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In kleinen Schritten

20. April 2010

Nordkorea habe zwar einen völlig anderen "gesellschaftspolitischen Violinschlüssel" als die Bundesrepublik, sagt CSU-Parlamentarier Peter Gauweiler. Trotzdem sei der Dialog mit Pjöngjang nötig und sinnvoll.

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Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler (Foto:ap)
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter GauweilerBild: AP

Herr Gauweiler, was war der genaue Anlass Ihrer Reise?

Der Anlass der Reise waren Meinungsverschiedenheiten und Verstimmungen zwischen Bundestag und Auswärtigem Amt über die Schließung des Lesesaals des Goethe-Instituts in Pjöngjang, der Hauptstadt Nordkoreas. Nordkorea ist eine andere Welt - das am meisten abgeschottete Land der Welt - und wir waren eigentlich immer sehr froh, dass es in diesem für uns so entlegnenen Gebiet eine deutsche Bibliothek gibt. Die wurde im letzten August gekündigt, aber nicht von nordkoreanischer, sondern von deutscher Seite.

Was haben Sie erreicht? Wird es den Lesesaal des Goethe-Instituts in Zukunft wieder geben?

Wir haben über vier Themen verhandelt. Erstens die Wiedereröffnung einer deutschen Bibliothek, womit sich die koreanische Seite grundsätzlich einverstanden erklärt hat. Es gibt in Pjöngjang an der Universität eine große germanistische Arbeitsgruppe, die seit DDR-Zeiten besteht, seit den frühen 60er Jahren. Zu Zeiten der DDR haben tausende von Nordkoreanern in Leipzig, Dresden und Ost-Berlin studiert.

Wir haben zweitens über die Möglichkeit gesprochen, eine Ausstellung über koreanische Kulturgüter, die in Nordkorea gelagert sind und die noch niemals außerhalb Nordkoreas gezeigt worden sind, erstmalig in der Welt in Deutschland durchzuführen.

Wir haben drittens darüber geredet, dass wir bei den Bemühungen des Wiederaufbaus der alten koreanischen Kaiserstadt Kaesong helfen werden. Deutschland ist ja führend im Bereich der Denkmalpflege.

Darüber hinaus haben wir uns intensiv auch mit Fragen der Ernährungsprogramme und der entwicklungspolitischen Hilfe unterhalten. Wir haben der koreanischen Seite in Sachen humanitäre Probleme eine Liste übergeben von Deutschen, die nordkoreanische Väter haben. Aus dieser Zeit der DDR gibt es eine Reihe von Fällen, wo Familien auseinandergerissen wurden, und die Kinder von nordkoreanischen Väter, die in Deutschland leben, seit Jahren nichts mehr von ihren Vätern gehört haben.

Das klingt nach zaghafter Annäherung, nach dem Ausbau der Beziehungen zwischen Deutschland und Nordkorea. Wie gut sind Ihre Bemühungen dort angekommen?

Ich glaube, dass sie ganz gut angekommen sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass die einen anderen gesellschaftspolitischen Violinschlüssel haben. Das ist ein Einparteienstaat, eine kommunistische Diktatur, die ganz anderen Regeln folgt - Regeln, die uns vertraut sind aus der Zeit der deutschen Spaltung. Wir sehen keinen Sinn darin, dieses Land zu isolieren, das seinen ganz eigenen Weg geht, das durch dieses System natürlich auch von fürchterlichen Schwierigkeiten geplagt ist. Wenn wir wollen, dass wir eine Gesprächsbasis auch in der großen Politik mit dem Norden aufbauen können, dann müssen wir auch im Kleinen mal mit ihnen reden.

Konnten Sie sich überhaupt im Land einmal frei bewegen, oder stand Ihre Delegation ständig unter Beobachtung?

