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NSU-Prozess: Zeugin belastet Zschäpe

Marcel Fürstenau30. September 2013

Eine späte Aussage: Eine Zeugin im NSU-Prozess will die Hauptangeklagte im Jahr 2006 kurz vor einem der Morde der Neonazis in der Nähe des Tatorts gesehen haben. Das könnte auf eine Tatbeteiligung Zschäpes hindeuten.

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Die Angeklagte Beate Zschäpe beim NSU-Prozess in München (foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Zehn Morde werden dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) zur Last gelegt. Die tödlichen Schüsse auf acht türkischstämmige Männer, ein Opfer mit griechischen Wurzeln und eine Polizistin, sollen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos abgegeben haben. Die beiden haben sich Anfang November 2011 das Leben genommen, um nach einem Banküberfall ihrer Festnahme zu entgehen. Kurz danach stellte sich ihre mutmaßliche Komplizin Beate Zschäpe der Polizei. Wegen ihrer aus Sicht der Anklage tragenden Rolle innerhalb des NSU-Trios ist sie wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung und mehrfachen Mordes angeklagt, obwohl sie nach bisherigem Ermittlungsstand nicht unmittelbar an den Morden beteiligt gewesen sein soll.

An dieser Einschätzung könnte sich durch das Auftauchen einer neuen Zeugin etwas ändern. Die Frau berichtete am Montag vor dem Oberlandesgericht (OLG) München, dass sie im Frühjahr 2006 vom Dachfenster ihrer Dortmunder Wohnung aus auf dem Nachbargrundstück verdächtige Aktivitäten beobachtet habe. Daran soll das mutmaßliche NSU-Trio beteiligt gewesen sein. Wenig später, am 4. April 2006, wurde der Kiosk-Besitzer Mehmet Kubasik ermordet. Er war das achte Opfer seit dem Beginn der Mordserie der Neonazis im September 2000, deren Hintergründe jahrelang im Dunkeln gelegen hatten. Nach dem Auffliegen des NSU-Trios im November 2011 will die Zeugin die Unbekannten vom Nachbargrundstück auf Fahndungsfotos wiedererkannt haben: Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt.

Die Angeklagte Beate Zschäpe betritt am 30.09.2013 den Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in München (Bayern). Vor dem Oberlandesgericht wurde der Prozess um die Morde und Terroranschläge des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) fortgesetzt. Foto: Marc Müller/dpa
Beate Zschäpe vor Beginn der Verhandlung am 30. September 2013.Bild: picture-alliance/dpa

"Wir hatten Blickkontakt"

Nach Darstellung der Frau, einer freiberuflichen Journalistin, haben sich die Drei im benachbarten Garten aufgehalten. Zu den Bewohnern des Nachbargrundstücks habe sie "keinerlei Kontakt" gehabt. Einen würde sie aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes als "Skinhead" bezeichnen. Mit einem Fernglas, das sie sonst für Naturbeobachtungen benutze, habe sie sich die Szene genauer angesehen und demonstrativ das Fenster geöffnet. Daraufhin habe sich die Frau umgedreht. "Wir hatten Blickkontakt". Dann seien die drei Unbekannten "sehr schnell verschwunden".

Die Zeugin berichtete außerdem über wochenlange, zum Teil nächtliche Grabungsarbeiten auf dem Grundstück. "Die haben mich beunruhigt." Immer wieder hätten auch Wohnmobile in der Straße oder direkt vor dem Zaun des Grundstücks gestanden. Sie könne sich an den die Buchstaben "Z" und "CA" erinnern. Z ist das Autokennzeichen für Zwickau. Dort lebte die mutmaßlichen NSU-Terroristen unerkannt im Untergrund. Die Wohnung Zwickauer Frühlingsstraße soll Beate Zschäpe nach dem Freitod ihrer mutmaßlichen Komplizen in Brand gesteckt haben, um Spuren zu verwischen.

Warum erst jetzt diese Aussage?

Der Vorsitzende Richter im NSU-Prozess, Manfred Götzl, wollte von der Zeugin wissen, warum sie sich erst jetzt den Ermittlungsbehörden offenbart habe? Die 63-Jährige begründete ihre anfängliche Zurückhaltung mit "Angst vor Neonazis". Sie sei dann aber erstaunt gewesen, dass die Ermittlungsbehörden keine NSU-Bezüge zu Dortmund entdeckt hätten, obwohl die Stadt "ein Zentrum neonazistischer Gruppen" sei. Auslöser für ihren Sinneswandel seien auch Medien-Berichte über einen Briefwechsel zwischen Beate Zschäpe und einem in Bielefeld inhaftierten Neonazi aus Dortmund gewesen. Die Korrespondenz zwischen der Hauptangeklagten im NSU-Prozess und ihrem mutmaßlichen Gesinnungsgenossen war im Juni dieses Jahres bekannt geworden.

Oder nur eine "Doppelgängerin"?

Die Verteidigung des Mitangeklagten früheren NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben äußerte Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin, die nach eigenen Angaben bis in die späten 1980er Jahre hochrangige Funktionärin der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) war. Da stelle sich durchaus die Frage nach der "politisch-ideologischen Einstellung", meinte Wohllebens Strafverteidiger Olaf Klemke.

Die neue Spur hat auf Seiten der Ermittler weitere Aktivitäten ausgelöst. Der von der Zeugin als "Skinhead" bezeichnete Nachbar soll bei einer Befragung ausgesagt haben, seine Frau habe Ähnlichkeit mit Beate Zschäpe. Die Nachbarn sollen nun im Oktober ebenfalls als Zeugen im NSU-Prozess vernommen werden.