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Obamas Aderlass geht weiter

1. Oktober 2010

Stabschef Rahm Emanuel verlässt das Weiße Haus um in seiner Heimatstadt Chicago für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren. Damit verliert der US-Präsident den vierten hochrangigen Berater innerhalb weniger Wochen.

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US-Präsident Barack Obama und sein scheidender Stabschef Rahm Emanuel (Foto: AP)
Obama verliert seinen Stabschef Rahm EmanuelBild: AP

Die Kongresswahlen stehen vor der Tür. Die Demokraten führen einen Wahlkampf gegen die Zeit und gegen die Stimmung im Land, die von Enttäuschung über US-Präsident Barack Obama gekennzeichnet ist. Und in dieser Situation verlässt Stabschef Rahm Emanuel das Weiße Haus, um sich in den Kommunalwahlkampf zu stürzen. Das gab Obamas Sprecher Robert Gibbs am Freitag (01.10.2010) in Washington bekannt.

Wechsel in die Provinz

"Er tauscht den zweiteinflussreichsten Posten der USA gegen die Provinzpolitik", schrieb die Chicagoer Zeitung "Sun" zu dieser Personalie. Emanuel, der erster jüdischer Bürgermeister von Chicago werden will, benötigt für einen Wahlsieg am 5. April kommenden Jahres die Stimmen der Afroamerikaner und der Hispanics. Die erste große Hürde muss der langjährige Obama-Freund schon am 22. Februar bei den Vorwahlen nehmen, zu denen rund 20 weitere Kandidaten antreten werden.

Skyline von Chicago (Foto: dpa)
Emanuel will Bürgermeister von Chicago werden...Bild: dpa

Der begehrte Bürgermeisterposten der drittgrößten Stadt der USA war in den vergangenen 21 Jahren ununterbrochen von Richard M. Daley gehalten worden. Seine Ankündigung, nicht für eine siebte Amtszeit kandidieren zu wollen, hatte Chicago Anfang September schockiert. Daley stammt aus einer lokal sehr einflussreichen demokratischen Politiker-Dynastie: Schon sein Vater war Bürgermeister von Chicago, von 1955 bis 1976. Rahm Emanuel, der vor seinem Wechsel nach Washington als Spendensammler für Daley Jr. gearbeitet hatte, gilt nach dessen angekündigten Rückzug aus der Politik als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge.

Langjährige Karriere in Washington

Die letzten zwei Jahrzehnte hat der 50-jährige Emanuel in Washington verbracht. Von 1993 bis 1999 war er Chefberater von Präsident Bill Clinton. 2002 wurde er für einen Wahlkreis am Stadtrand von Chicago ins Repräsentantenhaus gewählt. 2008 legte er sein Mandat nieder und wechselte ins Weiße Haus, wo Barack Obama ihn zu seinem Stabschef ernannte. Emanuel war einer der einflussreichsten Berater des Präsidenten. Er legte den groben Kurs des Präsidialamtes fest und bestimmte, wer zu Obama vorgelassen wurde.

Man werde sich an ihn als "kämpferischen Beschützer des Präsidenten" erinnern, schrieb die "Washington Post". Er sei ein "unnachgiebiger Manager" gewesen, dessen tägliche Konferenzen um 7.30 Uhr stets mit scharfen Fragen an ranghohe Obama-Berater gepfeffert waren, was sie bisher erreicht hätten und was sie als nächstes zu tun gedächten.

Der Bürgermeister von Chicago, Richard M. Daley (Foto: AP)
... und damit Nachfolger des populären Stadtvaters Richard M. DaleyBild: AP

Als Stabschef war es unter anderem Emanuels Aufgabe, rivalisierende Machtzentren in der Umgebung des Präsidenten unter Kontrolle zu behalten und für ein funktionierendes Verhältnis des Weißen Hauses zum Kongress zu sorgen. Zu seinen größten Vermittlungserfolgen zählen die Gesundheits- und Finanzreformen sowie das Konjunkturpaket, die alle mit knappen Mehrheiten durchs Parlament kamen.

Was ihm jedoch nicht gelang, ist eine ursprünglich von Obama angestrebte bessere Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg. Angesichts des Umfragetiefs der Demokraten fünf Wochen vor der Kongresswahl am 2. November dürfte bei den oppositionellen Republikanern derzeit auch wenig Neigung dazu bestehen. Letzten Umfragen zufolge haben die Republikaner durchaus die Chance auf eine Mehrheit im Repräsentantenhaus, womit sie Obamas Machtbasis deutlich schmälern könnten.

Verlust für Obama

Der Rücktritt seines Stabschefs ist ein Verlust für den amerikanischen Präsidenten, gilt Emanuel doch als großartiger Strippenzieher mit besten Verbindungen zum Kongress. Jüngst hatte bereits Obamas Top-Wirtschaftsberater Lawrence Summers angekündigt, er wolle bald gehen, um wieder als Professor an der Universität Harvard zu lehren. Erst vor wenigen Wochen musste der Präsident auch Christina Romer, die Leiterin seines ökonomischen Rates, ziehen lassen. Kurz davor hatte auch der oberste Haushalts-Aufseher im Weißen Haus, Peter Orszag, den Job quittiert.

Interims-Nachfolger von Emanuel wird Pete Rouse, einer der treuesten Berater des Präsidenten. Er wird als das genaue Gegenteil des scheidenden Stabschefs beschrieben. Rouse, ein enger Vertrauter Obamas seit dessen Einzug in den US-Senat Anfang 2005, gilt als ruhiger Mann im Hintergrund - als einer, der Probleme bereinigt, ohne viel Staub aufzuwirbeln. Kollegen berichten, seine Anwesenheit beruhige Situationen, er sei ein "ehrlicher Makler", der sich auch um ein gutes Verhältnis mit den unteren Rängen der Hierarchie bemühe.

Einen endgültigen Stabschef wird Obama vermutlich erst nach den Kongresswahlen am 2. November berufen.

Autorin: Miriam Gehrke (dpa, afp)
Redaktion: Ursula Kissel