1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Am Gehirn operiert?

Sybille Grothe (gri)11. September 2008

Nordkoreas Diktator Kim Jong Il ist seit Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit erschienen. Er soll krank sein. Aber was passiert mit seinem Land, wenn er länger oder auch für immer ausfallen sollte?

https://p.dw.com/p/FG0B
Kim Jong Il mit Sonnenbrille (Quelle: AP)
Wie krank ist der 66-jährige Diktator?Bild: AP

Wie südkoreanische Zeitungen am Donnerstag (11.09.2008) unter Berufung auf Geheimdienstinformationen berichteten, hat sich Machthaber Kim Jong Il nach einem Schlaganfall einer Hirnoperation unterziehen müssen. Spezialisten aus China und Frankreich seien sofort nach Nordkorea gerufen worden, nachdem Kim Mitte des vergangenen Monats zusammengebrochen sei, hieß es. Die ausländischen Ärzte hätten die Operation ausgeführt.

Kim befinde sich auf dem Weg der Besserung, teilte den Berichten zufolge ein Geheimdienstbeamter mit, der das südkoreanische Parlament in Seoul über den Zustand des Diktators unterrichtet habe. Anzeichen eines Machtvakuums oder Machtkampfes gebe es demnach nicht.

Auch Feiern zum 60. Jahrestag fanden ohne Kim statt

Militärparade zum 60. Jahrestag der Staatsgründung Nordkoreas (Quelle: AP)
Staatsfeier ohne StaatschefBild: AP

Zuvor waren in verschiedenen Medien Mutmaßungen über Kims Gesundheitszustand kolportiert worden. Auch über seinen möglichen Tod wurden Spekulationen laut, nachdem der Machthaber wochenlang nicht in der Öffentlichkeit aufgetaucht war.

Nicht einmal bei den Feiern zum 60. Jahrestag der Staatsgründung war Kim Jong Il auf den diversen Ehrentribünen zu sehen, auch wenn sonst alles wie gewohnt ablief. Allenthalben gab es Militärparaden und farbenfrohe Massengymnastik, und man sang das hohe Lied der Kim-Dynastie.

Wohin würde Nordkorea ohne Kim treiben?

Über das zeitweise Verschwinden des selbst ernannten "Geliebten Führers" aus der Öffentlichkeit gibt es bislang keine offiziellen Informationen. Für die Geheimniskrämerei gibt es möglicherweise auch gute Gründe. Schließlich wirft die Vorstellung von einer Zukunft Nordkoreas nach der Ära Kim viele Fragen auf.

Die Tatsache, dass der oberste Führer am 60. Jahrestag - einem besonderen Datum im asiatisch-konfuzianischen Staat - nicht in Erscheinung getreten sei, deute darauf hin, dass etwas Außergewöhnliches passiert sein müsse, meint der Asien-Experte Markus Tidten. Er wollte zunächst weder eine Krankheit noch das Ableben von Kim Jong Il ausschließen.

Noch mehr Chaos in der Außen- und Innenpolitik befürchtet

Nordkoreanischer Atomreaktor in Yongbyon bei Pjöngjang (Quelle: AP)
Atomreaktor in Yongbyon bei PjöngjangBild: AP

Tidten vermutet, dass, wenn Kim seine Macht nicht mehr ausüben kann, die Führungsverantwortung in die Hände des Militärs übergehen könnte. "Das wäre der normale Prozess in einem solchen Land. Für die Länder, die mit Nordkorea verhandeln, würde das bedeuten, dass sie sich auf einen Verhandlungspartner einstellen müssen, der sehr irrational und sehr kompromisslos ist und sich höchstwahrscheinlich auch nicht an bisherige Vereinbarungen gebunden fühlt", erklärt Tidten vor allem mit Blick auf die Sechs-Nationen-Gespräche zum nordkoreanischen Atomprogramm. Konkret könnte dies zur Folge haben, dass die Zusagen des Landes, sein Atomprogrann abzubauen, nicht mehr eingehalten werden.

Aber auch im Inneren drohe ein Chaos. Für den Trierer Politologen Hanns-Werner Maull ist Nordkorea ohnehin schon lang kein funktionierendes Staatswesen mehr. Er spricht gerne von einem "Zombie-Staat" - einem Gemeinwesen, das eigentlich schon tot ist, dies aber selbst nicht weiß. "Es ist ja so, dass dieser Staat die eigene Bevölkerung nicht mehr ernähren kann. Wie lange so ein Zombie leben beziehungsweise als eigentlich Toter herumwandern kann, ist ungewiss", sagt Maull.

Ein Zusammenbruch wäre unwahrscheinlich

Neben der prekären Versorgungslage und den noch nicht abgeschlossenen Sechs-Parteien-Gesprächen gibt es einen weiteren wichtigen Faktor für Nordkorea - das benachbarte Südkorea. Auch wenn beide Koreas stets die Wiedervereinigung - unter den jeweils eigenen Vorzeichen - beschworen haben, ist keinem an einer allzu plötzlichen Umsetzung dieser Idee gelegen. Dazu ist auch das wirtschaftliche Gefälle zwischen beiden Ländern viel zu groß. Eine schnelle, ungesteuerte Wiedervereinigung könnte die ganze koreanische Halbinsel destabilisieren.

Asien-Experte Tidten geht allerdings nicht davon aus, dass Nordkorea - sollte Kom Jong Il nicht mehr handlungsfähig sein - kurz vor dem Zusammenbruch steht. Er vermutet eher das Gegenteil, da eine rigide und diktatorische Weiterführung des Landes mit einer Machtübernahme des Militärs sogar einfacher würde. "Kim ist eine Person, die sich unabhängig von militärischer Unterstützung für den Gesamtzustand des Landes verantwortlich fühlt. Das Militär hat diesen Sinn für Verantwortung nicht", ist sich Tidten sicher.

Sicher scheint auch, dass sich mit oder ohne Kim an einer Sache nichts ändert. Nämlich daran, dass es den Menschen in Nordkorea auch in Zukunft schlecht geht.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen