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Leere Versprechungen

Steffen Leidel 8. Juni 2007

Schiffe und Flugzeuge hatten die EU-Staaten zur Überwachung der Seegrenzen zugesagt. Gehalten haben sie ihre Versprechen nicht. Ungeklärt bleibt auch die Frage, wann ein Land schiffbrüchige Flüchtlinge aufnehmen muss.

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Grenzschutzexperten aus Polen, links, Rumänien, rechts, und Deutschland am Flughafen Frankfurt
Grenzschützer verschiedener EU-Staaten sollen bei der Sicherung der Außengrenzen zusammenarbeitenBild: AP

In Europa steht der Sommer vor der Tür und schon jetzt ist sicher: Mit ihm wird auch die Migrationswelle aus Afrika wieder einen Höhepunkt erreichen, wie im vergangenen Jahr. Nach Angaben von Flüchtlingsorganisationen sind seit 1988 schon 3000 Menschen im Mittelmeer ertrunken, als sie versuchten in Booten nach Europa überzusetzen.

Flüchtlingsboot vor den Kanarischen Inseln
Flüchtlingsboot vor den Kanarischen InselnBild: AP

Das Flüchtlingsdrama zu lindern, haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs schon mehrfach vorgenommen. Mit 115 Booten, 25 Hubschraubern und 23 Flugzeugen wollten die 27 Länder die EU-Grenzschutzagentur Frontex unterstützen. In zwei Wochen sollten damit Patrouillen an den Seegrenzen der Europäischen Union beginnen, nicht nur zur Abschreckung. Die international besetzen Polizeieinheiten sollten vor allem in Seenot geratene Flüchtlinge retten.

Nichts als "große Töne"

Jetzt zeigt sich: Den großen Worten folgten nur kleine Taten. "Wo sind sie?", fragt EU-Innenkommissar Franco Frattini nun. Gerade einmal 20 Schiffe und vier Hubschrauber stünden zur Verfügung. Nur Deutschland, Frankreich, Griechenland und Malta hätten ihre Zusagen konkretisiert. Der Rest Fehlanzeige.

Franco Frattini, EU-Justizkommissar
Franco Frattini, EU-JustizkommissarBild: AP

"Erst wurden große Töne von den Staats- und Regierungschefs gespuckt, doch wenn es ans Eingemachte geht, sind sie unauffindbar", sagt Wolfgang Kreissl-Dörfler von der Sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament. "Man lässt die Frontex-Leute jetzt im Regen stehen", kritisiert er. Frontex habe derzeit keine Einheiten, die wirklich funktionieren.

Keine Solidarität unter Mitgliedstaaten

Die EU-Länder seien in sehr unterschiedlichem Maße von dem Flüchtlingsproblem betroffen, sagt Steffen Angenendt, Migrations-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. "Die Südstaaten haben das größte Interesse an der Lösung des Problems", Dagegen hielten sich die anderen Länder zurück. Frattini vermisst hier mehr Solidarität unter den EU-Mitgliedern und fordert "ein neues System der Lastenverteilung".

Der Hafen von Valletta auf Malta
Der Hafen von Valletta. Malta ist mit 400.000 Einwohnern der kleinste EU-StaatBild: Illuscope

So stehe ein kleines Land wie Malta unter "sehr großem Druck", sagte Frattini kürzlich auf einer Pressekonferenz und zeigte Verständnis dafür, "dass nicht alle Flüchtlinge, die von Malta gerettet werden, auch von Malta aufgenommen werden können." Maltas Regierung hat am Donnerstag (7.6.07) noch einmal betont, dass es künftig weniger Flüchtlinge und illegale Migranten aufnehmen will.

Kritik an Malta

In den vergangenen zwei Wochen sind Dutzende Menschen vor Maltas Küsten umgekommen, weil ihre Boote gekentert waren. Flüchtlingsorganisationen kritisieren den Inselstaat schon seit Jahren. Die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge "Pro Asyl" hat Malta eine "tödliche Flüchtlingspolitik" vorgeworfen. Der Inselstaat verstoße seit Jahren gegen alle elementaren Menschen- und Flüchtlingsrechtsstandards.

Aufsehen erregte Ende Mai der Fall von 27 Afrikanern, die drei Tage lang im Mittelmeer trieben und sich an Tunfischnetzen festhielten, während sich Malta und Libyen über ihre Rettung stritten. Letztlich wurden sie von der italienischen Marine in Sicherheit gebracht.

Unklare Rechtslage

"Laut UN-Seerechtskonvention ist die oberste Verpflichtung für einen Kapitän, Schiffsbrüchige aufzunehmen, und die Flüchtlinge haben dann das Recht am nächsten Hafen versorgt zu werden", sagt Kreissl-Dörfler. Allerdings ist die Frage ungeklärt, wie die Flüchtlinge über die Mitgliedstaaten verteilt werden sollen, wenn sie von internationalen Frontex-Patrouillen aufgegriffen werden. "Da geht der Streit dann los." Kreissl-Dörfler schlägt vor, entweder Kontingente für jedes EU-Mitglied festzulegen oder einen EU-weiten Flüchtlingsfonds einzurichten, der besonders betroffenen Ländern finanzielle Hilfe zukommen lässt.

Illegale Flüchtlinge in Spanien
Illegale Flüchtlinge in SpanienBild: AP

Die europäische Grenzschutzagentur Frontex prüft derzeit, welches Land wann für Bootsflüchtlinge in Seenot zuständig sei. Dabei werden Fragen des Seerechts und des humanitären Rechts erwogen. Frattini hat zudem die Regierung in Valletta gebeten, beim EU-Justiz-und Innenministertreffen in der kommenden Woche einen Vorschlag zur Verteilung der Geretteten auf mehrere EU-Staaten zu präsentieren.

Doch auch bei den Rettungsaktionen bleiben noch Fragen zu klären. "Was passiert mit denen, die im Mittelmeer aufgebracht werden und dann in Länder wie Libyen oder Mauretanien gebracht werden?", fragt Angenendt, der bezweifelt, dass diese Praxis mit den menschenrechtlichen Standards der EU zu vereinbaren ist. Er sieht bei der Kontrolle von Frontex noch "erheblichen Verbesserungsbedarf". Die Grenzschutzagentur liefere nur "dünne Informationen" an das Europäische Parlament. Auch Kreissl-Dörfler sieht diesen Misstand: "Wir werden drängen, dass wir da mehr erfahren. Da lassen wir uns nicht abspeisen."