Unser Aufenthalt war nur zweieinhalb Tage lang, und wir waren nur in Pjöngjang. Infolgedessen war es nicht möglich, großartige Ausflüge zu machen. Wir haben aber ein ganz interessantes Entwicklungshilfeprojekt besichtigt. Auf der anderen Seite hatte ich gebeten, eine Kirche besuchen zu können, weil ich ganz unterschiedliche Informationen hatte, ob es in Nordkorea noch christliche Konfessionen gibt oder dies alles durch das kommunistische Diktat ausgemerzt ist. Es gibt in Pjöngjang vier große Kirchen, zwei evangelische, eine russisch-orthodoxe und eine katholische Kirche. Wir hatten da ganz interessante Gespräche. Natürlich ist es ganz klar, dass die amtlichen Kirchen - ähnlich wie in China - regimetreu sind. Es gibt aber 12.000 Mitglieder im ganzen Land in dieser Kirche, und wenn wir gerecht sein wollen, müssen wir sagen: Eine Kirche dieser Größenordnung wäre schon als Baulichkeit mit dem Kreuz in der Mitte und den zwei großen Türmen bei unserem Bundesgenossen Saudi-Arabien strengstens verboten.

Nun ging es um Entwicklungshilfe, um Ernährung – wie ist Ihr Eindruck: Wie sehr brauchen die Menschen in Nordkorea die Unterstützung Deutschlands?

Sie brauchen mit Sicherheit entwicklungspolitische Zusammenarbeit. Ich bin kreuz und quer durch Pjöngjang gefahren, und wir haben tausende von Menschen auf der Straße gesehen – die meisten gehen zu Fuß. Ich habe aber nicht die Elendsgestalten gesehen, die man in anderen asiatischen Metropolen sieht. Gleichwohl gibt es gesicherte Berichte über große Ernährungsprobleme im Land.

Zweieinhalb Tage sind nicht viel. Was hat die Reise in ein so hermetisch abgeriegeltes Land - eine Diktatur wie Nordkorea – gebracht?

Sie werden sich vielleicht daran erinnern: Die Entspannung zwischen der Volksrepublik China und der westlichen Welt begann mit einem Tischtennisspiel. Kleine Schritte sind besser als große Sprüche. Wir finanzieren über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) Studienaufenthalte von nordkoreanischen Studenten – von Medizinstudenten oder Landwirtschaftsstudenten – in der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben einen eigenen Lektor und Repräsentanten des DAAD in Pjöngjang. Es gibt dort eine fantastische Musikhochschule, die enge Beziehungen zu Bayreuth und zu anderen Hochburgen der Musik in Deutschland unterhält. Wir haben uns entschlossen, diese Kulturbeziehungen zu intensivieren. Schauen wir mal, was dabei heraus kommt.

Es gibt in Ostasien auch Mediengerüchte über einen im Mai oder Juni bevorstehenden Atomwaffentest. Haben Sie sich getraut, dieses Thema anzusprechen?

Es hat keinen Sinn, darum herum zu reden. Die Nordkoreaner kennen unsere Position. Wir sagen ihnen, Deutschland hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg eigentlich dadurch selbst befreit, indem es erklärt hat, auf Atomwaffen zu verzichten. Dadurch haben wir uns aus der ganzen Diskussion rausgehalten. Die Nordkoreaner sagen, sie hätten drei Grenzen: China, Russland und die Grenze zu Südkorea, wo die USA stehen. Sie sind von drei massiven Atommächten umgeben. Sie sind nach dem Korea-Krieg immer noch im Kriegszustand, der ja furchtbare Opfer auch auf nordkoreanischer Seite mit sich gebracht hat und von dem das Land noch erkennbar traumatisiert ist. Sie versichern, dass die Atomwaffen nur zu ihrer Selbstverteidigung seien. Das kann man glauben oder auch nicht. Tatsache ist, dass seit dem Irak-Krieg Angriffe in Staaten, die auf der Kippe stehen natürlich auch deutlich gemacht haben: Wer Atomwaffen hat, der bleibt von derartigen Schlägen verschont. Unabhängig davon müssen wir natürlich den Nordkoreanern klar machen, dass die atomare Option keine Option ist. Aber dass dieses Land sich in diese Richtung gewagt hat, ist kein Grund, nicht mit ihm zu sprechen.

Das Gespräch führte Karin Jäger.

Redaktion: Thomas Latschan