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Oberster Richter brüskiert Erdogan

25. April 2014

In einem Rechtsstaat seien Gerichte keine Befehlsempfänger: Der türkische Verfassungsgerichtspräsident Kilic nutzte eine Gedenkfeier zur Abrechnung mit Regierungschef Erdogan, in aller Öffentlichkeit.

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Hasim Kilic, der Vorsitzende des türkischen Verfassungsgerichts (foto: AFP/Gettyimages)
Bild: A.Altan/AFP/GettyImages

Die grassierende Kritik aus der Politik, insbesondere auch vom Regierungschef, an Entscheidungen seiner Richter wurde dem Vorsitzenden des Verfassungsgerichts der Türkei nun einfach zu viel: Als "übertrieben" und "seicht" wies Hasim Kilic die Vorwürfe zurück, nach denen die Justiz im politischen Geschehen des Landes Partei ergreife. In einem Rechtsstaat seien die Gerichte schließlich keine Befehlsempfänger, stellte Kilic klar.

In einer auch von mehreren TV-Sendern direkt übertragenen Rede spielte er dabei am Freitag auf Äußerungen von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan an. Es sei oberflächlich zu sagen, dass das oberste Gericht eine politische Agenda verfolge oder nicht patriotisch genug sei, rügte Kilic. Erdogan saß bei der Veranstaltung zum 52. Jahrestag der Gründung des Verfassungsgerichts im Publikum. Fernsehbilder zeigten einen grimmig dreinblickenden Regierungschef, der zu einem anschließenden Empfang nicht erschien.

Ministerpräsident RecepTayyip Erdogan bei der Jubiläumsveranstaltung des türkischen Verfassungsgerichts (foto: dpa/Anadolu Agency)
Für Ministerpräsident Erdogan (l.) wurde es ungemütlich bei der Gedenkfeier des hohen GerichtsBild: picture-alliance/dpa

Erdogan hatte vor einigen Tagen erklärt, er werde die vom Verfassungsgericht verfügte Aufhebung eines von ihm verhängten Verbots des Kurznachrichtendienstes Twitter nicht akzeptieren. Erdogan-Gegner sehen in dem Verbot den Versuch, die Veröffentlichung von Audiomitschnitten zu stoppen, die den Regierungschef im Zusammenhang mit einem Korruptionsskandal belastet hatten. Mit deutlichen Worten kritisierte Erdogan auch die Entscheidung des Gerichts, geplante Gesetzesänderungen aufzuhalten, mit denen seine islamisch-konservative Regierung mehr Kontrolle über die Justiz erlangen wollte.

"Justiz nicht unterwandert"

Kilic wies in seiner Ansprache auch die Beschuldigungen Erdogans und seines Kabinetts zurück, die Justiz der Türkei sei von Regierungsgegnern unterwandert. Der Premier wirft seinem in den USA lebenden Rivalen, dem Geistlichen Fetullah Gülen, vor, seinen Einfluss bei Polizei und Justiz dazu zu nutzen, den seit längerem schwelenden Korruptionsskandal gegen die Regierung zu inszenieren. Kilic forderte nun, Beweise für die Vorwürfe vorzulegen. Diese hätten im Justizapparat zu einem "pyscholgischen Trauma" geführt und die Richterschaft gespalten.

Kilic betonte die Bedeutung internationaler Rechtsnormen und einer unabhängigen Justiz. In einer Demokratie seien dem "willkürlichen Handeln der Regierung" Grenzen gesetzt.

SC/gmf (rtr, APE, afp, dpae)