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Wenig religiös

21. Februar 2011

Nirgendwo in Europa hat Religion einen so niedrigen Stellenwert wie in Tschechien. Das Kloster Tepla wird so zum Symbol: Die Mönche kämpfen gegen den Verfall - und gegen das religiöse Desinteresse.

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Das Kloster Tepla in Tschechien (Foto: Kilian Kirchgeßner)
Das Kloster Tepla in TschechienBild: Kilian Kirchgeßner

Beim Morgengebet liegt noch die Nacht über dem Kloster. In einer Prozession sind die Mönche in die Kapelle eingezogen, ihre weißen Gewänder leuchten im dürftigen Schein der Lampen. Vorne am Altar feiern sie die Heilige Messe, zum ersten Mal an diesem Tag. Während die Mönche ins Gebet versunken sind, wird es draußen Tag. Im ersten Sonnenlicht zeichnen sich die Umrisse der Nachbargebäude ab, die Betenden danken für den neuen Tag.

Pater Augustin im früheren Speisesaal des Klosters. (Foto: Kilian Kirchgeßner)
Früher waren die Soldaten im Speisesaal des KlostersBild: Kilian Kirchgeßner

Man könnte das Kloster Tepla selbst als Wunder bezeichnen: Gebäude von den Ausmaßen eines Königsschlosses inmitten eines 16 Hektar großen Parks. 130 Mönche waren hier in den besten Zeiten zu Hause. Heute sind es gerade einmal sieben. "Ich bin schon seit 1991 hier, damals hat unser Orden das Kloster wieder in Besitz genommen", sagt Pater Augustin. Er ist der Verwalter des Klosters. Für den Prämonstratenser-Orden leitet er den Wiederaufbau der riesigen Anlage.

"Schauen Sie hier, das war alles kaputt", sagt Pater Augustin bei einem Rundgang durch das Kloster. Über seinem weißen Habit baumelt ein dicker Schlüsselbund. Mit ihm kommt er in sämtliche Zellen, Säle und Kapellen. Immer wieder schüttelt er den Kopf - noch immer kann er den Zustand nicht fassen, in dem sich das Kloster befindet.

Die früheren kommunistischen Herrscher hatten die Anlage verstaatlicht und hier Soldaten stationiert. Die ließen das Kloster systematisch verkommen: Ihre Abwässer leiteten sie in die Kellergewölbe, das undichte Dach wurde nie repariert und durch die Fenster pfiff der Wind. Der einstmals prächtige Park wurde zur Übungsstrecke für Panzer. Nicht einmal die neobarocke Bibliothek blieb verschont: Sie diente als Waffenlager, mit den Büchern wurde geheizt.

"Viele hatten Angst, wir führen das Mittelalter wieder ein"

Prak vom Kloster Tepla (Foto: Kilian Kirchgeßner)
Der Park war mal Übungsstrecke für PanzerBild: Kilian Kirchgeßner

Der frevelhafte Umgang mit dem kirchlichen Erbe ist bis heute prägend für das Verhältnis von Staat und Kirche in Tschechien, dem wohl atheistischsten Land Europas. Gerade einmal acht Prozent der Einwohner bezeichnen sich nach einer aktuellen Umfrage als gläubig - so wenige wie nirgendwo sonst. Ein Erbe des Kommunismus, der die Religion aktiv bekämpft hatte. Bis heute hat es die Kirche schwer, in der Gesellschaft Vertrauen zu gewinnen.

"Eigentlich sind wir Missionsgebiet", sagt Pater Augustin, der Verwalter des Klosters in Tepla. Zu Beginn der 90er-Jahre etwa, als er mit seinen Brüdern das alte Kloster wieder besiedelte, sei ihm Mißtrauen entgegen geschlagen. "Die Leute hatten ja noch die alte Propaganda im Kopf von der Kirche als Klassenfeind. Viele hatten Angst, wir führten hier wieder das Mittelalter ein", sagt er. "Wir haben dann irgendwann gefragt: Warum helft ihr uns nicht? Uns fällt hier alles auf den Kopf! Wir brauchen das doch nicht für uns, das ist doch unser gemeinsames Kulturerbe!"

Das 800-jährige Erbe macht Mut

Schritt für Schritt ist es Pater Augustin und seinen Mitstreitern gelungen, das Kloster vor dem endgültigen Verfall zu retten. Einige Teile der alten Anlage sind zumindest von innen wieder saniert. An anderer Stelle wird gerade gebaut. An der Skepsis der Nachbarn hat sich aber nicht viel geändert. Mit der Kirche können sie immer noch nichts anfangen. In den umliegenden Ortschaften feiern die Mönche in den Dorfkirchen zwar sonntags Gottesdienste Besucht werden die aber bestenfalls von einer Handvoll Gläubiger. "In einem der Orte kam früher immer nur eine alte Frau, aber weil sie jetzt ihr Haus nicht mehr verlassen kann, haben wir die Kirche geräumt und zugemauert."

Ihr Kloster aber wollen die Mönche nicht aufgeben - und die Hoffnung schon gar nicht. Pater Augustin steht nach dem Rundgang wieder in der Klosterkirche. Er zeigt auf einen goldenen Sarkophag im Seitenflügel; dort ist Graf Hroznata begraben. Er hat im 12. Jahrhundert das Kloster gegründet, nachdem seine Frau und seine Töchter gestorben waren. "Hroznata ist für mich ein Mensch der Hoffnung. Er hat das Wertvollste verloren und trotzdem hat er seinen Glauben nicht verloren und auch nicht die Lust am Leben", sagt Pater Augustin: "Er hat den Verlust und den Schmerz überwunden - das ist das Erbe, von dem wir schon 800 Jahre lang zehren!"

Autor: Kilian Kirchgeßner
Redaktion: Daniel Scheschkewitz/Gero Rueter