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Bilanz der Kenia-Wahlen

Maja Braun26. April 2013

Die befürchtete Gewalt blieb weitgehend aus - trotzdem sorgt die Wahl in Kenia auch sechs Wochen später noch für Diskussionen. Die Kritik trifft nicht nur das Land selbst.

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Kenia / Nairobi / Wahl / Peace

Das Lob für Kenias Bemühungen um Frieden kommt von höchster Stelle: Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, bezeichnete Kenia in der vergangenen Woche als ein gutes Beispiel dafür, wie Streitereien über den Ausgang einer Wahl friedlich geklärt werden können. Doch nicht alle stimmen ihm zu.

Anfang März hatten die Kenianer einen neuen Präsidenten und verschiedene andere Volksvertreter gewählt. Das ostafrikanische Land stand dabei unter weltweiter Beobachtung. Denn nach den letzten Wahlen 2007 waren blutige Unruhen ausgebrochen. Über 1.000 Menschen starben damals. Vergleichbare Ausschreitungen blieben 2013 aus, doch der Vorwurf Wahlbetrug stand im Raum. Erst Ende März bestätigte das oberste Gericht des Landes offiziell den Sieg des neuen Präsidenten Uhuru Kenyatta.

Stephen Brown ist Politikwissenschaftler an der Universität Ottawa in Kanada. Seit zehn Jahren beschäftigt er sich mit Kenias Demokratisierung. Er hat beobachtet, dass sich die kenianischen Medien und andere unabhängige Akteure aus der Zivilgesellschaft mit Kritik an der Wahlvorbereitung zurückgehalten haben. Keiner habe sich nachsagen lassen wollen, zu einem möglichen neuen Gewaltausbruch in Kenia beigetragen zu haben, sagte Brown: "In der Tat wurde in der Vorbereitung für die Wahlen soviel Betonung auf Frieden gelegt, dass andere Dinge vernachlässigt wurden." Zum Beispiel eine Kontrolle der Wahlkommission: Die hätte sicherstellen sollen, dass Kenia wirklich bereit sei für die Wahlen, besonders in technischer Hinsicht, sagt Brown.

Wahlsieger Uhuru Kenyatta hält sein Zertifikat von der Unabhängigen Wahlkommission hoch, das ihn zum Sieger erklärt. REUTERS/Noor Khamis
Uhuru Kenyattas Zertifikat zum Wahlgewinn ist ein umstrittenes DokumentBild: Reuters

Vertrauen in die Institutionen verloren

Am Tag der Abstimmung waren in Kenia die Geräte zur elektronischen Identifizierung der Wähler in vielen Wahllokalen ausgefallen. Später brach das elektronische System zur Übermittlung der ausgezählten Stimmen zusammen. Beide Systeme sollten die Wahl transparent machen und so einen Wahlbetrug von vornherein ausschließen. Das höchste Gericht des Landes bestätigte zwar die Rechtmäßigkeit der Wahl von Präsident Uhuru Kenyatta. Doch in ihrer mehr als 100-seitigen Urteilsbegründung empfahl sie am Dienstag (16.04.2013), gegen die für die Wahltechnik zuständigen Mitarbeiter der Wahlkommission Ermittlungen einzuleiten - wegen Untauglichkeit oder gar Kriminalität.

Viele Beobachter sind sich einig: Kenias Institutionen haben viel von ihrem guten Ruf eingebüßt, den sie sich in den letzten vier Jahren mühsam erarbeitet haben. Vor allem unter den Anhängern des Wahl-Verlierers Raila Odinga sei viel Vertrauen in die staatlichen Organe verloren gegangen, sagt Gabrielle Lynch, Dozentin und Kenia-Forscherin an der Universität Warwick in Großbritannien. "Hier voranzukommen stellt eine große Herausforderung für die neue Regierung dar."

Wahlzettel bei der Auszählung am Wahltag in Kenia DW/ Maja Braun,
Die Opposition in Kenia hatte die korrekte Auszählung der Wahlzettel angezweifeltBild: DW/ M. Braun

Ist der Friede nur Kosmetik?

