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Obama hält am Bau neuer Atomkraftwerke fest

15. März 2011

Trotz der dramatischen Ereignisse im japanischen Atomkraftwerk Fukushima 1 hält die US-Regierung am Bau neuer Atomkraftwerke fest. Die Kreditgarantien von 18,5 Milliarden Dollar für neue Atomkraftwerke bleiben bestehen.

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Barack Obama steht an einem Rednerpult und gestikuliert (Foto: ap)
Obama gibt die Richtung vor: Kernkraft, ja bitte!Bild: AP

Die Regierung von US-Präsident Barack Obama möchte mit Hilfe von Atomkraftwerken die Abhängigkeit von Ölimporten verringern. Gleichzeitig sieht sie die Kernenergie auch als Möglichkeit, den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken, die beispielsweise von Kohlekraftwerken freigesetzt werden. Trotz der Horrormeldungen aus Japan möchte die US-Regierung an ihrem Kurs festhalten. Ein Sprecher des Weißen Hauses erklärte, dass Obama die Atomkraft als notwendigen Teil des Energie-Mixes sehe. Allerdings sei die US-Regierung bereit, von den Ereignissen in Japan "zu lernen".

Atomkraft in den USA auf dem Vormarsch

Die Renaissance der Atomkraft hat in den USA vor einigen Jahren unter Präsident George W. Bush begonnen. 2006 hatte Bush den Ausbau der Technologie gefordert, um die USA unabhängiger vom Erdöl zu machen. Obama war es, der schließlich den Weg für den Neubau von Kernkraftwerken freimachte. Insgesamt 18,5 Milliarden Dollar stellt seine Regierung als Kreditgarantie für den Ausbau der Kernkraft zur Verfügung. Bisher werden rund 20 Prozent des US-amerikanischen Energiebedarfs durch Kernkraft gedeckt. Die USA verfügen über die meisten Atomkraftwerke der Welt - insgesamt 65. Die Gesamtzahl der Reaktoren liegt bei 104.

Die Kühltürme des Atomkraftwerks Three Mile Island spiegeln sich im Fluss (Foto: ap)
Einer der beiden Reaktoren des Atomkraftwerks Three Mile Island läuft bis heuteBild: AP

In den vergangenen 30 Jahren sind in den USA keine neuen Atomkraftwerke gebaut worden. Grund dafür war ein Reaktorunfall im Jahr 1979 in dem Kernkraftwerk Three Mile Island in Harrisburg. Dort war es zu einer partiellen Kernschmelze gekommen. Im US-Bundesstaat Pennsylvania mussten in Folge des Unfalls rund 140.000 Menschen in Sicherheit gebracht werden.

Doch nun scheint nach Ansicht der US-Regierung die Zeit reif für neue Atomkraftwerke zu sein. Das der Atomindustrie nahestehende Nuclear Energy Institute sieht neue Kernkraftwerke wegen des wachsenden Energiebedarfs der USA als unverzichtbar an. Bis zum Jahr 2035 werde der Energiehunger des Landes um 24 Prozent ansteigen. Insgesamt seien derzeit mehr als 30 neue Kernkraftwerke in Planung.

Kritik an Kernkraft in den USA ebenfalls auf dem Vormarsch

Porträt von US-Senator Joe Lieberman (Foto: dpa)
US-Senator Joe Lieberman schlägt kritischere Töne als früher anBild: Picture-Alliance/dpa

Mittlerweile werden in den USA aber auch kritische Stimmen lauter. Selbst Atombefürworter rudern zurück. US-Senator Joe Lieberman, der dem Heimatschutz-Aussschuss des Senats vorsteht, forderte, bei dem Bau von Atomkraftwerken auf die "Bremse" zu treten. Der Senator, der in der Vergangenheit die Atomkraft stets als saubere und sichere Energiequelle verteidigt hatte, erklärte, der Unfall in Japan müsse zunächst einmal "verdaut" werden.

Vor dem Hintergrund der dramatischen Bilder aus Japan wird es für die Atomlobby in Zukunft schwieriger werden, die Unterstützung der US-amerikanischen Bevölkerung zu bekommen. US-Atomexperte Peter Bradford, der früher in der Führungsriege der US-Atomaufsicht war, rechnet mit bleibenden Eindrücken der Katastophe in Japan: "Es wird schwierig werden, diese Bilder auf Jahre aus den Köpfen der Menschen herauszubringen."

Linda Gunter, die Gründerin der Anti-AKW-Bewegung "Beyond Nuclear", sieht Obamas Pläne zum Ausbau der Kernenergie durch das Unglück in Japan nun "ein Stück weit" zurückgeworfen. "Aber alles wird davon abhängen, wie sehr sich die Dinge in Japan verschlimmern", so die Atomkraftgegnerin.

"Erdbeben und Atomkraftwerke sind keine gute Kombination"

Für Atomkraftgegnerin Linda Gunter sind vor allem die Kernkraftwerke im US-Bundesstaat Kalifornien ein großes Problem. Sie sei "sehr besorgt" über die Anlagen in Kalifornien, wo sich am San-Andreas-Graben die Pazifische und die Nordamerikanische Erdplatte aneinanderreiben. "Erdbeben und Atomkraftwerke sind keine gute Kombination", stellte Gunter fest. Wie Japan liegt auch Kalifornien am sogenannten Pazifischen Feuerring, einer der weltweit gefährlichsten Erdbebenregionen. Bei einem Beben der Stärke 6,7 starben 1994 in Los Angeles 60 Menschen.

Gregory Jaczko spricht im Presseraum des Weißen Hauses (Foto: ap)
Gregory Jaczko bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus am Montag (14.03.2011)Bild: AP

Der Katastrophenschutz in Kalifornien ist nach eigenen Angaben für ein so schweres Erdbeben wie in Japan gewappnet. Das erklärte Mike Dayton, der Leiter des Katastrophenschutzes am Montag (14.03.2011) dem Nachrichtensender CNN. "Wir wissen, dass Kalifornien ein Staat ist, der Erdbeben ausgesetzt ist. Darum bereiten wir uns auch so ernsthaft vor", so Dayton. Die Katastrophenschutzbehörde arbeite zudem eng mit Geologen und Atomingenieuren zusammen. Darum sei die Behörde auch nach der Katastrophe in Japan nicht "übermäßig besorgt".

Auch Gregory Jaczko, der Chef der US-Atomenergiebehörde, zeigte sich zuversichtlich: "Alle unsere Werke sind so angelegt, dass sie bedeutenden Naturphänomenen standhalten können." Allerdings beobachte er die Lage in Japan sehr genau. "Wir werden uns alle erhältlichen Informationen über das Ereignis anschauen und sehen, ob wir Änderungen an unserem System vornehmen müssen", so Jaczko.

Nach einem Wandel in der US-Atompolitik sieht es bislang nicht aus. Entscheidend wird sein, wie sich die Lage in Japan weiterentwickelt und wie die amerikanische Bevölkerung darauf reagiert.

Autor: Marco Müller (dpa, afp, rtr)
Redaktion: Oliver Pieper