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Nordkoreas nukleare Drohgebärden

Esther Felden21. Mai 2015

Ist Nordkorea in der Lage, Atomsprengköpfe für ballistische Raketen zu bauen? Experten haben mit Skepsis auf Pjöngjangs jüngste Äußerung reagiert. Warum, erklärt Atomwissenschaftler Siegfried Hecker gegenüber der DW.

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Militärübung in Nordkorea: Abfeuern einer Rakete von einem Schiff (Foto: Reuters / KCNA)
Bild: REUTERS/KCNA

Gleich zweimal hat Nordkorea in diesem Mai für Schlagzeilen zu seinem Atomprogramm gesorgt. Anfang des Monats berichteten die Staatsmedien, es sei erstmals gelungen, eine neuartige ballistische Rakete von einem Unterseeboot aus abzufeuern. An diesem Mittwoch (20.05.) dann gab die Nationale Verteidigungskommission in Pjöngjang bekannt, das Land verfüge über die nötige Technologie, um Atomsprengköpfe zu bauen, die auf Raketen montiert werden könnten.

Man sei auf einer Stufe angelangt, an der es möglich sei, höchste Präzision "nicht nur bei Kurz- und Mittelstreckenraketen zu erreichen, sondern auch bei Langstreckenraketen", zitierten die Medien einen Sprecher der Verteidigungskommission. Im Ausland werden derartige Meldungen genau verfolgt. Vor kurzem erst hatte eine Gruppe von US-Forschern davor gewarnt, dass Nordkorea bis zum Jahr 2020 über 100 Atomsprengköpfe verfügen könnte. Chinesische Experten kamen zu ähnlichen Ergebnissen.

Daneben herrscht aber auch Skepsis, was den Wahrheitsgehalt derartiger Meldungen betrifft, beispielsweise von Seiten des südkoreanischen und des US-Militärs. Auch Experten mahnen zur Vorsicht. Denn nachprüfen lassen sich die nordkoreanischen Behauptungen nur sehr schwer. Das sagt auch der Atomwissenschaftler Siegfried Hecker von der US-amerikanischen Stanford-Univerität im Gespräch mit der DW.

Deutsche Welle: Nach dem mutmaßlichen erfolgreichen Test einer U-Boot-gestützten Rakete kommt jetzt die Meldung, dass das Land in der Lage sei, Atomsprengköpfe für Raketen zu bauen. Wie verlässlich sind diese Informationen?

Siegfried Hecker: Sie sind weder belastbar noch glaubwürdig, vor allem dann nicht, wenn es um die Bestückung einer Langstreckenrakete geht. Noch ist beispielsweise gar nicht klar, ob die Rakete bei dem Test Anfang Mai tatsächlich von einem U-Boot abgefeuert wurde oder von einer versenkbaren Plattform.

Atomsprengköpfe so zu verkleinern, dass sie auf ballistische Kurz-, Mittel- und auch Langstrecken-Raketen montiert werden können, gilt als entscheidender Schritt. Sollte sich die Ankündigung Nordkoreas bewahrheiten – inwiefern wäre das für das Land ein Durchbruch?

Nordkorea hat bereits unter Beweis gestellt, dass es in der Lage ist, Atomwaffen zu bauen und zu testen (Insgesamt drei solcher Atomtests gab es bislang, 2006, 2009 und zuletzt im Februar 2013, Anm. d. Red. ). Nach nordkoreanischen Angaben handelte es sich bei den ersten beiden Tests nicht um miniaturisierte Sprengköpfe, beim dritten aber schon. Es ist schon wahrscheinlich, dass es gelungen ist, den dritten Sprengkopf zu verkleinern, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er klein genug war, um auf eine Langstreckenrakete montiert zu werden. Angesichts der begrenzten Erfahrung, die Nordkorea mit derartigen Tests hat, dürfte es kaum die Expertise haben, um Langstreckenraketen derartigen Sprengköpfen zu bestücken. Es ist noch nicht einmal sicher, ob sie in der Lage sind, Mittel- oder Kurzstreckenraketen zuverlässig mit Sprengköpfen zu versehen.

Immer wieder hat Nordkorea in der Vergangenheit derartige Behauptungen aufgestellt. Experten sind aber skeptisch, was den Wahrheitsgehalt betrifft. Wie schwierig ist es, verlässliche Angaben zum Stand des nordkoreanischen Atomprogramms zu machen?

Das ist extrem schwer. Da es praktisch keine direkten geheimdienstlichen Informationen über den Zustand und den Umfang des nordkoreanischen Nuklearprogramms gibt, sind wir neben der Interpretation dessen, was Nordkorea selbst verlauten lässt, auf das angewiesen, was wir auf Satellitenaufnahmen sehen können.

Sollten sich die jüngsten nordkoreanischen Ankündigungen bestätigen - nwieweit würde das den Frieden und die Stabilität der ganzen Region gefährden?

Noch ist ein mit Atomsprengköpfen bestücktes nordkoreanisches U-Boot keine reale Bedrohung. Davon ist das Land noch Jahre entfernt. Sie arbeiten zwar daran, eines Tages über derartige Kenntnisse und Fähigkeiten zu verfügen, aber zum jetzigen Zeitpunkt liegt da noch ein weiter Weg vor ihnen.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, Nordkorea zur Eindämmung seines Atomprogramms zu bewegen, um weitere Spannungen oder sogar eine militärische Eskalation in der Region zu verhindern?

Seit vielen Jahren rate ich dazu, dass wir uns zuerst darauf konzentrieren sollten, einen weiteren Ausbau des nordkoreanischen Atomprogramms zu verhindern und im Anschluss daran den Schwerpunkt auf eine De-Nuklearisierung zu setzen. Meine Strategie wäre es, das (nordkoreanische) Atomwaffenprogramm anzuhalten, zurückzufahren ("roll back") und letztendlich ganz zu beseitigen. Und dieser letzte Schritt wird meiner Meinung nach viele Jahre in Anspruch nehmen.

Der Atomwissenschaftler Siegried Hecker ist Professor an der Standford-Universität in Kalifornien. Der international renommierte Experte für nukleare Sicherheit war elf Jahre lang Leiter des Los Alamos National Laboratory. In regelmäßigen Abständen bereist Hecker Nordkorea. Im Jahr 2010 durfte er dort die Atomanlage von Yongbyon selbst besichtigen.