Lynch arbeitet eng mit Kenias Zivilgesellschaft zusammen und berichtet, dass viele Kenianer den Frieden im Land als oberflächlich empfinden. Das Ausbleiben von Gewalt allein sei noch keine echte Aussöhnung. Zu diesem Gefühl trage auch der massive Einsatz von Sicherheitskräften in den Odinga-Hochburgen bei. Das mache Demonstrationen, etwa gegen die nun gefällten Gerichtsurteile, quasi unmöglich, sagt Lynch.

Eine der Herausforderungen für Kenia nach der Wahl sind die neuen dezentralen Bezirks-Regierungen: Sie gilt es mit Leben zu füllen. Laut der neuen Verfassung von 2010 sollen 47 neu geschaffene Bezirke in vielen Bereichen selbst entscheiden. Dafür haben die Kenianer Anfang März auch regionale Versammlungen, Gouverneure und Senatoren gewählt. Aber Gabrielle Lynch ist kritisch, was den Aufbau dieser neuen Regierungsebene und deren Durchsetzungsfähigkeit gegenüber bestehenden Ebenen  angeht. Zudem hätten die Kenianer sehr hohe Erwartungen an diese dezentralisierten Regierungen: Sie sollen für Entwicklung, neue Jobs und eine Umverteilung der Ressourcen sorgen. "Aber das wird alles sehr lange dauern."

Polizei bei einer Patrouille vor dem obersten Gerichtshof in Nairobi REUTERS/Thomas Mukoya
Kenias Regierung rekrutierte für die Wahl viele neue PolizistenBild: Reuters

Wer soll das bezahlen?

Für den Kenianer Ekuru Aukot steht nun der wahre Test der neuen dezentralen Regierungsstrukturen und des um Senatoren und Frauenvertreterinnen erweiterten Parlaments in seinem Land an. Der Anwalt an Kenias Oberstem Gerichtshof war selbst an der Ausarbeitung der neuen Verfassung beteiligt. Wesentliche Fragen der Umsetzung bleiben für ihn aber offen: Vor allem sei überhaupt nicht klar, was der neue Staatsapparat koste. Womöglich müssten sich die Kenianer in ein oder zwei Jahren erst darüber klar werden, ob sie die vielen Abgeordneten überhaupt bräuchten, sagte Aukot der DW. "Da sollten wir uns nichts vormachen: Ich glaube nicht, dass die Kosten in irgendeiner Weise mit unserer Wirtschaftsleistung einhergehen."

Ekuru Aukots Lehre aus der Kenia-Wahl richtet sich an die Internationale Gemeinschaft: Sie mische sich besser nicht ein, wenn ein Volk sein demokratisches Recht ausübe. Vor allem einige westliche Länder hatten den Kenianern geraten, nicht für Uhuru Kenyatta und seinen Vizepräsidenten zu stimmen. Gleichzeitig drohten sie mit Konsequenzen. Denn die beiden Wahlsieger müssen sich ab Mai vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei den letzten Nachwahl-Unruhen 2007/2008 verantworten.

Der Jurist Ekuru Aukot aus Kenia Foto: KHK/GCR21 Georg Lukas
Ekuru Aukot erhofft sich Hilfe von Deutschland bei der Umsetzung von Kenias VerfassungBild: KHK/GCR21/G. Lukas

Geberländer in der Zwickmühle

Auch der kanadische Politologe Stephen Brown sieht in den westlichen Ländern die eigentlichen Verlierer von Kenias Wahl. Mit ihrer leeren Drohung, dass eine Wahl von Kenyatta Folgen haben könne, hätten sie ihre Glaubwürdigkeit weiter verspielt, sagt Brown. Denn: "Die Geberländer sind nicht bereit, Kenia zu verlassen." Eine Drohung, der keine Taten folgen, schwäche ihre Position bei künftigen Verhandlungen oder politischem Druck. "Der mag zwar manchmal imperialistisch erscheinen, ist aber oft eben auch sehr hilfreich, etwa im Kampf gegen Korruption."