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NSA-Affäre erreicht Merkel persönlich

Marcel Fürstenau24. Oktober 2013

Die US-Regierung dementiert Meldungen, ihr Geheimdienst habe das Handy der Bundeskanzlerin überwacht. Doch selbst wenn der Verdacht falsch ist, dürfte die Regierungschefin das Thema jetzt ernster nehmen als bisher.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Handy am Ohr (Foto: dpa)
Auch Angela Merkel darf sich nicht mehr sicher sein, dass keine ungebetenen "Gäste" mithörenBild: picture-alliance/dpa

Als US-Präsident Barack Obama im Frühsommer Deutschland besuchte, war die Affäre um die National Security Agency (NSA) noch ganz frisch. Ausgelöst worden war sie durch Edward Snowden, einen ehemaligen Mitarbeiter des Auslandsgeheimdienstes. Der inzwischen im russischen Exil lebende Whistleblower offenbarte der Weltöffentlichkeit, mit welchen Methoden die NSA das Internet systematisch ausspioniert. Deutschland steht nach Snowdens Darstellungen besonders im Visier der US-Schnüffler.

Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte auf Snowdens Enthüllungen zurückhaltend. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Obama nach dessen Rede vor dem Brandenburger Tor am 19. Juni bezeichnete sie das Internet als "Neuland". Der Spott über diese naiv anmutende Behauptung war Merkel gewiss, vor allem im Netz selbst kannte die Häme keine Grenzen. Der US-Präsident versuchte seine Gastgeberin und mit ihr die deutsche Öffentlichkeit zu beruhigen. Das Ausspäh-Programm "Prism" sei zum Schutz der Menschen gedacht und beruhe auf Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit.

"Balance" zwischen Freiheit und Sicherheit

Vielleicht ahnte Obama damals schon, dass er die Affäre so schnell nicht loswerden würde. Denn er sagte auch, man müsse jenen zuhören, die dazu eine andere Meinung hätten. Er sei zuversichtlich, dass es möglich sei, die Balance zwischen dem Streben nach Sicherheit und Freiheit zu erreichen, sagte der US-Präsident in Berlin. Daran dürfte spätestens jetzt seine wichtigste politische Ansprechpartnerin in Europa, Angela Merkel, allergrößte Zweifel haben. Denn nun ist sie womöglich selbst Opfer der NSA-Schnüffler geworden. Als frühere DDR-Bürgerin, die in einer Diktatur aufgewachsen ist, dürfte ihr Misstrauen gegenüber Geheimdiensten dadurch eher größer geworden sein.

Barack Obama vor dem Brandenburger Tor (foto. Reuters)
Barack Obama vor dem Brandenburger Tor in BerlinBild: Reuters

In einer Stellungnahme informierte Regierungssprecher Steffen Seibert über den ungeheuerlichen Verdacht. Merkel habe Obama in einem Telefonat deutlich gemacht, "dass sie solche Praktiken, wenn sich die Hinweise bewahrheiten sollten, unmissverständlich missbilligt und als völlig unakzeptabel ansieht". Unter engen Freunden und Partnern dürfe es eine solche Überwachung der Kommunikation eines Regierungschefs nicht geben. Dies wäre ein gravierender Vertrauensbruch.

Geheimdienstkoordinator Pofalla wiegelte ab

US-Regierungssprecher Jay Carney wies die Vorwürfe in einer schriftlichen Stellungnahme umgehend zurück. Obama habe der deutschen Regierungschefin versichert, "dass die Vereinigten Staaten die Kommunikation von Kanzlerin Merkel nicht überwachen und nicht überwachen werden". Kaum vorstellbar, dass sich Merkel mit dieser Erklärung zufrieden gibt. Wie groß ihr Misstrauen beim Stichwort NSA ist, nachdem sie mutmaßlich selbst Opfer geworden ist, lässt schon ihre ungewöhnlich deutliche Pressemitteilung erahnen. Ihr dürfte nun endgültig klar sein, dass sie das Thema nicht mehr auf die leichte Schulter nehmen darf.

Als im Juli und August immer mehr erschreckende Details über das Ausmaß der Ausspäh-Affäre bekannt wurden, schickte Merkel ihren für die Koordination der deutschen Geheimdienste zuständigen Chef des Kanzleramtes, Ronald Pofalla, vor. Der erklärte die Affäre in mehreren Sondersitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) für beendet. Damit gaben sich vor allem die Oppositionsvertreter von SPD, Grünen und Linken keinesfalls zufrieden. Aber auch die nach der Bundestagswahl im September aus dem Parlament geflogenen Liberalen hegten erhebliche Zweifel an den beschwichtigenden Darstellungen Pofallas.

Ronald Pofalla (Foto: dpa)
Geheimdienst-Koordinator Ronald PofallaBild: picture-alliance/dpa

Die Kanzlerin fordert Vertrag

Nun aber drängt auch Merkel mit Nachdruck auf konkrete Maßnahmen der USA. Sie erwarte Aufklärung über den "möglichen Gesamtumfang solcher Abhörpraktiken gegenüber Deutschland", heißt es in der Erklärung ihres Sprechers. Dass die Kanzlerin mit ihrer Geduld am Ende ist, lässt der Hinweis vermuten, für die Zukunft werde "eine klare vertragliche Grundlage über die Tätigkeit der Dienste und ihre Zusammenarbeit erwartet".

Viele Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums werden sich fragen, warum diese eindeutige Aufforderung erst jetzt kommt. Sie selbst haben das schon vor drei Monaten gefordert. Doch damals herrschte in Deutschland Wahlkampf und Angela Merkels Handy war noch nicht geknackt. Oder sie wusste es zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht.