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"Belarus braucht die EU"

11. Februar 2010

Der Führer der Oppositionsbewegung Für Freiheit, der Ex-Präsidentschaftskandidat Aleksandr Milinkewitsch, sieht für sein Land keine Alternative zu einer engen Zusammenarbeit mit der EU - Ein Interview.

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Portrait von Aleksandr Milinkewitsch, im Hintergrund die Europafahne (Foto: AP)
Aleksandr Milinkewitsch tritt für die Rückkehr seines Landes nach Europa einBild: AP

DW-WORLD.DE: Herr Milinkewitsch, in den vergangenen Tagen haben Sie in Brüssel und Berlin politische Gespräche geführt. Was war das Ziel ihrer Reise?

Aleksandr Milinkewitsch: Es ging darum, wie man die Ostpolitik der Europäischen Union effektiver gestalten könnte, und was man im Falle von Belarus machen könnte, damit der vor zwei Jahren eingeleitet Dialog mehr Ergebnisse bringt. Hauptziel meiner Reise war, festzustellen, was gelungen und was nicht gelungen ist.

Milinkewitsch im Präsidentschaftswahlkampf 2006, umringt von Unterstützern (Foto: AP)
Die Wahl 2006 wurde von der OSZE als nicht demokratisch kritisiertBild: AP

Oft hört man, nichts sei gelungen, man sei in Brüssel vom bisherigen Ergebnis des neuen EU-Kurses gegenüber Belarus eher enttäuscht. Stimmt das?

Ich denke, dass man in Europa enttäuscht ist, aber glücklicherweise nicht von uns. Enttäuscht ist man von den Ereignissen in der Ukraine und Georgien. In Brüssel sieht man keinen besonderen Erfolg der "bunten Revolutionen", zu denen es dort gekommen war. Aber uns ist wichtig, dass die grundlegenden Veränderungen in Richtung Demokratisierung, die in den beiden Ländern erreicht wurden, bei uns in Belarus nicht negativ gesehen werden.

Der Dialog zwischen der EU und Belarus trägt kaum Früchte. Hat er überhaupt eine Zukunft?

Die Rückkehr zur europäischen Familie, zu europäischen Standards wird lange dauern. Wenn schon morgen bei uns Freiheit einkehren würde, die Menschen keine Angst mehr hätten, politische Parteien sich entwickeln und unabhängige Medien existieren würden, würde dann bei uns gleich Demokratie herrschen? Nein, das wären nur Voraussetzungen für Demokratie. Belarus wird einen langen Weg gehen müssen, aber man muss wissen, wohin er führt. Die heutige belarussische Staatsmacht hat weder ein Modell noch eine Strategie für den Staat. Ich bin Europäer und trete für den europäischen Entwicklungsweg des Landes ein. Ich möchte, dass auch die Staatsmacht sich dessen bewusst wird, dass wir keine Alternative haben, dass wir diesen Weg gehen müssen.

Wohin soll dieser Weg führen? Sehen Sie reale Chancen für einen EU-Beitritt Ihres Landes?

Milinkewitsch erhält 2006 aus den Händen des damaligen Präsidenten des Europa-Parlaments, Josep Borrell, den Sacharow-Preis für geistige Freiheit (Foto: AP)
2006 erhielt Milinkewitsch den Sacharow-Preis für geistige FreiheitBild: AP

Ich bin fest davon überzeugt, dass Belarus zur EU gehören wird. Aber es ist unseriös, zu fordern, man solle uns schon heute aufnehmen. Dafür sind politische, wirtschaftliche und soziale Reformen notwendig. Ferner müssen die Menschen sich zuerst selbst als Europäer betrachten, ihre Kultur und Geschichte begreifen. Sie müssen erst zu einer Nation werden. Wenn ich das Land führen würde, würde ich das Ziel eines EU-Beitritts verfolgen. Aber wann das geschehen könnte – in 10, 15, 20 Jahren – weiß ich nicht, das weiß niemand. Die EU ist heute nicht bereit, neue Mitglieder aufzunehmen, und die Europäer fürchten allein schon Diskussionen darüber. Sie haben viele Sorgen mit den neuen Mitgliedern. Deswegen müssen wir uns realistische Aufgaben und strategische Ziele setzen.

Wie bewerten Sie die EU-Initiative Östliche Partnerschaft, der sechs ehemalige Sowjetrepubliken beigetreten sind, darunter auch Belarus?

Der EU ist es wichtig, an ihren Grenzen stabile, demokratische Länder mit robuster Wirtschaft zu haben. Das ist das strategische Ziel der EU. Ich habe die Östliche Partnerschaft nie als ersten Schritt zu einem EU-Beitritt gesehen. Sie ist eher eine Bestätigung dessen, dass man sich nach den Werten richten möchte, die Europa verbinden. Das ist der erste Schritt hin zu den gewaltigen Möglichkeiten, die eine Zusammenarbeit mit der EU in sich birgt. Hauptsache ist aber, dass Belarus sich entscheidet, ob es sich Russland oder der EU anschließt. Ich bin davon überzeugt, dass wir ohne eine Zusammenarbeit mit der EU den notwendigen Weg der Modernisierung nicht bewältigen werden.

Das Gespräch führte Vladimir Dorokhov / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Fabian Schmidt