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Obama empfängt politischen Papst

23. September 2015

Mit Kuba war Franziskus sehr zufrieden. Nun aber beginnt der spannendste Teil seiner Reise: Ausgerechnet in den USA will der Papst den Kapitalismus kritisieren und vor dem Klimawandel warnen.

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US-Präsident Barack Obama empfängt Papst Franziskus auf dem Rollfeld. Sie schütteln Hände und Obama beugt sich leicht zu ihm vor. (Foto: REUTERS/Jonathan Ernst)
Bild: Reuters/Jonathan Ernst

Papst Franziskus ist zu seinem ersten Besuch als Oberhaupt der katholischen Kirche in den USA eingetroffen. In einer sehr seltenen Geste holte US-Präsident Barack Obama den Papst persönlich vom Rollfeld der Luftwaffenbasis Andrews nahe Washington ab.

Begeisterte Gläubige jubelten und klatschten, als der 78-jährige Argentinier das Flugzeug verließ. Obama hatte seine Frau Michelle und die beiden Töchter Malia und Sasha bei der Begrüßung dabei, auch Vizepräsident Joe Biden schüttelte dem Kirchenoberhaupt die Hand. Während Staatsgäste in den USA meist in schweren Limousinen durch die Hauptstadt chauffiert werden, ließ sich der Papst in einem Fiat-Kleinwagen zur Apostolischen Nuntiatur bringen, der diplomatischen Vertretung des Vatikans.

Papst will UN ins Gewissen reden

Als erstes ist ein offizielles Treffen von Obama und Franziskus im Weißen Haus geplant. Anschließend will sich der Papst den Gläubigen bei einer Fahrt durch die Innenstadt von Washington zeigen, ehe er zu einem Gebet mit den katholischen US-Bischöfen in der St.-Matthäus-Kathedrale zusammenkommt.

Am Donnerstag wird Franziskus als erster Papst vor beiden Kongresskammern in Washington sprechen. Weitere Stationen der Reise sind New York, wo der Pontifex am Freitag eine Rede vor den Vereinten Nationen hält. Anlass der insgesamt neuntägigen Reise ist der achte katholische Weltfamilientag in Philadelphia am Samstag und Sonntag.

In der kubanischen Hauptstadt Havanna wurde Papst Franziskus umjubelt. Er steht in einem umgebauten Auto und winkt den Fähnchen wedelnden Menschen zu. (Foto: REUTERS/Alejandro Ernesto)
In Havanna jubelten die Menschen Papst Franziskus zuBild: Reuters/A. Ernesto

Provokation für Konservative

Mehr als 80 Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten bezeichnen sich laut einer Erhebung der Universität Georgetown als Katholiken, das sind rund 25 Prozent der Bevölkerung. Der neue Papst, der durch Reformen in der katholischen Kirche und sein bescheidenes Auftreten viele Sympathien gewonnen hat, genießt auch in den Vereinigten Staaten ein hohes Ansehen.

Franziskus, der direkt von einem dreitägigen Aufenthalt in Kuba kam, eckt bei Konservativen in den USA durchaus an. Zwar tritt das Kirchenoberhaupt für ein traditionelles Familienbild ein, lehnt die Homo-Ehe ab und bezeichnet Abtreibung als Sünde. Mit seiner Kritik an einem ungezügelten Kapitalismus und seinem Einsatz für den Umweltschutz liegt Franziskus aber über Kreuz mit vielen Republikanern.

Seine Rede im Kongress dürfte also nicht unbedingt den Geschmack der republikanischen Parlamentsmehrheit treffen. Aus Vatikankreisen verlautete, der Papst wolle über die Dominanz des Finanzsystems und der Technologie sprechen. Außerdem werde er dafür werben, Einwanderer willkommen zu heißen und den Klimawandel zu bekämpfen. Im Gespräch mit Journalisten auf dem Flug nach Washington sagte Franziskus, dass er in der Rede nicht ausdrücklich die Aufhebung des US-Handelsembargos gegen Kuba fordern werde. Allerdings machte er deutlich: "Der heilige Stuhl ist gegen dieses Embargo."

"Keine Informationen über Festnahmen von Regimekritikern"

Ebenfalls während des Fluges sagte der Papst, er habe keine Informationen über Festnahmen kubanischer Regimekritiker, die auf dem Weg zu einem Treffen mit ihm waren. Es habe Telefonate der Botschaft mit einigen Dissidenten gegeben, eine Begegnung sei jedoch nicht zustande gekommen, so Franziskus. Er betonte, dass nur eine Begrüßung, aber kein längeres Treffen geplant gewesen sei.

Kubanische Medien hatten zuvor berichtet, Sicherheitskräfte hätten die prominenten Dissidentinnen Berta Soler und Martha Beatriz Roque am Samstag daran gehindert, den Papst in der Nuntiatur in Havanna aufzusuchen. Das unabhängige Portal "14ymedio" der kubanischen Bloggerin Yoani Sanchez berichtete am Sonntag, Roque Cabello sei gleich zweimal an dem Besuch von Veranstaltungen mit Franziskus gehindert worden. Sie soll 15 Stunden auf einer Polizeiwache verbracht haben. Nach Angaben der christlichen Oppositionspartei "Movimiento Cristiano Liberacion" (MCL) wurden während des Papstbesuches 50 Dissidenten verhaftet, darunter zahlreiche Aktivistinnen der Bürgerrechtsorganisation "Frauen in Weiß" sowie Mitglieder der MCL.

pab/jj (dpa, kann, afp)