten ihre Jobs und politischen Posten. Die Frustration der Menschen bildete den Nährboden für die Entstehung und den Rückhalt der sunnitischen Terrorgruppe.

Jesiden auf der Flucht. (Foto: REUTERS/Ari Jalal )
Die Minderheit der Jesiden ist besonders ins Visier der Terrorgruppe IS geratenBild: REUTERS

Luftschläge vermutlich erfolgreich

Am Freitag hatten die USA mit Luftangriffen gegen die IS-Terrormiliz begonnen. Drohnen und Kampfjets setzten zu mehreren Angriffen an. Armeeflugzeuge warfen rund 40.000 Liter Wasser und 52.000 Packungen Fertigessen über dem Gebirge ab. Aus US-Sicht erst der Anfang: "Ich glaube nicht, dass wir das Problem innerhalb von Wochen lösen können", sagte US-Präsident Barack Obama.

USA - PK Präsident Obama vor dem weißen Haus (Foto: getty Images)
Obama: keine schnelle Lösung möglichBild: Getty Images

"Die Bombardements zeigen Wirkung", meint Telim Tolan vom Zentralrat der Jesiden. "Aber sie haben definitiv noch keine Wende erreicht." Vertreter der kurdischen Peschmerga-Soldaten sprachen gegenüber der DW von einem gelungenen Schlag gegen IS: "Der Angriff war erfolgreich, soweit wir wissen. Die IS-Truppen haben Tote und Verwundete zu beklagen, Fahrzeuge wurden zerstört." Auch wenn Details noch unklar seien: "Aber wir wissen, es hat sie schwer getroffen."

Militärschlag von vielen akzeptiert

Der Militäreinsatz der USA war von vielen Ländern positiv aufgenommen worden, hochrangige Kirchenvertreter hielten das militärische Vorgehen gegen dem "Islamischen Staat" für legitim. "Selbst der Iran ist mit dem Eingriff der USA zufrieden", sagte Nahostexperte Michael Lüders. Auch die Regierung einiger Golfstaaten zeigten sich mit dem Vorgehen einverstanden - aus Angst, dass IS auch zu ihnen vordringen könnte. Gleichzeitig würde IS aber auch von einzelnen wohlhabenden Saudis - Sunniten - finanziell unterstützt, weil die Gruppe gegen die als feindlich betrachteten Schiiten kämpft.

Michael Lüders. (Foto: DW Quadriga)
Nahost-Experte Lüders: hohe Akzeptanz für US-Intervention

US-Präsident Obama hatte zuvor bekräftigt, dass der Militäreinsatz der USA begrenzt sei. "Wir können Luftschläge durchführen, aber es wird keine militärische Lösung Amerikas zu diesem Problem geben", sagte er. Stattdessen müsse es eine "irakische Lösung" geben - die dann von Amerika und anderen Länder unterstützt werde. Die notwendige Voraussetzung: Der Irak müsse endlich eine legitime Regierung stellen.

Neue Regierung für den Irak

Doch genau dieser Wunsch scheint schwer zu erfüllen: Schon seit Monaten ist unklar, wer in Bagdad das Sagen hat. Am Sonntag beriet das irakische Parlament erneut über eine Regierungsbildung - ohne Ergebnis. Schon seit der Parlamentswahl im April ist der Irak politisch gelähmt. Die Partei von Ministerpräsident Nuri al-Maliki wurde dabei stärkste Kraft. Doch nicht nur bei Kurden und Sunniten gibt es erbitterten Widerstand gegen ihn. Auch unter den Schiiten, denen al-Maliki angehört, ist er hoch umstritten: Seine Diskriminierung der Sunniten im Irak wird als ein Grund für das Erstarken der Terrorgruppe angesehen.

Auch von anderer Seite wurde der Irak dazu aufgefordert, angesichts der Krise eine Regierung zu bilden. "Eine solche Regierung sollte die Nation gegen die Bedrohung durch den Islamischen Staat mobilisieren können", erklärte der Sprecher von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon am Samstag in New York. Angesichts des IS-Vormarsches sei es umso dringender, dass die Parteien einen neuen Regierungschef nominieren. Der französische Außenminister Laurent Fabius rief zu einer Einheitsregierung auf. Der Irak brauche dringend eine Regierung, von der sich alle Menschen repräsentiert fühlten, damit sie zusammen den Terrorismus bekämpfen könnten, sagte er nach einem Treffen mit seinem irakischen Amtskollegen Hussein al-Schahristani.