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Der Wendelstein

Karin Jäger23. September 2012

Kein Berg in den bayerischen Alpen wird öfter besucht: Auf dem Wendelstein trifft alte Technik auf ein modernes Urlaubserlebnis. Dazu gibt es Religiöses und - bei gutem Wetter - eine herrliche Rundumsicht.

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IRSCHENBERG, GERMANY - FEBRUARY 11: The Wendelstein Mountain (in the foreground the Wilparting church St. Marinus and St. Anianus) is seen during a fine and sunny day on February 11, 2007 in Irschenberg, Germany. Currently Germany enjoys snowfree unusually warm February temperatures. (Photo by Johannes Simon/Getty Images)
Kirche von WilpartingBild: Johannes Simon/Getty Images

Der Wendelstein ist einzigartig: Exponiert gelegen, mit zahlreichen außergewöhnlichen Gebäuden und von München aus sichtbar, weshalb die Bewohner der bayerischen Landeshauptstadt ihn als ihren "Hausberg" bezeichnen und diesen besonders an Wochenenden stürmen. Ein Segen, dass viele Wege hinauf führen auf den 1838 Meter hohen Gipfel, so dass sich unterwegs keine Staus bilden. Wer nicht von einem der Täler aus drei Stunden wandern mag, kann sich von Bayerischzell aus per Luftseilbahn in die Höhe tragen lassen.

Wer nostalgisch ist oder Höhenangst hat, nimmt allerdings lieber die Zahnradbahn von Brannenburg im Inntal aus. Ganz gemächlich tuckert sie auf Schienen seit 100 Jahren zuverlässig die knapp zehn Kilometer hinauf bis zur Bergstation. Die Bahnfahrer passieren in den 30 Minuten sieben Tunnel, zwölf Brücken und aufwendig konstruierte Stützmauern und können die sich verändernde Umgebung mit schattigem Wald, Almwiesen und massiver Felslandschaft in sich aufsaugen.  Mehr als 30 Schautafeln auf vier Wanderwegen rund um den Wendelstein erzählen die Entstehungsgeschichte der Alpen, weshalb der Berg in der Woche von Schulklassen frequentiert wird.

Schnee sogar im Sommer

Mit der Zahnradbahn geht es hinauf zum Wendelstein. Die Bahn besteht seit 1912. Foto: Karin Jäger 17.06.2012/ DW
Auf der Fahrt mit der ZahnradbahnBild: Karin Jäger

82 Stufen geht es hinab in den Stollen. Im Winter bietet die Höhle Fledermäusen Unterschlupf. "An einigen Stellen der Kalkstein-Höhle liegt sogar im Sommer noch Schnee, der durch eine der Öffnungen des zerklüftete Gesteins ins Innere gelangte", erklärt Hans Vogt, der 46 Jahre beim Wendelsteinbahn-Betrieb gearbeitet hat.

Auf dem Berg befindet sich außerdem eine Außenstelle des Deutschen Wetterdienstes, die rund um die Uhr besetzt ist. So können die Mitarbeiter die vielen sternenklaren Nächte registrieren. Die Sternwarte bauten die Nationalsozialisten aus militärischen Gründen: Sie erhofften durch die Erkenntnis, dass die Sonnenaktivität Einfluss auf den Funkverkehr hat, Kriegsgegner ausspionieren zu können. Heute nutzen Wissenschaftler der Universität München die Teleskop-Anlage, um Himmelskörper zu erforschen.

Heiliges Kreuz in der Höhle unterhalb des Wendelsteins in den Chiemgauer Alpen. Foto: Karin Jäger/ DW 16.06.2012
Höhlensystem unter dem WendelsteinBild: Karin Jäger


Deutschlands erste Bergbahn – eine Pionierleistung

Aber was wäre der Wendelstein ohne den Einfluss des geheimen Kommerzienrates Otto von Steinbeis? Der Geschäftsführer eines Industrieunternehmens aus Württemberg wurde nach Brannenburg entsandt, um dort die Holznutzung voranzutreiben. Ab 1893 gründete er sein "Unternehmen Bosnien" und erwarb die Konzession zur Nutzung von Tannen- und Fichtenholz auf dem Balkan. Zum Transport ließ er Eisenbahnen bauen - mit Spezialisten aus Serbien und Kroatien. Mit dem Gewinn kaufte Steinbeis 1904 den Wendelstein mit sämtlichen Anlagen und den umliegenden Grundstücken. Mit Hilfe von 800 serbischen und kroatischen Gastarbeitern ließ Steinbeis in nur zwei Jahren die Zahnradbahntrasse in dem steilen Gelände um den Berg herum errichten. Zur Motivation erhielten die Fachkräfte pro Woche ein Fass Bier.

Technisches Wunderwerk

Die Schmalspurbahn war damals eine technische Sensation, denn die Elektrobahn fuhr nach dem Rekuperationsprinzip: Da es keinen Strom gab in der Nähe, hatte Steinbeis ein Wasserkraftwerk bauen lassen, das Gleichstrom zum Betreiben der Bahn produzierte.

Das Geniale: Mit der Bremsenergie des Zuges während der Talfahrt wurde per Rückspeisung 70 Prozent der Energie gewonnen, mit der gleichzeitig der zweite Zug den Berg hinauf bewegt wurde. 1914 ließ Steinbeis oberhalb des Bergbahnhofs eines der modernsten Hotels in Bayern bauen. Die Zimmer verfügten damals schon über fließend kaltes und warmes Wasser. Heute ist das Hotel nicht mehr in Betrieb.

Besonders stolz ist Hans Vogt auf die "hohe Mauer", unterhalb des früheren Gastronomie-Gebäudes. "Sie ist 130 Meter lang und 17 Meter hoch und ohne Mörtel, nur aus Steinen aufgeschichtet", berichtet der langjährige Wendelbahn-Chef. Seit 100 Jahren fährt die Zahnradbahn darauf, ohne dass je eine Reparatur daran vorgenommen werden musste. Und sobald Schnee den Wendelstein bedeckt, setzen die Bahnbetreiber die Schlepplifte in Betrieb. Dann können passionierte Skifahrer durch einen Durchbruch in der Mauer die steilen Pisten hinab schwingen.

Hans Vogt, langjähriger Geschäftsführer der Wendelstein-Zahnrad-Bahn vor Wetterstation und Gipfelkreuz des Berges in den Chiemgauer Alpen. Foto: Karin Jäger/ DW 16.06.2012
Hans Vogt vor dem ehemaligen Berg-HotelBild: Karin Jäger