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Libanon hat Staatschef

Peter Philipp26. Mai 2008

Die Wahl eines Präsidenten im Libanon gibt Hoffnung, ist aber kein Grund für Euphorie. Erst wenn Fragen wie etwa die Entwaffnung der Hisbollah geklärt sind, kommt das Land wirklich voran, meint Peter Philipp.

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Bild: DW

Die Wahl eines neuen Staatspräsidenten nach 19 gescheiterten Anläufen ist sicher Grund zur Freude - und das nicht nur für die Libanesen: Die zurückliegenden acht Monate waren nicht nur ein Stillstand im verfassungsmäßig vorgeschriebenen Prozess, sie reflektierten auch die immer auswegloser scheinende politische Krise des Landes, die besonders in letzter Zeit zu einer neuen bewaffneten Krise auszuarten drohte – einem neuen Bürgerkrieg, wie es ihn von 1975 bis 1990 erlebt, seitdem aber überwunden geglaubt hatte.

Die Wahl des bisherigen Oberkommandierenden der libanesischen Armee Michel Suleiman am Sonntag (25.5.2008) setzt dem vorläufig ein Ende. Sie ist aber nur der erste wichtige Schritt auf dem beschwerlichen Weg aus der Krise, auf den die rivalisierenden libanesischen Gruppen sich nach Vermittlung der Arabischen Liga, vor allem aber Katars, in der Woche zuvor in Doha verständigt hatten.

Parteien müssen zur Vernunft kommen

Weitere Schritte sind vereinbart und müssen folgen, sonst dürfte sich bald wiederholen, was man in letzter Zeit erlebt hatte. Und der Weg aus der Krise hängt nicht in erster Linie von der Person des Präsidenten ab oder von seinem Verhandlungsgeschick, sondern von der Bereitschaft aller Parteien, wieder zur Vernunft zu kommen.

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Peter Philipp

Es muss erst einmal eine neue Regierung gebildet werden. Und hierbei werden Vertreter der bisherigen westlich orientierten Regierung Siniora und Anhänger der von Syrien und dem Iran abhängigen Opposition gemeinsam am Kabinettstisch Platz nehmen müssen. Keine leichte Angelegenheit, nachdem die von der Hisbollah-Miliz und dem christlichen Ex-General Michel Aoun angeführte Opposition bisher die aus Christen, Sunniten und Drusen bestehende Regierungskoalition verteufelt und zum Rücktritt aufgefordert hatte.

Neues künstliches Proporz-System

Es ist "Demokratie im libanesischen Stil", wenn so widersprüchliche Gruppen nun wieder eine gemeinsame Regierung bilden wollen. Und auch, dass die bisherige Opposition – obwohl nur in der Minderheit – eine Sperrminorität im Kabinett erhält: Mit elf der 30 Minister kann sie wichtige Entscheidungen verhindern, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern. Wieder einmal wird im Libanon ein künstliches Proporz-System geschaffen - "um des lieben Friedens willen", aber mit dem Risiko eines jederzeit erneut ausbrechenden Konflikts.

Denn die Beiruter Regierung sollte eine Reihe wichtiger Entscheidungen treffen, um das Land voranzubringen. So muss früher oder später die Frage angegangen werden, wie die Zentralregierung die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet ausüben kann. Im Klartext: wie die Hisbollah entwaffnet werden kann. Als einzige Miliz führt sie heute noch offiziell Waffen, weil die Regierung sich nicht mit ihr anlegen wollte und auch die Armee unter ihrem bisherigen Oberbefehlshaber Suleiman sich nicht einmischte.

Grund hierfür war weniger die so oft beschworene Neutralität des jetzt gewählten Staatsoberhauptes, als seine Erkenntnis, dass die Armee auseinander zu brechen droht, wenn sie sich in solch einen innerlibanesischen Konflikt einmischt. So macht die Wahl eines neuen Präsidenten zwar Hoffnung, für Euphorie aber gibt es keinen Grund.